Evakuierung aus dem Sudan Ein Rennen gegen die Zeit
Die Bundesregierung will die Feuerpause im Sudan möglichst lange nutzen: Ein vierter Flug brachte am Abend weitere Menschen in Sicherheit. Danach seien weitere Evakuierungen ungewiss, so Außenministerin Baerbock.
Die Bundeswehr hat bislang mehr als 400 Menschen aus dem Sudan in Sicherheit gebracht, darunter überwiegend deutsche Staatsbürger sowie Menschen aus rund 20 weiteren Nationen. Ein vierter Flug der Luftwaffe ist nach Angaben der Bundeswehr am Montagabend in Jordanien gelandet.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius und Außenministerin Annalena Baerbock hatten sich zuvor bereits erleichtert über den Verlauf der Mission geäußert. Es sei aber noch nicht der "Moment des Aufatmens", sagte Baerbock. Es befänden sich noch mehr Deutsche vor Ort, sagte Baerbock. Man arbeite mit Hochdruck daran, sie zu erreichen.
Baerbock: Weitere Evakuierungen nach Feuerpause ungewiss
Gleichzeitig gehe am Abend die dreitägige Feuerpause zu Ende, die die Rettungseinsätze ermöglicht habe. Dann sei man in einer anderen Lage, sagte Baerbock und ergänzte: "Ob die Sicherheitslage in den nächsten Tagen weitere Evakuierungen erlauben wird, ist mehr als ungewiss."
Es würden alle Optionen weiter geprüft, Deutsche aus dem Land zu holen, auch Ausreisen über internationale Partner, den Land- oder Seeweg, sagte sie. Der Schutz deutscher Staatsbürger im Sudan stehe im Vordergrund, so Pistorius. "Demzufolge wird die Operation auch noch fortgesetzt, bis auf Weiteres in enger Abstimmung mit dem Sudan und unseren Partnern", sagte er.
Nicht beziffert werden könne, wie viele dies seien, "da wir auch einige nicht telefonisch erreichen im Moment", sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. "Wir wissen auch, dass einige Deutsche auf anderen Wegen Khartum schon verlassen konnten. Es gibt eine zweistellige Zahl, die auf einem Konvoi der Vereinten Nationen Richtung Port Sudan unterwegs ist." Außerdem wurden ein Deutscher von US-Soldaten und neun Deutsche von Franzosen in Sicherheit gebracht. Unklar blieb, ob noch Deutsche in der sudanesischen Hauptstadt festsitzen oder nicht selbstständig zu dem Sammelpunkt gelangen können.
Wird Khartum noch mehr zum Schlachtfeld?
Auch die Leiterin der Friedrich-Ebert-Stiftung in Khartum, Christine Röhrs, wurde aus dem Sudan in Sicherheit gebracht. Im Interview mit den ARD-tagesthemen berichtet sie von der Sorge, "dass wenn die Internationalen weg sind, auch ein Korrektiv fehlt. Dass die Generäle, die sich jetzt unbeobachtet fühlen, die Stadt noch mehr zum Schlachtfeld machen".
Chancen auf Verhandlungen würden sicher steigen, sobald sich herausstellen würde, dass der eine dem anderen klar über- ober unterlegen ist, schätzt Röhrs die Situation ein. Bislang sei das aber nicht zu sehen. "Solange beide immer noch eine Chance sehen, den Erzfeind auszulöschen, kann es eher noch eskalieren."
Am ehesten dürften regionale Mächte als Anrainer eine Chance haben, Einfluss zu nehmen. "Viele haben ein großes Interesse daran, dass der Konflikt nicht noch überläuft in die Nachbarländer", so Röhrs. Eine Lösung sei ihrer Meinung nach, dass eines dieser Länder die Initiative ergreift und die beiden Kontrahenten auf neutralem Boden zusammenbringt.
US-Außenminister: 72-stündige Waffenruhe vereinbart
Baerbock und Pistorius appellierten an die beiden Konfliktparteien, die auslaufende Feuerpause zu verlängern. "Wenn ihnen etwas an ihrem Land liegt, dann legen Sie die Waffen nieder. Die Welt schaut auf Sie", sagte Baerbock. Sie sprach von einem Alptraum, der über den Sudan hereingebrochen sei. "Auch viele unserer Landsleute saßen tagelang unter Lebensgefahr fest, ohne Strom, zunehmend ohne Wasser und Vorräte. Es gab Plünderungen und entsetzliche Szenen auf den Straßen von Khartum", sagte sie. Und man müsse davon ausgehen, dass man sich nach dem Ende der Feuerpause am Abend "in einer anderen Lage befinden werde".
US-Außenminister Antony Blinken teilte in einer schriftlichen Stellungnahme mit, nach intensiven Verhandlungen hätten sich die sudanesischen Streitkräfte und die mit ihnen rivalisierenden paramilitärischen Einheiten (Rapid Support Forces) darauf geeinigt, ab Mitternacht für 72 Stunden eine landesweite Waffenruhe einzuhalten. Die US-Regierung fordere beide Seiten nachdrücklich auf, sich vollständig an diese Absprache zu halten. Bereits zuvor hatte es von den Konfliktparteien ähnliche Ankündigungen gegeben, die Waffenruhe wurde jedoch nicht eingehalten.
Blinken erklärte weiter, um auf ein dauerhaftes Ende der Kämpfe hinzuarbeiten, wollten sich die USA mit regionalen und internationalen Partnern und sudanesischen Akteuren abstimmen. Es solle ein Ausschuss eingerichtet werden, der Verhandlungen über ein Ende der Kämpfe, deren Abschluss und Umsetzung überwachen solle.
"Wirklich großartiger Erfolg in der Kürze der Zeit"
Pistorius sprach von einem "wirklich großartigen Erfolg in der Kürze der Zeit". Er sehe sich in seinem "großen Vertrauen in die Truppe" bestätigt. Pistorius betonte, die Bundeswehr habe auf "beispielhafte Art und Weise gezeigt, wie kaltstartfähig sie ist, wie schnell sie sich auf eine solche Situation einstellen kann". Der "außerordentlich komplexe" Einsatz sei "ohne jede Panne, ohne jedes Problem" verlaufen, "niemand ist bisher von unseren Leuten zu Schaden gekommen". Zu dem Einsatz gehören auch das Kommando Spezialkräfte und die GSG9 mit ihren Fähigkeiten. Die Bundeswehr nutzte zum Transport ihren Stützpunkt in Jordanien, der sonst dem Kampf gegen die Terrormiliz IS dient.
Nach einer Eskalation der Gewalt im Sudan hatten Deutschland und andere Staaten in den vergangenen Tagen Evakuierungsmissionen gestartet. Nach Angaben des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell wurden bis Montagmorgen mehr als 1000 Menschen aus EU-Staaten außer Landes gebracht.