Urteil zu Hartz-IV-Leistungen Wie groß darf die Immobilie sein?
Ist selbst bewohntes Eigentum von Hartz-IV-Empfängern angemessen? Diese Bewertung darf von der Zahl der Bewohner abhängen. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Nur wer wirklich darauf angewiesen ist, soll staatliche Leistungen bekommen.
Es ist ein Fall, der theoretisch irgendwann jeden einmal treffen kann: Man hat sich eine Immobilie gekauft, wird arbeitslos und ist auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen. In diesem Fall stellt sich die Frage, ob man weiterhin in seiner Wohnung oder Haus bleiben darf. Oder ob man die Immobilie verkaufen muss, bevor man staatliche Leistungen bekommt.
Wenn die Wohnfläche angemessen, sprich nicht zu groß ist, muss sie nicht verkauft werden. Was angemessen ist und was nicht, hängt von der Zahl der Bewohner ab. Wohnen in einer Eigentumswohnung beispielsweise zwei Personen, liegt die Obergrenze bei 80 Quadratmetern. Bei einem Haus sind es bei zwei Personen maximal 90 Quadratmeter.
Obergrenzen sind verfassungskonform
Solche Obergrenzen sind verfassungskonform, hat nun das Bundesverfassungsgericht entschieden. Im konkreten Fall muss das Sozialgericht Aurich in Niedersachsen über den Fall einer Frau entscheiden, die mit ihrem Ehemann in einem selbst erbauten Haus lebte. Das Haus hat eine Wohnfläche von 143 Quadratmetern und gehört dem Ehemann. Das Paar lebte dort mit seinen sechs Kindern. Vor neun Jahren zog das letzte Kind aus. Als die Ehefrau Grundsicherung beantragte, lehnte das Jobcenter dies ab. Bevor sie staatliche Leistungen bekomme, müsse erst das Haus verkauft werden. Weil es zu groß sei, könne es von einem Verkauf nicht verschont bleiben.
Das Sozialgericht hielt die Entscheidung des Jobcenters für verfassungswidrig und legte den Fall dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vor. Das Sozialgericht verwies darauf, dass nach dem Grundgesetz Eltern gegenüber Kinderlosen nicht schlechter gestellt werden dürften. Die geltenden Vorschriften würden Familien aber diskriminieren. Eltern würden in ihrer aktuellen Lebenssituation nur deshalb schlechter behandelt, weil sie in einer früheren Lebensphase Kinder betreut hätten. Im konkreten Fall müsse der Staat auch berücksichtigen, dass die Größe des Hauses notwendig war, um genügend Platz für die Kinder zu haben.
Leistungen nur für Personen, die darauf angewiesen sind
Dieser Argumentation ist das Bundesverfassungsgericht nicht gefolgt. Die Frage, ob staatliche Leistungen gewährt werden oder nicht, richte sich immer nach dem aktuellen Bedarf. Dass das Ehepaar im Haus früher seine Kinder großgezogen habe, müsse nicht berücksichtigt werden. Bei Hartz-IV-Leistungen und bei der Grundsicherung gelte der Grundsatz, dass staatliche Leistungen nur nachrangig gewährt werden. Die Leistungen gebe es nur für Personen, die darauf angewiesen sind. Deshalb müsse Wohneigentum zunächst grundsätzlich verwertet, sprich zu Geld gemacht werden.
Mit dieser Entscheidung bleibt es also bei der vorherrschenden Praxis. Das bedeutet: Wenn eine Familie im eigenen Haus wohnt und die Kinder ausziehen, sinkt die Quadratmeterzahl, die bei Hartz-IV-Leistungen als angemessen gilt. Das kann dazu führen, dass vor dem Bezug von staatlichen Leistungen das Haus verkauft werden muss.
Aktenzeichen: 1 BvL/12/20