Vize-Kanzler in der Kritik Das dicke Fell des Sigmar Gabriel
Streit um die Fusion von Edeka und Kaiser's Tengelmann, schlechte Umfragewerte bei der SPD, Ärger um das CETA-Abkommen: Sigmar Gabriel erntet viel Kritik - auch aus den eigenen Reihen. Er selbst hingegen ist davon überzeugt, alles richtig gemacht zu haben.
Ein gelungener Sommer sieht anders aus. Kaum hatte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel im Juli seinen Urlaub auf einer Nordseeinsel angetreten, da musste er schon wieder zurück nach Berlin, weil das Oberlandesgericht Düsseldorf seine Ministererlaubnis zerpflückte und die Fusion von Edeka und Kaiser's Tengelmann untersagte. Und dann wird ihm seine Sommerreise mit Hafenrundfahrt in Rostock und Besuch einer bilingualen Kita in Schwerin sprichwörtlich verhagelt, und zwar von Journalistenfragen zu dieser umstrittenen Fusion.
Und trotzdem präsentiert sich Gabriel Anfang August entspannt. Sicher sei er sich, dass er alles richtig gemacht habe, meint er. Andere sehen das nicht so. Die Grünen fordern eine Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses des Bundestages. Zu massiv seien die Vorwürfe, die gegen den Minister erhoben werden.
Welche Rolle spielt Lobbyist Joos?
Das Düsseldorfer Gericht hält ihm vor, er habe Edeka gegenüber dem Mitbewerber REWE bevorzugt, unter anderem durch "Geheimgespräche". In der Presse wird die Frage aufgeworfen, welche Rolle der verschwiegene und "effiziente" Lobbyist Klemens Joos in dem Verfahren spielt. Der wurde offenbar von Edeka beauftragt (wozu, darauf verweigert Edeka dem ARD-Hauptstadtstudio die Auskunft). Gabriel hat sich dreimal in knapp zwei Jahren mit ihm getroffen, wie das Ministerium auf Nachfrage einräumt. Allerdings habe Gabriel Joos "auf das laufende Verfahren verwiesen", was wohl bedeuten soll, dass der Minister dem Lobbyisten keine Auskunft gewährte.
Und das ist der dritte Vorwurf, der dem Minister gemacht wird: Viele Details kommen erst auf Nachfrage zutage, und das, obwohl er doch am 13. Juli eigens den Urlaub unterbrochen hatte, um Auskunft zu geben. Und obwohl doch - so sieht es das OLG Düsseldorf - in solch einem Verfahren alles sorgfältig dokumentiert werden müsse: Wer trifft sich wann mit wem und was wird dabei gesagt und vereinbart?
Es geht um Jobs von Fleischern und Verkäufern
Hier ist Gabriel anderer Auffassung: Eine Ministererlaubnis sei kein Gerichtsverfahren mit genau festgelegter Protokollpflicht. Es müsse einem Minister möglich sein, vertrauliche Sondierungsgespräche zu führen. Vor allem, wenn es wie bei einer Fusion von Edeka und Kaiser's Tengelmann um bis zu 8000 Arbeitsplätze gehe. Und zwar um Jobs von Fleischern, Staplerfahrern und Verkäuferinnen - Geringverdienern also, für die sich Gabriel besonders verantwortlich fühlt. Wahrscheinlich weniger als Wirtschaftsminister, sondern eher als SPD-Vorsitzender.
Denn die nächsten Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin sowie die Bundestagswahl in gut einem Jahr verheißen den Sozialdemokraten wenig Gutes: In den Ländern wie im Bund droht der Machtverlust. Und kaum jemand kann sich vorstellen, dass ein Kanzlerkandidat Gabriel tatsächlich Angela Merkel gefährlich werden könnte. Aber immerhin: Die noch amtierende Große Koalition hat das Thema Edeka wohl nicht auf die Streitliste gesetzt. Denn aus den Reihen der Union ist eher Unterstützung für Gabriel zu vernehmen denn Kritik. Mehr noch: Partei für Gabriel ergreift im "Handelsblatt" sogar Hans-Peter Uhl, Bundestagsabgeordneter der CSU, der normalerweise keinem Streit aus dem Wege geht, einem Streit mit einem Sozialdemokraten schon gar nicht.
In Gabriels Umgebung ist man - wie Gabriel selbst - zuversichtlich, dass man sich im Rechtsstreit zu Edeka und Kaiser's Tengelmann durchsetzen wird, dass es von daher wohl nicht "eng werden" könnte für ihn als Minister, wie schon teilweise geraunt wird.
Ärger überall
Aber damit hat Gabriel noch lange nicht alle Probleme vom Hals. Am 19. September will ein Konvent der SPD über CETA entscheiden, das Handelsabkommen der EU mit Kanada, für das sich Gabriel so vehement einsetzt. Es sei eine Blaupause für TTIP, das Freihandelsabkommen mit den USA, sagte Gabriel im April, als er das Abkommen mit seiner kanadischen Amtskollegin Chrystia Freeland in Berlin vorstellte. Er sei sich daher sicher, sagte er damals, dass er für CETA eine Mehrheit bei dem Parteikonvent bekomme.
Allerdings schwinden die Unterstützer für CETA in der SPD: Vor zwei Wochen lehnte der Landesverband Bayern das Abkommen ab. Aber bis zu dem Konvent dauert es noch sechs Wochen. Viel Zeit, die da ins Land zieht, vielleicht auch viel Sommer, vielleicht auch für Gabriel.