Streit um Schutzstatus syrischer Flüchtlinge Leitet Merkel einen Kurswechsel ein?
Schwenkt Kanzlerin Merkel beim Thema Familiennachzug syrischer Flüchtlinge auf eine härtere Linie um? Zumindest hat sie nun erklärt, dass es offen sei, ob die entsprechenden Regelungen verschärft würden. Ziel sei eine einvernehmliche Lösung.
In der Debatte um den Schutzstatus syrischer Flüchtlinge hat sich nun erstmals auch Bundeskanzlerin Angela Merkel öffentlich zu Wort gemeldet. Sie betonte, dass für die Mehrheit der syrischen Flüchtlinge weiterhin der Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention gelten solle.
Der sogenannte subsidiäre Schutz mit eingeschränktem Nachzugsrecht für Familienangehörige gelte nur für einen kleinen Teil der Flüchtlinge, sagte die CDU-Chefin. Im Moment stehe die Frage im Raum, ob es künftig wieder mündliche Anhörungen von Syrern geben werde, um über ihren Schutzstatus zu entscheiden.
So war es bereits vor einem Kurswechsel vom November 2014. Seitdem müssen Syrer keine persönliche Anhörung mehr durchlaufen, sondern können ihre Fluchtgründe schriftlich erklären und bekommen ohne Einzelfallprüfung fast durchweg Flüchtlingsschutz nach der Genfer Konvention - und damit das Recht auf einen längeren Aufenthalt und Familiennachzug.
Hoffnung auf "einvernehmliche Lösung"
Über die Frage würden die Innenminister von Bund und Ländern bald diskutieren, fügte Merkel hinzu. "Und ich hoffe, wir kommen dabei auch zu einer einvernehmlichen Lösung. Es muss Beschleunigung einerseits und Ordnung andererseits der Asylverfahren gewährleistet werden."
Merkel, SPD-Chef Sigmar Gabriel und CSU-Chef Horst Seehofer hatten am Donnerstag eine zweijährige Aussetzung des Familiennachzugs für bestimmte Flüchtlingsgruppen beschlossen. Am Freitag hatte Innenminister Thomas de Maizière überraschend in einem Interview mitgeteilt, dass auch syrische Flüchtlinge künftig unter den Status dieser Gruppe fallen sollten. Angesichts von Protesten der SPD war dieser öffentliche Vorstoß des Ministers vom Kanzleramt gestoppt worden.
Die Debatte jedoch ließ sich jedoch nicht mehr stoppen. Zahlreiche CDU-Politiker - unter anderem Finanzminister Wolfgang Schäuble sowie die Präsidiumsmitglieder Julia Klöckner, Armin Laschet und Jens Spahn - schlossen sich den Überlegungen de Maizières an.
Kanzlerin Merkel hatte sich in der Streitfrage zwar tagelang nicht inhaltlich geäußert, sprach aber ihrem massiv in die Kritik geratenen Innenminister de Maizière das Vertrauen aus.
EU erwägt Zentren auf Balkanroute
Unterdessen geht die Diskussion über die Flüchtlingspolitik auch auf europäischer Ebene weiter. Die EU erwägt, neue Zentren in den Balkanländern einzurichten. Solche Bearbeitungszentren könnten Migranten auf der sogenannten Balkanroute aufnehmen, Asylanträge bearbeiten und über Rückführungen entscheiden. Die EU-Innenminister einigten sich bei ihrem Sondertreffen in Brüssel auf eine gemeinsame Erklärung, wonach die EU diese Möglichkeit sondiert.
Wer in Deutschland einen Asylantrag stellt, erhält unter Umständen Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention. Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlingsschutz ist dies der Fall, "wenn sein Leben oder seine Freiheit in seinem Herkunftsland wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist."
Einen eingeschränkten Status - "subsidiären Schutz" - erhalten dagegen Menschen, die nicht unter die Genfer Flüchtlingskonvention oder das deutsche Grundrecht auf Asyl fallen. Sie müssen zwar nicht in die Heimat zurück, etwa weil ihnen dort Todesstrafe oder Folter drohen oder Bürgerkrieg herrscht. Anders als Menschen mit Asyl- oder Flüchtlingsstatus bekommen sie aber zunächst nur eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr, die verlängert werden kann.