Debatte über Corona-Lockerungen "Nur noch schwer verständlich"
In der Corona-Krise wollen Bund und Länder morgen beraten - doch schon jetzt preschen mehrere Länder mit eigenen Plänen vor. Während das für Kritik sorgt, zeigt sich Kanzlerin Merkel offen für weitere Lockerungen.
Vor den Beratungen von Bund und Ländern ist die Debatte über das weitere Vorgehen in der Corona-Krise neu entbrannt. Erneut kündigten mehrere Bundesländer Lockerungen an, die teils über die bisherigen Vereinbarungen hinausgehen. So erklärten etwa Mecklenburg-Vorpommern und Bayern, Gaststätten und Hotels schrittweise im Laufe des Monats öffnen zu wollen. Auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther kündigte Lockerungen in Gastronomie und Tourismus ab Mitte Mai an.
Kritik von mehreren Fraktionschefs
Im Bundestag stößt das uneinheitliche Vorgehen auf Unverständnis. Die Fraktionschefs mehrerer Parteien kritisierten die länderspezifischen Regelungen scharf. Es sei für die "Bevölkerung in diesem Land mittlerweile nur noch schwer verständlich, dass wir da so eine große Unterschiedlichkeit drinhaben", sagte Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus vor einer Sitzung seiner Fraktion in Berlin. Er appellierte an alle Ministerpräsidenten, eine einheitliche Linie zu fahren. "Ich stelle mir mittlerweile die Frage, was ist die Rolle von Ministerpräsidentenkonferenzen, wenn dann doch irgendwo alles vorher oder nachher oder anders oder schneller oder langsamer entschieden wird", so der CDU-Politiker.
Auch SPD-Fraktionschef Mützenich verlangte ein abgestimmtes Vorgehen: Aus seiner Sicht wäre es "gut, wenn es da morgen zu weiteren Absprachen kommt", sagte er. Ein einheitlicheres Vorgehen sei "dringend notwendig, weil die Bevölkerung auch klare Ansagen braucht".
Ähnlich äußerte sich Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt, die gemeinsame Kriterien forderte. Sie habe nichts gegen regionale Lösungen, wo es regionale Unterschiede gebe - doch müsse dies auch nachvollziehbar sein. "Es kann nicht sein, das einer nach dem anderen teilweise Stunden oder wenige Tage, nachdem man sich eigentlich auf etwas Gemeinsames verabredet hat, wieder ausschert." Auch dürfe für Entscheidungen nicht ausschlaggebend sein, "wer am lautesten ruft oder wer die beste Lobby hat".
Merkel offenbar offen für Lockerungen
Unterdessen zeigt sich Kanzlerin Angela Merkel offen für weiteren Lockerungen. Der dpa zufolge signalisierte sie bei einer Sitzung der Unionsfraktion auch Bereitschaft dazu, gegebenenfalls lokal auf das Infektionsgeschehen zu reagieren. Der Kampf gegen die Corona-Pandemie habe sich in den vergangenen Tagen sehr gut entwickelt, sagte sie demnach Teilnehmern zufolge - deshalb könne man nun über weitere Lockerungen sprechen. Wenn sich in einer Region ein Infektionsgeschehen zeige, seien dort lokal Maßnahmen zu ergreifen, damit nicht wieder das ganze Bundesgebiet in Mitleidenschaft gezogen werde.
Das sei auch vor dem Hintergrund wichtig, dass demnächst Lockerungen bei den Hotels und Gaststätten anstünden. Denn dann komme es wieder zu Reisen in Deutschland und die Gefahr von neuen Infektionengeschehen nehme zu. Möglicherweise könnte es hier am 18. Mai wieder losgehen. Der Termin taucht in einer Beschlussvorlage für eine Konferenz der Bundesländer auf. Das sagte die Vorsitzende der Wirtschaftsministerkonferenz, Bremens Senatorin Kristina Vogt (Linke). Sie sei zuversichtlich, dass der Vorschlag angenommen werde. An der Konferenz nimmt auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) teil.
Merkel betonte, dass die Kontaktverfolgung weiterhin funktionieren müsse und ausreichend Intensivbetten zur Verfügung stünden. Es gebe verständlicherweise eine sehr große Ungeduld bei den Lockerungen. Besonders sensibel sei das bei den Schulöffnungen, in der Gastronomie und bei den Hotels. Man sei weiterhin in einer fragilen Situation.
Obergrenze bei Neuinfektionen entscheidend?
Die "Bild" hatte zuvor berichtet, dass Merkel auf eine klare Obergrenze von Neuinfektionen poche. Ein Plan des Kanzleramtes sieht demnach vor, dass ein Landkreis zu den harten Beschränkungen zurückkehren muss, wenn innerhalb von sieben Tagen mehr als 50 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner zu verzeichnen sind - außer diese Neuinfektionen treten alle an einem Ort, etwa in einem Altenheim auf.
Im Fokus der morgigen Beratungen sollen Kitas, Schulen und der Sport stehen.