Ausschreitungen bei Pro-Palästina-Demos "Müssen Recht auf Straßen durchsetzen"
Wieder fliegen bei Pro-Palästina-Demonstrationen Böller. Justizminister Buschmann mahnt, geltendes Recht schnell umzusetzen und Kriminelle zu bestrafen. Auch Union und Polizeigewerkschaft fordern konsequenteres Handeln.
Vor dem Hintergrund von Ausschreitungen bei pro-palästinensischen Kundgebungen hat Bundesjustizminister Marco Buschmann das Recht auf Demonstrationsfreiheit betont. Es gebe jedoch eine "Menge scharfer Gesetze", um gegen Straftaten bei solchen Demonstrationen vorzugehen, sagte der FDP-Politiker im RBB-Inforadio. "Wir müssen das Recht auf unseren Straßen durchsetzen", so Buschmann.
Deshalb sei es wichtig, dass die Polizei bei den Demonstrationen die Identitäten mutmaßlicher Straftäter feststelle, Personen im Zweifelsfall festgenommen werden und "sie dann auch ihre Strafe bekommen". Die Demonstrationsfreiheit sei ein wichtiges Recht. "Aber immer dann, wenn die Grenze zum Strafrecht übertreten wird, müssen wir klar machen, dass das nicht in Ordnung ist", betonte der Bundesjustizminister.
Klar trennen zwischen Meinungsäußerung und Hetze
Zu möglichen Verboten von Kundgebungen sagte Buschmann, es müsse eine klare Trennlinie zwischen legitimer Demonstration und Meinungsäußerung auf der einen, und Hetze und Propaganda auf der anderen Seite gezogen werden. Wenn zu erwarten sei, dass Straftaten bei einer Kundgebung begangen werden, sei ein Verbot zulässig. Wer aber für Frieden demonstriere oder seine Trauer zum Ausdruck bringen wolle, "kann das tun und soll das tun", unterstrich Buschmann: "Aber was nicht geht, ist, dass man unter dem Deckmantel einer Friedensdemonstration dann anschließend gegen Juden hetzt."
Reul: Regeln notfalls auch mit Gewalt durchsetzen
Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul bezeichnete es als ungeheuren "Zustand, dass auf deutschen Straßen Leute rumtanzen und bejubeln, dass andere ermordet werden. Das ist irre", so der CDU-Politiker. Er begrüßte die Pläne der Bundesregierung zu einem Betätigungsverbot für die radikalislamische Hamas, aber: "Man darf sich nicht davon versprechen, damit wäre das Problem gelöst, weil die Menschen, die sich so unmöglich verhalten, ja weiter da sind", sagte Reul im Deutschlandfunk.
Dennoch seien Betätigungs- und Vereinsverbote immer ein Mittel, um das offizielle Handeln von Organisationen in den Griff zu bekommen. Auch wer "die komischsten Ideen habe", dürfe in Deutschland demonstrieren. "Aber er muss sich an die Regeln halten", sagte Reul weiter. Einfache Lösungen gebe es im Umgang mit den Unterstützern der Hamas nicht. Wer Demonstrationsverbote und ein entschiedenes Eingreifen der Polizei fordere, der nehme Bilder in Kauf, "die werden nicht schön sein". Der Rechtsstaat funktioniere nur, wenn die Polizei notfalls auch mit Gewalt Regeln durchsetze.
CDU-Generalsekretär: Ausweisung bei Leugnung Israels
Auch CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann forderte ein härteres Vorgehen der Behörden gegen Kriminalität. "Der Staat muss jetzt zeigen, dass er wehrhaft ist", sagte Linnemann den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. Der politische Islam verbreite sich seit Jahren.
Es gebe "offenkundig ein Problem, dass viele Menschen zu uns gekommen sind, die dem Staat Israel und dem Judentum feindselig gegenüberstehen". Linnemann schlug vor, "dass jeder, der in dieses Land kommt, eine Integrationsvereinbarung unterzeichnen muss. Und darin muss unter anderem die Anerkennung des Existenzrechts Israels stehen". Wer diese Vereinbarung breche, müsse damit rechnen, ausgewiesen zu werden.
