ELENA gestoppt Was bedeutet das Aus?
Für das elektronische Lohnmeldeverfahren ELENA haben Arbeitgeber eigenen Angaben zufolge Millionen investiert. Wer kommt jetzt nach dem Stopp dafür auf? Müssen Arbeitnehmer auch in Zukunft jeder Behörde eine neue Bescheinigung über ihr Einkommen vorlegen? tagesschau.de beantwortet die wichtigsten Fragen.
Was wollte die Bundesregierung mit der Einführung von ELENA erreichen?
ELENA sollte entbürokratisieren. Immerhin liefern 3,2 Millionen Arbeitgeber jedes Jahr etwa 60 Millionen Bescheinigungen über die Höhe des Einkommens und die Art der Beschäftigung ihrer Mitarbeiter. ELENA sollte die Papier-Bescheinigungen überflüssig machen, die nötig sind, um zum Beispiel Arbeitslosengeld oder Wohngeld zu beantragen. Das Verfahren beruht auf einem Vorschlag der Kommission "Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" und ihrem Vorsitzenden Peter Hartz von 2002. Aus demselben Jahr stammen die Schätzungen über Einsparungen. So ging die Kommission davon aus, dass Arbeitgeber etwa 100.000 Arbeitstage mit einem Kostenvolumen von 500 Millionen Euro hätten anderweitig verplanen können. Die Arbeitnehmer sollten von einer schnelleren Bearbeitung ihrer jeweiligen Anträge profitieren.
Wie sollte ELENA funktionieren?
ELENA liegt folgende Idee zugrunde: Die Arbeitgeber melden die so genannten Entgeltdaten ihrer Beschäftigten an eine zentrale Stelle. Die Sammelstelle ist bei der Deutschen Rentenversicherung angesiedelt. Hier hat dann die Agentur für Arbeit auf den Entgeltnachweis Zugriff, um einen Antrag auf Arbeitslosengeld zu überprüfen. Mit einer ELENA-Karte weist sich der Antragsteller gegenüber der Behörde aus. Die Sammelstelle überprüft, ob die elektronische Signatur des Antragstellers und die Signatur der nachfragenden Behörde registriert sind. Dann werden die Daten an die Behörde übermittelt.
Warum wurde das Verfahren jetzt gestoppt?
Die Bundesregierung, namentlich das Bundesministerium für Wirtschaft und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, gehen davon aus, dass der notwendige Sicherheitsstandard in absehbarer Zeit nicht flächendeckend erreicht werden kann. Das größte Problem bereitet offenbar die qualifizierte elektronische Signatur, die nach dem deutschen Signaturgesetz strenge Vorgaben erfüllen muss. So muss unter anderem für jede qualifizierte elektronische Signatur bei der Bundesnetzagentur ein Sicherheitskonzept hinterlegt werden. Außerdem müssen Sicherheitsdienstleister überprüft und zertifiziert werden. Die Verfahren laufen aber nur sehr schleppend. Probleme mit der qualifizierten elektronischen Signatur verzögern auch die Einführung des Online-Briefes de-mail und die der elektronischen Gesundheitskarte.
Darüber hinaus hatten Datenschützer von Anfang an Bedenken. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, bemängelte, dass mit ELENA ein "umfassendes zentrales Register mit Einkommensdaten aller Beschäftigten" entstehe. Das sei aus Datenschutzsicht problematisch. Zwar gebe es auch Vorteile - so erfahre der Arbeitgeber nicht mehr, ob und welche Sozialleistungen seine Mitarbeiter beantragten. Doch Schaar war und ist der Ansicht, insgesamt würden mit ELENA höchst sensible Daten abgefragt und damit die Grenze der Zulässigkeit überschritten. 2010 hatte das Bundesverfassungsgericht das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung gekippt, weil Daten in zu großem Umfang und nicht ausreichend gesichert gesammelt worden waren.
Was bedeutet der Stopp für Arbeitgeber und Arbeitnehmer?
Die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände BDA spricht davon, dass die Arbeitgeber mehrere hundert Millionen Euro investiert hätten. Wahrscheinlich ist, dass die Arbeitgeber auf den Kosten sitzen bleiben. Von einer Entschädigung durch die Regierung ist bislang nicht die Rede. Der Steuerzahlerbund beziffert die Kosten für den Steuerzahler auf 33 Millionen Euro. Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben das Geld erst mal umsonst ausgegeben: Die Arbeitnehmer müssen wie bisher beim Arbeitgeber eine entsprechende Bescheinigung auf Papier beantragen, wenn sie eine Sozialleistung in Anspruch nehmen wollen oder müssen. Die Arbeitgeber müssen weiter Menschen bezahlen, die Bescheinigungen ausstellen.
Welche Alternativen bieten sich für die Zukunft an?
Die Bundesregierung bemüht sich um Schadensbegrenzung. Die Investitionen der Arbeitgeber will man weiter nutzen, um ein "einfaches und unbürokratisches Meldeverfahren in der Sozialversicherung" zu etablieren. Das Arbeitsministerium arbeite an einem Konzept. Dabei kommt das Daten-Desaster rund um ELENA nicht überraschend: Zuletzt waren die Kosten für die offizielle Einführung explodiert, die sich bereits um zwei Jahre auf 2014 verzögert hatte. Schon seit 2010 aber haben die Arbeitgeber in einer ersten Stufe des ELENA-Verfahrens Daten an die zentrale Sammelstelle übermittelt. Dazu waren sie gesetzlich verpflichtet. Aufgelaufen sind seitdem 500 Millionen Datensätze, die jetzt "schnellstmöglich" gelöscht werden sollen.
Zusammengestellt von Ute Welty für tagesschau.de