Kleine Parteien Unterschriften sammeln statt Wahlkampf
Kleine Parteien sehen den demokratischen Wettbewerb durch die vorgezogene Neuwahl in Gefahr. Die Auflagen sind hoch, die Zeit im Wahlkampf ist knapp. Sie müssen Unterschriften sammeln, um überhaupt teilzunehmen.
"Es zählt jeder Moment, um Unterschriften zu sammeln", sagt Jens Geibel von der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP). Der Vorsitzende des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen kritisiert, dass kleine Parteien mehrere Wochen aus dem thematischen Wahlkampf ausgeschlossen seien. "Eine Kombination aus Wahlkampf und Unterschriftensammlung ist für uns eigentlich nicht möglich. Bei der Menge der benötigten Unterstützungsunterschriften bleibt nicht die Zeit für längere informelle Gespräche."
Bis zum 20. Januar müssen kleinere Parteien ihre Wahlunterlagen einschließlich der gesammelten Unterschriften offiziell einreichen, ansonsten stehen sie am 23. Februar nicht auf dem Stimmzettel. Konkret benötigen Kleinparteien die Unterschriften von 0,1 Prozent der Wahlberechtigten ihres Bundeslands, um eine Landesliste aufstellen zu können. Die Frist war vom Bundesinnenministerium auf 34 Tage verkürzt worden. Normalerweise müssen Parteien ihre Unterlagen samt Unterschriften spätestens 69 Tage vor einer Wahl einreichen.
Für Parteien wie die ÖDP bedeutet das schon bei normalen Wahlterminen viel Organisation, die nun zur echten Herausforderung wird. "Wir in NRW werden es voraussichtlich noch auf den letzten Tag schaffen, mit entsprechender Anzahl Unterschriften beim Landeswahlleiter am 20. Januar vorstellig zu werden", sagt Jens Geibel und bleibt optimistisch.
Schwieriger Winterwahlkampf
"Schlechtes Wetter, Schnee und Kälte und auch die Weihnachtszeit erschweren uns die Sammlung auf der Straße." Es sei schwierig, im Winterwahlkampf mit den Mitmenschen in den politischen Austausch zu kommen.
Für Parteien, die seit der letzten Wahl nicht ununterbrochen mit mindestens fünf Abgeordneten im Bundestag oder in einem Landtag vertreten waren, bleibt die Hürde der Unterstützungsunterschriften. Einmal gesammelt, müssen die Unterschriften dann noch von den Gemeinden bestätigt werden. In der Regel gehen die Formulare per Post hin und her. Auch das sei ein Zeitfresser. "Wer es den kleinen Parteien unnötig schwer macht, beschädigt das Vertrauen in den demokratischen Prozess", so die Kritik der ÖDP.
Die Partei hatte wegen der Pflicht zum Unterschriftensammeln schon im Jahr 2023 Organklage beim Bundesverfassungsgericht erhoben, scheiterte dort aber. Die Chancengleichheit werde durch die Unterschriftenregelung nicht verletzt, heißt es in dem Beschluss aus Karlsruhe.
Auch die Tierschutzpartei berichtet von einer ähnlichen Situation. Angelika Remiszewski ist die Vorsitzende im Landesverband Nordrhein-Westfalen. "Ich befürchte, dass viele kleine Parteien wegen der Hürden nicht auf dem Wahlzettel zu finden sein werden. Wie die Wähler auf das geringere Angebot reagieren werden, bleibt abzuwarten", sagt die Lehrerin aus Dortmund.
Kleinparteien sehen demokratische Vielfalt eingeschränkt
"Gerade für die Wahlkreisbewerber in NRW blieb nicht viel Zeit", sagt Remiszewski. "Während die etablierten Parteien sofort loslegen können, müssen wir erst Hürden überwinden, die die demokratische Vielfalt unnötig einschränken", ergänzt Bastian Cornau von der Tierschutzpartei. "Der Landesverband NRW hat es aller Voraussicht nach geschafft, die Landesliste und die erforderlichen Unterschriften einzureichen. Dies ist ein großer Erfolg, auf den wir stolz sind", sagt Cornau.
In anderen Bundesländern werde es allerdings sehr eng. Es zeichne sich ab, dass wir nicht bundesweit auf dem Wahlzettel stehen können. "Diese Ungleichbehandlung steht in keinem Verhältnis zu den Ressourcen, die die großen Parteien mobilisieren können." Er sieht die Gefahr, dass viele kleinere Parteien gar nicht erst auf die Wahlzettel kommen. "Die daraus resultierende Einschränkung des demokratischen Angebots ist nicht nur für uns, sondern auch für die Wählerinnen und Wähler ein Nachteil", sagt Cornau.
Wunsch nach Reformen für Parteien
Seine Wünsche formuliert er klar: Neben einer Senkung der Unterstützungsunterschriften wäre auch eine grundlegende Reform der Parteienfinanzierung notwendig. "Es kann nicht sein, dass kleine Parteien praktisch ums Überleben kämpfen müssen, während große Parteien von sicheren Geldströmen profitieren", so Cornau.
Auch die Partei Volt blickt auf einen herausfordernden Winterwahlkampf, sagt NRW-Landesvorstand Markus Blümke. "Ich kann den Unmut der anderen kleineren Parteien verstehen. Es ist für die demokratische Vielfalt nicht erfreulich, mit diesen Hürden und in dieser kurzen Zeit zu arbeiten", sagt der Polizeibeamte aus Bergisch Gladbach. "Wenn wir den Anspruch haben, in den Bundestag zu kommen, wird es dann allerdings noch viel aufwendiger mit praktischer Politik. Wir sind also stolz, dass wir es geschafft haben."
Volt werde in allen 16 Bundesländern antreten, sagt Markus Blümke. "Natürlich war das herausfordernd. Aber wir haben uns da in den Vorständen schon im September vorbereitet auf das mögliche Neuwahl-Szenario. Das Konzept lag schon in der Schublade und unsere Plakate mussten schnell gedruckt werden. Das war eine krasse Zeit."
Beflügelte Mitglieder
Markus Blümke blickt optimistisch auf die Wahl, die Mitglieder seien derzeit regelrecht beflügelt. "Wir sind weniger Menschen in unserer Partei als bei den großen Parteien, aber unsere Quote von aktiven und engagierten Mitgliedern ist höher. Das war kein Selbstläufer."
Bis zum 20. Januar müssen die Formulare zunächst an die Wahlämter der Städte und Gemeinden geschickt werden, aus denen die Unterzeichner kommen. Dort werden sie geprüft, zurückgeschickt und müssen dann von den Parteien bei der Landesregierung eingereicht werden. Der Aufwand ist enorm, aber die Motivation bei den kleineren Parteien offenbar auch.