Doppelte Staatsbürgerschaft Türkische Gemeinde rechnet mit 50.000 Anträgen pro Jahr
Morgen tritt das neue Staatsbürgerschaftsrecht in Kraft, das doppelte Staatsbürgerschaften ermöglicht. Die Türkische Gemeinde rechnet mit einem starken Anstieg der Anträge. Kritik an den neuen Regeln kommt von der Kurdischen Gemeinde.
Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, rechnet nach dem Inkrafttreten des neuen Staatsbürgerschaftsrechts mit einem starken Anstieg der Einbürgerungsanträge. "Die Leute haben inzwischen verinnerlicht, dass es eine doppelte Staatsbürgerschaft geben wird", sagte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. "Und viele stellen jetzt so schnell wie möglich einen Antrag."
Er rechne "mit 50.000 Anträgen pro Jahr", fuhr Sofuoglu fort. "Das scheint mir realistisch." Die Bearbeitung werde jedoch dauern. In vielen Städten sei es schwierig, überhaupt einen Termin dafür zu bekommen.
Viele Antragsteller hätten im Hinterkopf, nach erfolgter Einbürgerung bereits im kommenden Jahr an der Bundestagswahl teilnehmen zu können, sagte Sofuoglu. "Ich appelliere daher an die Parteien, sich klarzumachen, dass die Antragsteller potenzielle Wählerinnen und Wähler sind", sagte er. "Wenn man die gewinnen will, dann muss man eine entsprechende Politik machen. Dazu gehört, in den Parteien mehr Partizipationsmöglichkeiten zu schaffen - und Rassismus ernsthaft zu bekämpfen."
Nach dem neuen Staatsbürgerschaftsrecht, das am 27. Juni in Kraft tritt, können Zuwanderer schneller die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten. Einbürgerungen sind damit schon nach fünf statt bisher acht Jahren möglich, bei "besonderen Integrationsleistungen" sogar nach drei Jahren. Mehrstaatigkeit wird generell zugelassen.
Kritik von der Kurdischen Gemeinde
Der Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde in Deutschland, Ali Ertan Toprak, kritisierte das neue Staatsangehörigkeitsgesetz. "Ich halte das Gesetz in dieser Form für falsch", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Denn ich möchte nicht, dass Antisemiten, türkische Nationalisten und Islamisten den deutschen Pass bekommen. Wir haben schon genug Nazis in diesem Land."
Toprak erklärte, dass er "ab der dritten Gastarbeitergeneration einen Schnitt gemacht" hätte. Schließlich sollten sich die in Deutschland geborenen Kinder mit diesem Land identifizieren. "So, wie das Gesetz jetzt ist, gibt es aber irgendwann nur noch doppelte Staatsbürger", so Toprak.
Viele Anfragen bei Behörden
Bei den Einbürgerungsbehörden gibt es zu den Neuregelungen seit Wochen viele Anfragen. Das zeigt eine Umfrage der Nachrichtenagentur dpa bei Landesregierungen und Stadtverwaltungen.
"Wir erwarten in 2024 erneut erheblich steigende Zahlen bei den Einbürgerungsanträgen und den Einbürgerungen", sagt Annette Kindel, Leiterin des Hamburger Amts für Migration. In der Hansestadt waren im vergangenen Jahr 7.537 Menschen Deutsche geworden. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres gab es in Hamburg 3.128 Einbürgerungen.
Das Bremer Migrationsamt erreicht nach Angaben einer Sprecherin des Innensenators eine Vielzahl von Nachfragen zu den neuen Regelungen, vor allem zur Frage der Mehrstaatigkeit. Deshalb geht man auch dort von einer deutlichen Zunahme der Anträge im zweiten Halbjahr aus.
Personal aufstocken, Prozesse digitalisieren
In Bayern wurden 2023 mehr als 36.000 Menschen eingebürgert, nach rund 28.000 Einbürgerungen im Jahr zuvor. In den ersten vier Monaten dieses Jahres gab es im Freistaat rund 14.500 Einbürgerungen. Eine Ursache für die gestiegene Nachfrage sei insbesondere die hohe Zahl von Flüchtlingen seit 2015, sagte eine Sprecherin des bayerischen Innenministeriums. Da aufgrund der neuen Rechtslage ein weiter Anstieg zu erwarten sei, seien die Mitarbeiter der Einbürgerungsbehörden angehalten, alle Möglichkeiten zur Verfahrensvereinfachung zu nutzen.
"Aufgrund der steigenden Einbürgerungszahlen wurde das Personal in den letzten Jahren erheblich aufgestockt", berichtet eine Sprecherin der Stadt Magdeburg. Aktuell wird in der Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts daran gearbeitet, Prozesse zu digitalisieren, um damit das vorhandene Personal zu entlasten.