Ausschreitungen bei Pro-Palästina-Demos "Staat muss jetzt zeigen, dass er wehrhaft ist"
Wieder fliegen bei Pro-Palästina-Demonstrationen Böller. Union und Polizeigewerkschaft fordern ein konsequenteres Handeln gegen Krawallmacher und Antisemiten. CDU-Generalsekretär Linnemann meint: Wer den Staat Israel leugne, müsse ausgewiesen werden.
Angesichts der zunehmenden Ausschreitungen bei Pro-Palästinensischen Demonstrationen fordert die CDU ein härteres Vorgehen der Behörden gegen Kriminalität. "Der Staat muss jetzt zeigen, dass er wehrhaft ist", sagte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. Der politische Islam verbreite sich seit Jahren.
Es gebe "offenkundig ein Problem, dass viele Menschen zu uns gekommen sind, die dem Staat Israel und dem Judentum feindselig gegenüberstehen". Linnemann schlug vor, "dass jeder, der in dieses Land kommt, eine Integrationsvereinbarung unterzeichnen muss. Und darin muss unter anderem die Anerkennung des Existenzrechts Israels stehen". Wer diese Vereinbarung breche, müsse damit rechnen, ausgewiesen zu werden.
Reul befürwortet Hamas-Verbot
Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul bezeichnete es als ungeheuren "Zustand, dass auf deutschen Straßen Leute rumtanzen und bejubeln, dass andere ermordet werden. Das ist irre", so der CDU-Politiker. Er begrüßte die Pläne der Bundesregierung zu einem Betätigungsverbot für die radikalislamische Hamas, hält dessen Wirkung aber für begrenzt. "Man darf sich nicht davon versprechen, damit wäre das Problem gelöst, weil die Menschen, die sich so unmöglich verhalten, ja weiter da sind", sagte Reul im Deutschlandfunk. Dennoch seien Betätigungs- und Vereinsverbote immer ein Mittel, um das offizielle Handeln von Organisationen in den Griff zu bekommen.
Auch wer "die komischsten Ideen habe", dürfe in Deutschland demonstrieren. "Aber er muss sich an die Regeln halten", sagte der CDU-Politiker. Einfache Lösungen gebe es im Umgang mit den Unterstützern der Hamas nicht. Wer Demonstrationsverbote und ein entschiedenes Eingreifen der Polizei fordere, der nehme Bilder in Kauf, "die werden nicht schön sein". "Und ich ahne, was dann für Debatten kommen", sagte Reul. Der Rechtsstaat funktioniere nur, wenn die Polizei notfalls auch mit Gewalt Regeln durchsetze.
Throm: Faeser vernachlässigt die Sicherheit des Landes
Die Union wirft Bundesinnenministerin Nancy Faeser vor, ihr Amt nicht richtig auszuführen. "Täglich gibt es auf unseren Straßen Ausschreitungen und Gewalt von Hamas-Unterstützern, jüdischen Einrichtungen drohen Anschläge, und die Migrationskrise ist weiter unbewältigt", sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU). In einer so angespannten Sicherheitslage sei es "ein Unding, dass Frau Faeser in diesen Stunden in Wiesbaden in Diensten der hessischen SPD unterwegs ist". Faeser hätte sich in Hessen vertreten lassen müssen, sagte Throm. Er warf ihr vor: "Sie vernachlässigt die Sicherheit unseres Landes und ist überfordert in ihrem Amt als Bundesinnenministerin."
Aus dem Bundesinnenministerium hieß es, Faeser sei am Dienstag morgens zu Gesprächen mit den Koalitionsfraktionen in Berlin gewesen, anschließend zu einem Termin nach Hessen gereist und abends zurück in der Hauptstadt gewesen. Ein für Dienstag vorgesehenes Treffen mit muslimischen Verbänden sei von vornherein ohne ihre Teilnahme geplant gewesen.
