Ein Kampfpanzer vom Typ "Leopard 2A6" fährt durch ein Wasserbecken. (Archiv)

Debatte über Ukraine-Hilfen FDP und SPD werfen sich gegenseitig Lügen vor

Stand: 22.01.2025 01:51 Uhr

Mitten im Wahlkampf verschärft sich der Streit über neue Ukraine-Hilfen. Dass ein Hilfspaket noch vor der Wahl kommen soll, darüber sind sich SPD, Grüne und FDP einig. Doch bei der Finanzierung eskalieren die gegenseitigen Attacken.

In der Debatte über zusätzliche Milliardenhilfen für die Ukraine erheben die ehemaligen Ampelpartner SPD, Grüne und FDP zunehmend schwerwiegende Vorwürfe gegeneinander. Die FDP weist den von Bundeskanzler Olaf Scholz gemachten Vorwurf der Lüge scharf zurück. "Herr Scholz nimmt jetzt tatsächlich die Ukraine in Geiselhaft", sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr im Morgenmagazin von ARD und ZDF. Scholz sage die Unwahrheit und handele unmoralisch, weil er Rentnerinnen und Rentner gegen Hilfen für die Ukraine ausspiele. FDP-Chef Christian Lindner sagte auf der Plattform X: "Olaf Scholz schlägt um sich wie ein Ertrinkender."

Scholz hatte bei der Veranstaltung "Fragen Sie die Spitzenkandidaten" der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gesagt: "Ich habe das Gefühl, ich sage das hier so offen: Im Augenblick wird mit größter Intensität, großer Umsicht das deutsche Volk belogen." Auf die Nachfrage, von wem, fügte der SPD-Kanzlerkandidat hinzu: "Von allen, die sich darum bemühen, eine Frage auszuklammern: Wie bezahlen wir es."

Miersch kontert FDP-Vorwürfe

Hintergrund ist die Finanzierung von drei Milliarden Euro an zusätzlichen Hilfen für die Ukraine. Scholz möchte die Schuldenbremse dafür aussetzen. Union, FDP und auch die Grünen, sein verbliebener Koalitionspartner, lehnen dies ab. Sie wollen ebenfalls noch vor der Bundestagswahl zusätzliche Waffenlieferungen in die Ukraine beschließen, diese aber über eine "außerplanmäßige Ausgabe" im Haushalt finanzieren.

Die Vorwürfe von FDP-Politiker Dürr wurden wiederum von SPD-Generalsekretär Matthias Miersch zurückgewiesen. "Es ist absurd, uns vorzuwerfen, Interessen gegeneinander auszuspielen", sagte er dem Spiegel. "Der FDP ist sowieso nicht mehr zu glauben: Es war die FDP, die Vorschläge gemacht hat, bei Renten und Kommunen zu kürzen, um das Haushaltsloch auszugleichen und so die Ukraine-Hilfen zu finanzieren", so Miersch. Dies sei einer der zentralen Konflikte gewesen, der Scholz dazu veranlasst habe, im November die Koalition mit der FDP zu beenden.

Habeck zu Finanzierungsfrage: "Lösen wir danach"

Die öffentliche Debatte belastet zunehmend auch das Verhältnis der SPD mit den Grünen, ihrem Koalitionspartner in der Minderheitsregierung. Vizekanzler Robert Habeck hielt in der ARD-Sendung Maischberger Scholz' Finanzierungsfrage entgegen: "Umgekehrt hatte die SPD jetzt keine großen Probleme zu beantragen, mehr für E-Autos zu tun oder die Netzentgelte noch abzuschaffen." Aber für die Ukraine wolle sie nichts mehr drauflegen.

Er ergänzte: "Oder man sagt: Ist egal, wir müssen helfen. Aus meiner Sicht - jetzt in der unmittelbaren Not: Dann helfen wir. Und dann lösen wir das Problem (der Finanzierung) danach."

Grüne irritiert über Scholz

"Es ist sehr irritierend, wie unsouverän Olaf Scholz mit dieser Debatte umgeht", sagte Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge der Nachrichtenagentur AFP. "Wir halten es auch für schlechten Stil."

Der Vorstoß für das Milliardenpaket kam ursprünglich von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Dröge äußerte sich verwundert, dass Scholz mit seinen Aussagen "offensichtlich auch seinem eigenen Parteifreund und Verteidigungsminister Pistorius vorwirft, eine Lüge zu verbreiten".

Es sei "für einen Kanzler sehr unklug, so unbesonnen zu agieren". Mit dieser Art habe Scholz "schon sehr viele Partner, auch in der Europäischen Union, vor den Kopf gestoßen". Dröge warnte den Kanzler davor, "Ausgaben für Sicherheit und Soziales gegeneinander auszuspielen".

Klingbeil: SPD einig über Aussetzung der Schuldenbremse

SPD-Parteichef Lars Klingbeil erwiderte, Scholz und Pistorius seien sich einig, dass man die Militärhilfe nur mit einer Sonderkreditlinie finanzieren könne. Der Verteidigungsminister habe "sehr deutlich" gemacht und es gebe keine Zweifel, dass auch er den vom Kanzler vorgeschlagenen Weg gehen wolle, sagte Klingbeil im Morgenmagazin. Dies sei auch die Meinung von Finanzminister Jörg Kukies.

"Ich fände es richtig, wenn wir schnell entscheiden, dass wir der Ukraine weiteres Geld geben", betonte Klingbeil. Nur sollte dies "vernünftig und seriös" finanziert werden. Dafür sei ein sogenannter Überschreitungsbeschluss zum Aussetzen der Schuldenbremse richtig.

Debatte über Finanzierung

Die Ampelkoalition war zerbrochen, weil die FDP diesen von SPD und Grünen vorgeschlagenen Weg nicht mitgehen wollte. Inzwischen sagen die Grünen aber, dass auch ein Beschluss im Haushaltausschuss für eine "außerplanmäßige Ausgabe" ausreiche. Auch Union und FDP haben mittlerweile angekündigt, dass sie dies unterstützen würden - obwohl die CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit Hinweis auf den fehlenden Haushalt 2025 im Dezember noch gesagt hatte, dass sie keinen haushaltsrelevanten Beschlüssen mehr zustimmen werde.

Kern des Streits ist, ob man so kurz vor der Bundestagswahl eine Entscheidung für den Etat 2025 treffen sollte, in dem nach Angaben des Finanzministeriums bereits eine Lücke von 16 Milliarden Euro besteht. Die SPD warnt, dann könnten nach der Wahl Einsparungen im Sozialbereich oder bei Investitionen nötig werden, die anderen Parteien weisen dies zurück. AfD, BSW und Linke sind ganz gegen eine Aufstockung der Militärhilfe für die Ukraine.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 21. Januar 2025 um 08:27 Uhr.