Mittel gegen Pandemie Wer findet den Corona-Impfstoff?
Weltweit forschen Unternehmen an einem Impfstoff gegen das Coronavirus. Auch deutsche Firmen hoffen auf einen Durchbruch. Wegen der Dringlichkeit darf das lange Verfahren verkürzt werden.
Noch klingt es wie ein Traum: Ein Pieks vom Hausarzt und gebannt ist die Corona-Gefahr. Das Virus, das die ganze Welt in Atem hält, soll schon bald durch einen Impfstoff gezähmt werden.
Hunderte von Unternehmen weltweit forschen daran. Richten soll es vor allem die Biotechnologie wie etwa das Tübinger Unternehmen CureVac. Erkenntnisse aus der Krebstherapie sollen zu einem Impfstoff führen, durch gentechnische Verfahren. "Wir arbeiten nicht mit dem Virus selbst, sondern nur mit der Information, wie das Virus aussieht," sagte Florian von der Mülbe, Mitgründer und Produktionschef von CureVac. "Das wird ähnlich wie ein USB-Stick dem Körper übergeben, der liest diese Information ab und macht daraus eine Immunantwort."
Das Prinzip klingt verlockend einfach: Aus der Erbinformation wird ein Schlüssel geformt, die sogenannte mRNA. Aus dieser entsteht ein Protein, das dem menschlichen Körper hilft, sich selbstständig gegen das Coronavirus zu wehren.
Viele Schritte, genaue Prüfung
So vielversprechend solche Ansätze wirken: Die Zulassung wird akribisch geprüft. Beim zuständigen Paul-Ehrlich-Institut wurde gerade die erste klinische Prüfung für eine ähnliche Technik der Mainzer Firma BioNTech auf den Weg gebracht.
Bis zum Impfstoff scheint es jedoch noch weit. Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, beschreibt die Herausforderung so: "Wir haben bei den genehmigten klinischen Prüfungen Hunderte von Probanden, die angesprochen werden müssen, gefunden werden müssen, aufgeklärt werden müssen. Dann geht es natürlich darum, dass auch Untersuchungen vor der Erstanwendung am Menschen durchgeführt werden müssen. Erst dann folgen die entsprechenden klinischen Prüfungen." Es dauere bis eine Immunreaktion aufgebaut werde und tatsächlich im Labor untersucht werden könne, machte Cichutek abschließend deutlich.
Bis zu 17 Jahre Entwicklungszeit
Dieser Prozess dauert in der Regel viele Jahre. Für Forschung, vorklinische Untersuchungen in Tierversuchen sowie die drei Phasen der klinischen Tests an Menschen werden in der Impfstoffentwicklung acht bis 17 Jahre gerechnet.
BioNTech darf klinische Tests durchführen.
Im Fall des Coronavirus wurde der Ablauf schon deutlich beschleunigt, weil unter anderem auf bereits laufende Forschung aufgebaut werden kann. Der Corona-gestressten Bevölkerung wird ein Impfstoff schon im kommenden Jahr versprochen - vorausgesetzt die klinischen Studien verlaufen glatt. Derzeit ist dies noch mehr Wunsch als Wirklichkeit.
Was macht Trump?
Derweil herrscht auch Sorge über einen Verteilungskampf um Impfstoffe, sobald es diese gibt. US-Präsident Donald Trump empfing den Chef von CureVac kürzlich prompt im Weißen Haus.
Verkaufsgerüchte des Impf-Wissens an die USA, versuchen die deutschen Investoren zu zerstreuen, prangern aber zugleich mangelndes Bewusstsein in Deutschland für neue Technologien an. "Das haben die Amerikaner erkannt, dass das die Medizin revolutionieren kann", betonte Friedrich von Bohlen, Geschäftsführer von Dievini Hopp BioTech. "Intellektuell haben wir das in Deutschland zwar auch erkannt, aber wir haben es nicht diskutiert im Sinne von: Wie wichtig ist denn das für uns als Standort, das hier zu haben und zu schützen."
"Instinkt für Innovationen verloren"
CureVac ist vor rund zwanzig Jahren aus der Idee für eine Doktorarbeit eines Studenten entstanden. Die Firma entwickelte sich, weil SAP-Gründer Dietmar Hopp als Geldgeber einstieg, ursprünglich, um neue Ansätze in der Krebstherapie zu unterstützen. Dass heute dieselbe Molekularbiologie zum Corona-Impfstoff führen könnte, wirkt wie ein Zufall.
Branchenvertreter sehen den Grund darin, dass Deutschland neue Ideen nach wie vor zu wenig fördere. "Wir haben in Deutschland, diesen Instinkt für Innovationen und Hochinnovationen verloren", kritisiert Investoren-Vertreter von Bohlen. "Den Instinkt hatten wir vor 200 Jahren, vor 100 Jahren. Und weil wir den verloren haben, haben wir zwar nichts dagegen, wenn solche Unternehmen hier sind, aber wir erkennen deren Potenzial nicht."
Wohl nicht nur für die Ehre
Eine Kritik auch an deutscher beziehungsweise europäischer Standortpolitik. Wobei nationale Interessen oder gar Protektionismus im Fall von Corona keine Option seien, betonen Industrie und Zulassungsbehörden. Ein Impfstoff müsse schnell für alle Welt verfügbar sein; auch Profitinteressen müssten zurückstehen. "Wir gehen auch davon aus, dass die Impfstoffprodukte, die entwickelt werden und die dann zur Versorgung bereit stehen, zu einem akzeptablen Preis angeboten werden", betont Paul-Ehrlich-Institutsleiter Cichutek.
Von Forschungsunternehmen in Deutschland kommt kein Widerspruch. Die Zusammenarbeit in Forschungsverbünden laufe international vorbildlich. Ob allein die Ehre, den Impfstoff entwickelt zu haben, am Ende als Lohn ausreicht, darf dennoch bezweifelt werden.