Kanzleramt in Berlin
FAQ

GroKo plant Milliardenhilfen Was steckt im Corona-Notpaket?

Stand: 25.03.2020 06:31 Uhr

Milliardenhilfen für Unternehmen, Solo-Selbstständige, Mieter, Familien - mit einzigartiger Geschwindigkeit hat die Bundesregierung ein Paket gegen Corona-Folgen geschnürt. Was genau drin steckt - ein Überblick.

Warum greift die Regierung zu massiven Schritten?

Der Kampf gegen das Coronavirus hat das öffentliche Leben lahm gelegt. Geschäfte geschlossen, Straßen leer gefegt, Schulen und Kitas zu, Beschäftigte im Zwangsurlaub, Lieferketten unterbrochen, Absatzmärkte abgeschottet und Kliniken im Ausnahmezustand: Das kann nicht lange gut gehen.

Was ist für kleine Firmen geplant?

Direkte Finanzspritzen: Ganz kleine Firmen und Selbstständige, Musiker, Fotografen, Heilpraktiker oder Pfleger, die gerade kaum Kredite bekommen, können für drei Monate 9000 bis 15.000 Euro erhalten. Das soll unbürokratisch funktionieren - sie müssen nur versichern, dass sie durch die Corona-Krise einen Liquiditätsengpass haben. Insgesamt stellt die Regierung bis zu 50 Milliarden Euro bereit.

Was sollen mittelgroße und große Unternehmen bekommen?

Die Regierung plant einen Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF), in den mehrere 100 Milliarden Euro fließen. Dazu gehören Staatsgarantien für Verbindlichkeiten von bis zu 400 Milliarden Euro. Zudem soll ein unbegrenztes Kreditprogramm über die staatliche Förderbank KfW bereitstehen. Große Unternehmen wie etwa die Lufthansa sollen notfalls auch durch Verstaatlichungen gerettet werden. Die Bundesregierung will ihnen milliardenschwere Garantien geben und Schuldtitel übernehmen. Wenn die Krise vorbei ist, sollen sie wieder privatisiert werden. Die Firmen in Deutschland können zudem ihre Steuern später begleichen.

Wie teuer sind diese Rettungsmaßnahmen?

Die Bundesregierung muss in diesem Jahr wohl so viele Schulden aufnehmen wie nie. Das Finanzministerium rechnet mit Kosten für die Hilfsprogramme von 122,8 Milliarden Euro allein 2020. Zugleich kommen wohl 33,5 Milliarden Euro weniger Steuern rein. Deshalb plant Minister Olaf Scholz (SPD) eine Neuverschuldung von 156,3 Milliarden Euro. Das sind ungefähr 100 Milliarden mehr als die Schuldenbremse im Grundgesetz erlaubt. Diese soll deshalb erstmal außer Kraft gesetzt werden. Das geht über eine Notfallregel.

Wird das Geld den Unternehmen reichen?

Noch kann man das nicht absehen - niemand weiß, wie lange das öffentliche Leben gelähmt ist. Die 156 Milliarden sind laut Scholz zunächst eine vorsorgliche Summe. Viele Ökonomen und die Bundesregierung rechnen damit, dass Deutschland in eine tiefe Rezession rutscht. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag warnt vor einer "Pleitewelle unvorstellbaren Ausmaßes".

Was soll für Mieter gelten, denen das Geld ausgeht?

Kündigung sollen verboten werden, wenn Einkommensausfälle dazu führen, dass man die Miete nicht zahlen kann. Gelten soll dies zunächst für Mietschulden aus dem Zeitraum vom 1. April bis 30. Juni 2020. Kompliziert nachweisen sollen Betroffene das nicht müssen: "Der Zusammenhang zwischen Covid-19-Pandemie und Nichtleistung wird vermutet", heißt es im entsprechenden Entwurf. Die Verpflichtung der Mieter zur Zahlung der Miete soll aber im Grundsatz bestehen bleiben.

