Unionsinterner Asylstreit "Dass es ernst ist, weiß jeder"
Vor den Beratungen der Gremien von CDU und CSU hat Kanzlerin Merkel die Erwartungen gedämpft, dass der Asylstreit heute beigelegt werden könnte. CSU-Chef Seehofer nannte seine Gespräche mit Merkel laut Parteikreisen "wirkungslos".
Für heute wird eigentlich die Klärung erwartet, im erbitterten Asylstreit zwischen CDU und CSU. Doch bevor die Spitzen beider Parteien ihre Sitzungen begannen, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel die Erwartungen gedämpft. Im ZDF-Sommerinterview wollte sie sich nicht festlegen, ob die Differenzen mit den Christsozialen tatsächlich heute gelöst werden können.
Aber sie werde alles daran setzen, dass es Ergebnisse gebe, "bei denen wir Verantwortung für unser Land wahrnehmen können", sagte Merkel bei der Aufzeichnung des Interviews auf die Frage, ob es am Ende des Tages noch eine Regierung und eine Unionsgemeinschaft geben werde. Sie wolle, dass CDU und CSU weiter zusammenarbeiteten, sagte die Regierungschefin.
Sie verstehe das Anliegen von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), mehr Ordnung in die Sekundärmigration bringen zu wollen, sagte Merkel. Dem sei sie mit den Vereinbarungen auf europäischer Ebene entgegengekommen. Von der CSU sei sie "sicher auch ein Stück" angespornt worden, den europäischen Gedanken nach vorne zu bringen. Sie sei "einigermaßen" zufrieden mit dem Ergebnis des EU-Gipfels.
Seehofer: Gipfel-Ergebnisse "nicht wirkungsgleich"
Seehofer nannte derweil seine Unterredung mit Merkel Parteikreisen zufolge wirkungslos. Das habe Seehofer in der CSU-Sitzung gesagt. Die EU-Beschlüsse zur Flüchtlingspolitik seien kein wirkungsgleicher Ersatz für Zurückweisungen an der Grenze.
"Wir ziehen nicht die Brücken hoch"
Entsprechend verteidigte sie den schärferen Kurs der Europäischen Union in der Asylpolitik. "Wir ziehen nicht die Brücken hoch, sondern wir fragen uns, was können wir tun, um illegalen Schleppern und Schleusern das Handwerk zu legen", sagte Merkel. Die Schleuser gingen hartherzig mit dem Leben der Flüchtlinge um und bereicherten sich an ihnen. Dem könne Europa nicht zusehen. Sie sei froh, dass es etwa einen österreichischen Kanzler Sebastian Kurz gebe, der seine Sichtweise darstelle. Es sei klar, dass es da mal Meinungsverschiedenheiten gebe. "Wir alle sind für Außengrenzenschutz", sagte Merkel.
Auf die Frage, ob sie im Unions-Streit Seehofer bei einem Alleingang notfalls entlassen werde, wollte Merkel nicht eingehen. Die Union stehe vor wichtigen, ernsten Beratungen, es stehe viel im Raum. "Dass es ernst ist, weiß jeder."
Sie setze weiter auf eine Zusammenarbeit mit der CSU; dabei gelte aber für sie nach wie vor: nicht unilateral, nicht unabgestimmt und nicht zu Lasten Dritter. In der Summe sei das, was sie in Brüssel und in ihren bilateralen Verhandlungen erreicht habe, "wirkungsgleich" mit den Plänen der CSU, erklärte Merkel. Seehofer will - notfalls im Alleingang - bereits in anderen EU-Staaten registrierte Flüchtlinge an der Grenze zurückweisen, was Merkel ablehnt.
Brief Merkels mit weitgehenden Vorschlägen
Um eine endgültige Eskalation in der Regierungskrise abzuwenden, hatte Merkel nach dem EU-Gipfel überraschend weitgehende Vorschläge gemacht: In einem am Samstag öffentlich gewordenen Schreiben an die Partei- und Fraktionschefs der Koalitionspartner SPD und CSU hatte sie eine Reihe von Maßnahmen für einen schärferen Kurs aufgeführt - etwa bei Asylbewerbern, die in einem anderen EU-Land schon registriert sind. Darin listete die Kanzlerin zudem 14 Staaten auf, von denen es "Zusagen auf politischer Ebene" gebe, Verwaltungsabkommen zur beschleunigten Rückführung im Rahmen der Dublin-Verordnung zu schließen. Ungarn, Tschechien und Polen dementierten eine solche Übereinkunft allerdings schon wieder.
Es gibt also eine Menge zu beraten, bei den Sitzungen der Spitzen von CDU und CSU: In München berät der CSU-Vorstand gemeinsam mit der CSU-Landesgruppe. Bei der CDU kommt das Parteipräsidium am frühen Abend zusammen, der größere Vorstand dann danach.
Am Samstagabend hatten Merkel und der CSU-Chef bereits in einem Zweiergespräch noch einmal nach einer Lösung gesucht. Ergebnisse wurden allerdings nicht bekannt. Am Ende, so die Kanzlerin im ZDF-Interview heute, hätten sie und der Innenminister das gleiche Anliegen, nämlich die Migration nach Europa und Deutschland zu reduzieren. "Wir streiten nur über den Weg dahin."