Nach Glyphosat-Eklat Wird Schmidts "Ja" für die Union teuer?
Das politische Glyphosat-Beben wirkt weiter nach: Auch am zweiten Tag nach dem überraschenden Ja in Brüssel ist die Bundespolitik damit beschäftigt. Während die SPD Aufklärung und Konsequenzen fordert, gibt sich der umstrittene Minister kooperativ.
Nach der umstrittenen Glyphosat-Entscheidung des CSU-geführten Landwirtschaftsministeriums macht die SPD weiter Druck auf den aktuellen und möglicherweise bald erneuten Koalitionspartner. Sie will Aufklärung.
Deutschland hatte gestern auf Veranlassung von Minister Christian Schmidt einer Verlängerung der Zulassung des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat zugestimmt - obwohl Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) dem widersprochen hatte.
Kommt ein Untersuchungsausschuss?
Der sozialdemokratische Bundestagsabgeordnete Matthias Miersch brachte einen Untersuchungsausschuss ins Gespräch. Nach dem "ungeheuerlichen Vorgang" könne man nicht zur Tagesordnung übergehen, sagte der Sprecher der Parlamentarischen Linken im ARD-Morgenmagazin. Vieles sei zu klären, etwa ob Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vorab von Schmidts Alleingang gewusst habe und ob das Vorgehen bereits monatelang vorher geplant worden sei.
"Und gegebenenfalls, wenn diese Informationen nicht kommen, muss man auch überlegen, ob man schärfere Schwerter zieht", fügte der SPD-Linke hinzu. In diesem Fall könnte ein Untersuchungsausschuss "natürlich auch ein Mittel" sein.
"Für die Union wird es jetzt teuer"
Sein Fraktionskollege Johannes Kahrs kündigte Konsequenzen für eine mögliche Regierungsbildung an. "Für die Union wird es jetzt richtig teuer", sagte der Sprecher des Seeheimer Kreises den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Er bezog sich damit auf mögliche Gespräche zur Bildung einer neuen Großen Koalition. Merkel solle als Zeichen des guten Willens den Weg für das von der Union blockierte gesetzliche Rückkehrrecht von Teil- auf Vollzeit freizumachen: "Das rettet die Sache nicht, aber das Klima", sagte er der dpa. "So ein Zeichen noch vor dem SPD-Parteitag in der kommenden Woche würde uns allen helfen."
Kahrs zeigte sich empört, dass das Ministerium gegen die Geschäftsordnung der Koalition verstoßen habe. "Entweder Frau Merkel hat von der Entscheidung gewusst, dann hat sie Vertrauen zerstört", sagte er. "Oder aber sie hat es nicht gewusst, dann hat sie ihren Laden nicht im Griff."
Altmaier: Schmidt auf Regeln hingewiesen
Kanzleramtschef Peter Altmaier hatte Schmidt kurz vor der Abstimmung über das Unkrautgift Glyphosat auf die Regeln der Bundesregierung hingewiesen. Altmaier habe in einem Telefonat deutlich gemacht, dass eine Zustimmung zuvor mit Umweltministerin Barbara Hendricks abgestimmt werden müsste. Das teilte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer in Berlin mit. Ein Sprecher von Hendricks bekräftigte, die Ministerin habe eindeutig ihr Nein erklärt. Schmidt ließ dann in Brüssel dennoch zustimmen.
Schmidt will auf Hendricks zugehen
Schmidt selbst gab sich kompromissbereit. Er werde den Kontakt mit Hendricks suchen und Schritte zur Glyphosat-Reduzierung abstimmen, sagte er der "Bild"-Zeitung: "Ich werde bei den Fragen der nationalen Umsetzung auf meine Kollegin Hendricks zugehen, und wir werden gemeinsam an einer Lösung arbeiten, um den Einsatz von Glyphosat künftig restriktiver zu gestalten."
Negative Auswirkungen auf die mögliche Bildung einer erneuten Großen Koalition sieht der Agrarminister nach eigenen Worten nicht: "Ich gehe davon aus, dass eine mögliche künftige Regierung der Bundesrepublik Deutschland nicht an der Frage Zustimmung oder Enthaltung zu Glyphosat scheitert, zumal wir durch die Zustimmung in der Sache mehr erreicht haben, als mit einer Enthaltung."
Einen Rücktritt lehnt Schmidt laut "Bild" ab. Merkel hatte sein Vorgehen gestern gerügt.