Was soll gegen Massenarbeitslosigkeit helfen?

Das bewährte Mittel aus der Finanzkrise 2008/2009: Kurzarbeit. Wenn es nichts mehr zu arbeiten gibt, kann ein Unternehmen die Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken - die Bundesagentur für Arbeit übernimmt 60 Prozent des Lohns, bei Beschäftigten mit Kindern 67 Prozent. Die Unternehmen bekommen Sozialbeiträge erstattet. Kurzarbeitergeld kann fließen, wenn mindestens zehn Prozent der Beschäftigten vom Arbeitsausfall betroffen sind - bisher war ein Drittel nötig. Auch Zeitarbeitsunternehmen können die Leistung anzeigen.

Wie viele Menschen werden in Kurzarbeit gehen?

Die Regierung erwartet 2,15 Millionen Fälle von konjunkturellem Kurzarbeitergeld - Kostenpunkt: 10,05 Milliarden Euro. In der Metall- und Elektroindustrie und in der Systemgastronomie stocken die Unternehmen das Kurzarbeitergeld auf - die Gewerkschaften fordern, dass dies generell geschieht.

Was soll im sozialen Bereich und für Familien geschehen?

Bei Anträgen auf Hartz IV sollen die Vermögensprüfung und die Prüfung der Höhe der Wohnungsmiete für ein halbes Jahr ausgesetzt werden. Bis zu 1,2 Millionen zusätzlichen Bezieher der Grundsicherung soll es laut Regierung geben - und dadurch zehn Milliarden Euro Mehrkosten. Für die Familien mit Einkommenseinbrüchen soll ein leichterer Zugang zum Kinderzuschlag geschaffen werden: Geprüft werden soll nicht mehr das Einkommen aus den vergangenen sechs Monaten, sondern nur das vom vergangenen Monat. Eltern, denen das Einkommen weggebrochen ist, weil sie ihre Kinder betreuen müssen, sollen Hilfen bekommen.

Was will die Regierung noch tun?

Es gibt noch eine ganze Reihe weiterer geplanter Schritte, etwa: eine große Finanzspritze für die Krankenhäuser von mehr als drei Milliarden Euro, mehr Kompetenzen für den Bund beim Seuchenschutz, Lockerungen beim Insolvenzrecht, die Möglichkeit zu Haupt- und Vereinsversammlungen online sowie Lockerungen beim Arbeitszeitgesetz für besonders wichtige Branchen.

Was passiert jetzt nach dem Kabinettsbeschluss?

Das Bundeskabinett hat das Paket im Rekordtempo geschnürt - in dieser Geschwindigkeit soll es weitergehen. Am Mittwoch will der Bundestag über die Maßnahmen beraten und sie verabschieden. Und schon am Freitag soll der Bundesrat die Gesetze abschließend absegnen.

Wie halten die Parlamentarier Abstandsregeln ein?

Zur Verabschiedung des Paketes braucht es die so genannte Kanzlermehrheit: Mindestens 355 der 709 Abgeordneten müssen persönlich anwesend sein und zustimmen. Abstandsregeln sollen dabei gewahrt werden. Für die Bundesratssitzung ist angedacht, nur in kleiner Runde zusammenzukommen - mit einem Kabinettsmitglied pro Land.

Gibt es Kritik an den Plänen?

Reichlich. Zwar wird es einhellig als nötig begrüßt, dass die Regierung rasch und massiv handelt. Doch zu den Hauptkritikpunkten zählt: Die Milliarden fürs Gesundheitswesen reichten nicht - und das Kurzarbeitergeld sei für Menschen mit geringem Einkommen zu wenig. Viele soziale und kulturelle Einrichtungen fürchten zudem bundesweit das Aus. Große Sorgen machen sich Experten um Menschen mit Behinderung, Obdachlose, Arme oder auch Prostituierte.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 23. März 2020 um 16:00 Uhr.