Pläne des Gesundheitsministers Pflegebeitrag soll um 0,35 Prozentpunkte steigen
Um das Finanzierungsloch im deutschen Pflegesystem zu stopfen, fordern gesetzliche Kassen und Sozialverbände die Nutzung von Steuermitteln. Gesundheitsminister Lauterbach plant dagegen eine Anhebung des Beitragssatzes um 0,35 Prozentpunkte.
Angesichts der schwierigen Finanzlage in der Pflegeversicherung will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach den Beitragssatz zum 1. Juli um 0,35 Prozentpunkte erhöhen. Das geht aus einem Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums für ein Gesetz zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege hervor, aus dem das Redaktionsnetzwerk Deutschland und die "Bild"-Zeitung zitieren. Auch die finanzielle Unterstützung für pflegende Angehörige soll demnach ab 2024 steigen.
Lauterbach hatte bereits erkennen lassen, dass höhere Pflegebeiträge nötig seien, um Verbesserungen zu finanzieren. Derzeit liegt der Beitrag zur gesetzlichen Pflegeversicherung bei 3,05 Prozent des Bruttolohns - für Menschen ohne Kinder bei 3,4 Prozent. SPD, FDP und Grüne hatten auch im Koalitionsvertrag angekündigt, den Pflegebeitrag "moderat" anzuheben.
Eltern sollen entlastet werden
Lauterbach will zudem die häusliche Pflege stärken. So geht aus dem Referentenentwurf ebenfalls hervor, dass das Pflegegeld zum 1. Januar kommenden Jahres um fünf Prozent angehoben werden soll. Auch Entlastungszuschläge für Pflegebedürftige im Heim sollen steigen, ebenso Pflegesachleistungen. Der Bund strebt zudem zum 1. Januar 2025 und zum 1. Januar 2028 eine automatische Dynamisierung der Geld- und Sachleistungen in Anlehnung an die Preisentwicklung an.
Mit dem Gesetz will das Gesundheitsministerium auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Berücksichtigung des Erziehungsaufwands von Eltern umsetzen. Dazu soll der Zuschlag für Menschen ohne Kinder um 0,25 auf 0,6 Beitragssatzpunkte angehoben werden. "Mitglieder mit mehreren Kindern werden ab dem zweiten Kind bis zum fünften Kind in Höhe von 0,15 Beitragssatzpunkten je Kind entlastet", heißt es weiter.
Kritik etwa zu Finanzierungsdetails
Von Opposition und Krankenkassen kam Kritik. Die Union monierte eine ungeklärte Finanzierung. Es sei völlig offen, wie hoch ein neuer Zuschuss aus Steuermitteln ausfallen soll, sagte Gesundheitsexperte Tino Sorge der Nachrichtenagentur dpa. Dabei sei es ein offenes Geheimnis, dass die Pflegeversicherung Mittel in Milliardenhöhe brauche, um stabil zu bleiben. "Andernfalls bleiben allein die Beitragszahler auf den Kosten sitzen."
Der Chef der Krankenkasse DAK-Gesundheit, Andreas Storm, nannte es "völlig inakzeptabel", wenn das Pflegegeld erstmals seit 2017 um fünf Prozent angehoben werden soll. "Das ist unverhältnismäßig und lässt den notwendigen Respekt vor den Pflegebedürftigen und der Leistung ihrer Angehörigen vermissen."
Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz übte Kritik an den Plänen des Ministeriums. Vorstand Eugen Brysch forderte im Gespräch mit der Nachrichtenagentur KNA umgehende finanzielle Entlastungen für Pflegebedürftige. "Ambulante und stationäre Altenpflege haben in den letzten fünf Jahren eine Kostenexplosion um 40 Prozent erfahren", sagte er. Lauterbach wolle ein weiteres Jahr verstreichen lassen und dann die Hilfsbedürftigen mit einem Plus von fünf Prozent abspeisen, so Brysch. "Der Untätigkeit des Bundesgesundheitsministers muss Einhalt geboten werden."
Akutbedarf von 4,5 Milliarden Euro
Wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland zuvor berichtete, haben die gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen sowie die großen Sozialverbände einen anderen Vorschlag für Entlastungen. In einem Brief an Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), aus dem das Redaktionsnetzwerk zitierte, forderten sie die Bundesregierung dazu auf, Defizite in der Pflegeversicherung durch Steuermittel auszugleichen. Der Finanzierungsbedarf allein für die kurzfristige Stabilisierung im laufenden Jahr betrage mindestens 4,5 Milliarden Euro.
"Wir bitten Sie daher eindringlich, die Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung durch Bundesmittel schnell zu stabilisieren, damit die notwendige Sicherung der Liquidität nicht ausschließlich zulasten der Beitragszahlenden erfolgt", fordern die Verbände in dem Schreiben von Kanzler und Minister. Sie verweisen auf das 2022 entstandene Defizit der gesetzlichen Pflegeversicherung in Höhe von 2,25 Milliarden Euro. Für das laufende Jahr werde ein weiterer Fehlbetrag von drei Milliarden Euro erwartet.
Wesentliche Kostentreiber seien die wachsende Zahl von Pflegebedürftigen sowie die steigenden Ausgaben unter anderem durch die gesetzlich vorgeschriebene Bezahlung der Pflegekräfte nach Tarif. Zudem habe der Bund bisher die Mehrkosten durch die Corona-Pandemie in Höhe von insgesamt 5,5 Milliarden Euro nicht erstattet.