Breite Mehrheit im Bundestag Weg frei für Bundeswehr-Sondervermögen
Der Bundestag hat mit großer Mehrheit für die Einrichtung eines Bundeswehr-Sondervermögens und die dafür nötige Grundgesetzänderung gestimmt. Mit zusätzlichen 100 Milliarden Euro sollen Ausrüstungsdefizite bei der Truppe behoben werden.
Der Bundestag hat den Weg frei gemacht für die Einrichtung eines Sondervermögens für die Bundeswehr über 100 Milliarden Euro. Für das Vorhaben votierten 593 Abgeordnete, 80 stimmten mit Nein und sieben enthielten sich. Zuvor hatten die Abgeordneten bereits mit der nötigen Zweidrittelmehrheit für einen neuen Absatz 87a in der Verfassung gestimmt, mit dem das Sondervermögen rechtlich verankert werden kann. Auch dafür gab es eine breite Mehrheit: 567 Abgeordnete stimmten dafür - 491 Ja-Stimmen hätten bereits genügt. 96 Abgeordnete stimmten dagegen, 20 enthielten sich. Abgelehnt wurde die Grundgesetzänderung unter anderem von der Linksfraktion und der AfD.
Am kommenden Freitag will der Bundesrat über die Grundgesetzänderung abstimmen. Damit die Änderung in Kraft treten kann, ist auch dort eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig.
"Zur Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit kann der Bund ein Sondervermögen für die Bundeswehr mit eigener Kreditermächtigung in Höhe von einmalig bis zu 100 Milliarden Euro errichten. Auf die Kreditermächtigung sind Artikel 109 Absatz 3 und Artikel 115 Absatz 2 nicht anzuwenden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz."
Mit dem Sondervermögen soll in den nächsten Jahren eine bessere Ausrüstung für die Streitkräfte angeschafft werden. Es geht um Flugzeuge, Panzer und Munition, aber auch um persönliche Ausrüstung der Soldaten wie Nachtsicht- oder Funkgeräte. Einige Rüstungsprojekte wurden bereits angeschoben: Darunter ist der geplante Kauf von F-35-Tarnkappenflugzeugen und die Entscheidung für die Beschaffung von 60 schweren Transporthubschraubern des Modells CH-47F.
Ziel: Eine voll einsatzfähige Armee
Die Bundeswehr soll - als Reaktion auf die erschütterte europäische Friedensordnung durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine - eine vollständig einsatzfähige Armee werden. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte die massive Aufrüstung wenige Tage nach Russlands Einmarsch im Bundestag angekündigt. Die zusätzlichen Investitionen sollen auch dafür sorgen, dass Deutschland zumindest im Durchschnitt mehrerer Jahre das Zwei-Prozent-Ziel der NATO erfüllt, also mindestens zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung in die Verteidigung investiert.
Weil das Sondervermögen über Kredite finanziert werden und an der Schuldenbremse vorbei laufen soll, muss das Grundgesetz geändert werden. Dafür war die Koalition auch auf Stimmen der Opposition angewiesen. Es hatte deshalb Verhandlungen mit der Union gegeben, die eine Reihe von Bedingungen durchsetzte: Unter anderem wird ein neues Gremium geschaffen, das mit berät, welche Anschaffungen wann gemacht werden.
Politiker werben nochmals für Paket
Außenministerin Annalena Baerbock hatte im Parlament nochmals für den Sonderfonds geworben. "Wir haben uns diese Welt nicht ausgesucht, aber müssen uns dieser neuen Realität stellen", sagte Baerbock und verwies auf "Russlands brutalen Angriffskrieg" auf die Ukraine. Die Defizite bei der Bundeswehr seien keine Sekunde länger tragbar. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht sagte, dass mit der Mangelverwaltung Schluss sein müsse. Dafür werde der Grundstein gelegt.
Finanzminister Christian Lindner erklärte, dass die Verhandlungen mit der Union zum Sondervermögen in seinem Ministerium, dem ehemaligen Reichsluftfahrtministerium, geführt worden seien. In diesen Räumen sei vor Jahrzehnten der aggressive Militarismus Deutschlands vorangetrieben worden. "Damals wurde Deutschlands militärische Stärke in Europa gefürchtet. Heute wird in Europa gefürchtet, dass Deutschland militärische Defizite hat." Das habe man nun gemeinsam verändert.
Mathias Middelberg aus der Unionsfraktion bezeichnete den Kompromiss als "sehr gutes Ergebnis" für Deutschland, Europa und für die Bundeswehr. Der AfD-Abgeordnete Peter Boehringer kritisierte hingegen den parlamentarischen "Schweinsgalopp", mit dem die Änderung des Grundgesetzes durch den Bundestag gebracht worden sei. Die Verfassung werde für einen Nebenhaushalt missbraucht, sagte er. Es sei keine Grundgesetzänderung nötig, um der Bundeswehr Geld zu geben.
Moskau: Deutschland auf Weg zur "Wiederbewaffnung"
Auch aus Moskau gab es eine Reaktion: Man werte die Pläne für das Sondervermögen "als eine weitere Bestätigung, dass Berlin auf dem Weg zu einer erneuten Wiederbewaffnung ist", sagte Außenamtssprecherin Maria Sacharowa. "Wir wissen nur zu gut, wie das enden kann." Die Äußerungen lassen sich als Anspielung auf das Wiederaufrüstungsprogramm Nazi-Deutschlands in den 1930er-Jahren deuten.