Unterbringung von Flüchtlingen Wann dürfen Privatgebäude beschlagnahmt werden?
Wenn Kommunen für Flüchtlinge keinen Platz mehr in den städtischen Unterkünften finden, können sie auch private Gebäude beschlagnahmen. Können sich die Eigentümer dagegen wehren? Haben sie Anspruch auf Entschädigung?
Dürfen Städte und Kommunen leer stehende Gebäude für die Unterbringung beschlagnahmen?
Wenn es keine andere Möglichkeit gibt, die Flüchtlinge unterzubringen, dann ja. Aber eben auch wirklich nur dann - als allerletztes Mittel. Spezielle gesetzliche Regelungen dazu gibt es nicht. Deshalb greifen die Behörden auf die allgemeinen Regeln der Polizeigesetze der Länder zurück. Danach dürfen Behörden in Notsituationen zur Abwehr einer Gefahr die entsprechenden Maßnahmen ergreifen, um die Gefahrensituation zu beseitigen.
Die Notsituation ist gegeben, wenn die Flüchtlinge keine Unterkunft haben. Denn: Müssen sie auf der Straße leben, besteht eine Gefahr für ihre Gesundheit, unter Umständen im Winter auch für ihr Leben. Und durch die Beschlagnahme von privaten Wohnungen oder auch gewerblichen Immobilien könnte man diese Gefahr beheben.
Was bedeutet, dass dies nur als "letztes Mittel" zulässig ist?
Die Eigentümer der Immobilien sind für die Gefahrensituation, also die mögliche Obdachlosigkeit der Flüchtlinge, nicht verantwortlich. Deshalb - so sagen es die Polizeigesetze - darf nur beschlagnahmt werden, wenn die Gefahr auf andere Weise nicht behoben werden kann. Das heißt: Die Kommunen müssen zunächst alle eigenen zur Verfügung stehenden Gebäude nutzen. Wenn die ausgeschöpft sind, müssen sie versuchen, fremde Unterbringungsmöglichkeiten anzumieten. Dazu gehören unter Umständen auch normale Hotels.
Umstritten ist, ob die Städte und Kommunen möglicherweise für die Wohnungen auch stark überhöhte Mieten zahlen müssen, bevor sie beschlagnahmen dürfen. Auf jeden Fall müssen sie auch versuchen, weitere Unterkünfte zu bauen, bzw. zu beschaffen (z. B. Wohncontainer). Erst wenn wirklich nichts davon zum Erfolg führt, darf beschlagnahmt werden.
Wie lange darf beschlagnahmt werden?
Auch hier gilt: Die Gebäude dürfen nur so lange beschlagnahmt werden, wie das zwingend notwendig ist. Die Städte und Kommunen müssen also parallel weiterhin alles probieren, um selbst Wohnraum zu schaffen. Werden später städtische Unterkünfte frei oder werden die Container nach einer bestimmten Zeit angeliefert, so müssen die privaten Unterkünfte wieder freigegeben werden. Die Behörden müssen sich auch bemühen, Mietverträge mit den Eigentümern abzuschließen, damit die Beschlagnahme schnellstmöglich beendet werden kann.
Können sich die Eigentümer dagegen wehren?
Ja, die betroffenen Eigentümer können die Beschlagnahme gerichtlich überprüfen lassen. Die Verwaltungsgerichte werden sich die Entscheidung dann genau anschauen und prüfen, ob die jeweilige Kommune wirklich keine andere Möglichkeit hatte. Wenn die hohen Hürden nicht beachtet wurden, werden die Gerichte die Entscheidung kippen.
Haben die Eigentümer einen Anspruch auf Entschädigung?
Ja. Weil die betroffenen Eigentümer für die Gefahr nicht verantwortlich sind, haben sie einen Anspruch auf eine Entschädigung. Die Höhe wird sich in der Regel an der ortsüblichen Miete für vergleichbaren Wohnraum orientieren.
Dürfen Kommunen Mietern städtischer Wohnungen kündigen, um Flüchtlinge unterzubringen?
In der nordrhein-westfälischen Kleinstadt Nieheim wurde zwei Mietparteien gekündigt, um Flüchtlinge in deren städtischen Wohnungen unterzubringen. Die Stadt hatte die Kündigungen nach ihren Angaben mit "Eigenbedarf" begründet. Man habe die Verpflichtung, Flüchtlinge unterzubringen, und sehe keine andere Möglichkeit, begründete die Stadt das Vorgehen.
Mieter genießen in Deutschland einen sehr hohen Schutz. Unbefristete Mietverträge dürfen vom Vermieter nur in wenigen Ausnahmefällen gekündigt werden. Dabei ist es egal, ob der Vermieter ein privater Eigentümer ist oder die Stadt. Das Gesetz sagt, dass ein Vermieter nur dann kündigen kann, wenn er ein "berechtigtes Interesse" an der Beendigung des Mietverhältnisses hat.
Als "berechtigtes Interesse" anerkannt ist in der Tat der Eigenbedarf. Der gilt allerdings nur für natürliche Personen, die die Wohnung selbst nutzen wollen oder sie für ihre Angehörigen benötigen. Die Stadt ist aber eine "juristische Person". Deshalb kann sie keinen Eigenbedarf anmelden. Mit dieser Argumentation wird man in NRW die Kündigung also nicht rechtfertigen können.
Allerdings wird von den Gerichten unter Umständen auch im "öffentlichen Bedarf" oder einem "öffentlichen Interesse" ein solches "berechtigtes Interesse" und damit ein Kündigungsgrund gesehen. Die Unterbringung von Asylbewerbern liegt auf jeden Fall im öffentlichen Interesse. Allerdings ist bei jeder Kündigung die soziale Bedeutung der Wohnung für den Mieter als Lebensmittelpunkt zu berücksichtigen. Gerichte würden in dem Fall deshalb wohl ganz genau abwägen, ob die Kündigung wirklich erforderlich ist oder ob es für die Stadt nicht auch noch andere Möglichkeiten gibt. Zu berücksichtigen ist dabei immer auch, wie hart die Kündigung den Mieter im Einzelfall trifft.