Scholz kündigt "klare Kante" an
Bundeskanzler Olaf Scholz versprach angesichts der Ausschreitungen Härte im Kampf gegen Antisemitismus. Es sei "eine klare Kante gefragt", man dürfe nicht wegschauen, sagte er in seiner Regierungserklärung im Bundestag. Die Behörden müssten Gesetze und Vorschriften durchsetzen und Straftaten ahnden.
Versammlungen, bei denen "antisemitische Parolen gebrüllt werden" und "der Tod von Menschen verherrlicht wird", könnten nicht akzeptiert werden. "Antisemitismus ist in Deutschland fehl am Platz, und wir werden alles dafür tun, uns gegen ihn zu stellen."
Polizeigewerkschaft fordert schnelle Gerichtsverfahren
Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke, forderte die Justiz auf, bei Straftaten schnell zu handeln. "Wir brauchen schnelle Gerichtsverfahren und Urteile gegen die Krawallmacher", sagte Kopelke dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Er sprach von einer "absolut widerlichen Stimmung in Deutschland" und bezog sich unter anderem auch auf den versuchten Brandanschlag auf eine jüdische Gemeinde in Berlin in der Nacht zum Mittwoch.
Kaddor: Davidsterne an Haustüren erinnern an finstere Zeiten
Der Antisemitismus in Deutschland erreiche eine neue Dimension - nicht nur für Jüdinnen und Juden, sagte die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Lamya Kaddor, im ZDF-Morgenmagazin. "Es ist auch für uns und unser innenpolitisches Geschehen definitiv eine neue Dimension - in der Qualität, in der Massivität, in der Stimmungslage, im Gesamtkontext. Geopolitisch ist das definitiv noch mal eine Zäsur, und die nehmen Menschen hier auch wahr, gerade Jüdinnen und Juden. Wenn Davidsterne wieder auf Haustüren geschmiert werden, dann erinnert das an sehr finstere Zeiten", so die Islam-Wissenschaftlerin.
Es gebe in Deutschland einen importierten Antisemitismus. Aber es sei wichtig zu betonen, dass nicht alle Muslime Antisemiten sind. Deutschland brauche eine schonungslose Selbstreflexion mit dem Thema, der Staat müsse mehr Geld in die Hand nehmen, um das Thema strukturell anzugehen - etwa durch Demokratiebildung und Antisemitismustrainings. Zudem müsse der Staat adressieren "dass wir von muslimischen zivilgesellschaftlichen Akteuren erwarten, dass sie sich als Teil dieses Bündnisses gegen Antisemitismus begreifen", so Kaddor.
Steinmeier fordert Distanzierung von Hamas
Zu einer Distanzierung zur Hamas forderte auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier muslimische Organisationen auf. "Ich erwarte, dass die muslimischen Organisationen und Verbände sich deutlich von dem Terror der Hamas distanzieren", sagte Steinmeier im MDR.
Der Bundespräsident äußerte sich entsetzt über Angriffe auf Polizisten bei pro-palästinensischen Protesten und über den Brandanschlag auf ein jüdisches Gemeindezentrum in Berlin. "Das sind Vorgänge, die wir schlicht und einfach nicht tolerieren dürfen und wo es auch eine strafrechtliche Verfolgung geben muss."
Böller und Barrikaden in Berlin, Wasserwerfer in Frankfurt
Am Mittwoch Abend kam es trotz eines Verbots bei einer Pro-Palästinenser-Demonstration in Berlin-Neukölln erneut zu Ausschreitungen. Feuerwerkskörper flogen in Richtung Polizei, Mülltonnen brannten.
Auch in anderen Städten in Deutschland kam es zu pro-palästinensischen Kundgebungen. In Frankfurt am Main setzte die Polizei einen Wasserwerfer ein, um eine verbotene pro-palästinensische Mahnwache aufzulösen. Laut Polizeisprecher nahmen etwa 100 Menschen an der Mahnwache an der Hauptwache teil. Auch in Kassel kam es zu einer pro-palästinensischen Spontanversammlung mit etwa 110 Teilnehmern, wie die Polizei mitteilte. Diese sei friedlich geblieben.