Polizeigewerkschaft fordert konsequentes Handeln
Auch der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke, forderte ein konsequentes Handeln im Zusammenhang mit solchen Ausschreitungen. "Wir brauchen schnelle Gerichtsverfahren und Urteile gegen die Krawallmacher", sagte Kopelke dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Er sprach von einer "absolut widerlichen Stimmung in Deutschland" und bezog sich unter anderem auch auf den versuchten Brandanschlag auf eine jüdische Gemeinde in Berlin in der Nacht zum Mittwoch. Unbekannte hatten nach Angaben der Gemeinde Kahal Adass Jisroel Molotowcocktails in Richtung des Gemeindezentrums in Berlin-Mitte geworfen. Der Zentralrat der Juden in Deutschland sprach von einem "Terroranschlag" auf das Gebäude, in dem sich neben einer Synagoge eine jüdische Schule und eine jüdische Kita befinden.
Baerbock: "Nie wieder ist jetzt"
Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock zeigte sich darüber erschüttert. "Es ist unerträglich, dass Jüdinnen und Juden in Deutschland Angst haben müssen, dass Davidsterne an Häuser gemalt werden und Feuer auf Synagogen geworfen wird", schrieb Baerbock am Mittwochabend im Onlinedienst X, ehemals Twitter. "Wir stellen uns dem mit aller Kraft des Staates und unserer Gesellschaft entgegen. Nie wieder ist jetzt."
Laddor: Davidsterne an Haustüren erinnern an finstere Zeiten
Der Antisemitismus in Deutschland erreiche eine neue Dimension - nicht nur für Jüdinnen und Juden, sagte die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Lamya Kaddor, im ZDF-Morgenmagazin. "Es ist auch für uns und unser innenpolitisches Geschehen definitiv eine neue Dimension - in der Qualität, in der Massivität, in der Stimmungslage, im Gesamtkontext. Geopolitisch ist das definitiv noch mal eine Zäsur, und die nehmen Menschen hier auch wahr, gerade Jüdinnen und Juden. Wenn Davidsterne wieder auf Haustüren geschmiert werden, dann erinnert das an sehr finstere Zeiten", so die Islam-Wissenschaftlerin.
Es gebe in Deutschland einen importierten Antisemitismus. Aber es sei wichtig zu betonen, dass nicht alle Muslime Antisemiten sind. Deutschland brauche eine schonungslose Selbstreflexion mit dem Thema, der Staat müsse mehr Geld in die Hand nehmen, um das Thema strukturell anzugehen - etwa durch Demokratiebildung und Antisemitismustrainings. Zudem müsse der Staat adressieren "dass wir von muslimischen zivilgesellschaftlichen Akteuren erwarten, dass sie sich als Teil dieses Bündnisses gegen Antisemitismus begreifen", so Kaddor.
Böller und Barrikaden in Berlin, Wasserwerfer in Frankfurt
Am Abend kam es trotz eines Verbots bei einer Pro-Palästinenser-Demonstration in Berlin-Neukölln erneut zu Ausschreitungen. Feuerwerkskörper flogen in Richtung Polizei, Mülltonnen brannten. Einem dpa-Reporter zufolge skandierten die Menschen vor allem "free free palestine" und "viva viva palestina". Die Polizei teilte weiter auf X mit: "Wir sehen, wie Menschen wahllos Gegenstände auf die Straße werfen, anzünden und sich dabei filmen und feiern." Durch Würfe von Pyrotechnik sei ein Feuer auf einem Balkon entstanden, das Polizisten gelöscht hätten.
Auch in anderen Städten in Deutschland kam es zu pro-palästinensischen Kundgebungen. In Frankfurt am Main setzte die Polizei einen Wasserwerfer ein, um eine verbotene pro-palästinensische Mahnwache aufzulösen. Laut Polizeisprecher nahmen etwa 100 Menschen an der Mahnwache an der Hauptwache teil. Auch in Kassel kam es zu einer pro-palästinensischen Spontanversammlung mit etwa 110 Teilnehmern, wie die Polizei mitteilte. Diese sei friedlich geblieben.