Bilanz des Missbrauchsbeauftragten Was Ackermann erreicht hat
Für die einen war er zu forsch, für die anderen zu dünnhäutig und langsam: Nach zwölf Jahren fällt die Bilanz des Missbrauchsbeauftragten der Bischofskonferenz gemischt aus. Was bleibt von Ackermann?
Der Trierer Bischof Stephan Ackermann legt - wie im Mai angekündigt - nach zwölf Jahren nun sein Amt als Missbrauchsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz nieder. Als Ackermann 2010 Missbrauchsbeauftragter wurde, war er gerade einmal ein Dreivierteljahr Bischof von Trier. Der damals 46-Jährige war neu im Kreis der katholischen Oberhirten und wusste wohl ebenso wenig wie seine Amtsbrüder, die ihn in das neue Amt wählten, was ihn dort erwartete.
Wenige Wochen zuvor hatte der Jesuitenpater Klaus Mertes erstmals Fälle sexuellen Missbrauchs am Berliner Canisius-Kolleg publik gemacht. Niemand ahnte, welche Wellen das Thema noch schlagen und welch immensen Vertrauensverlust es für die katholische Kirche in Deutschland nach sich ziehen würde.
"Verheerend für das Ansehen der Kirche"
Ackermann positionierte sich in seinem Amt von Anfang an deutlich. Im Gegensatz zu einigen seiner Kollegen wies er schon früh darauf hin, dass es keine Verharmlosung und keine Vertuschung geben dürfe. Zudem bezeichnete er die Folgen der sexuellen Gewalt als verheerend für das Ansehen der Kirche.
Der Trierer Bischof wirkte entscheidend am Zustandekommen der "MHG-Studie" der deutschen Bistümer zum Missbrauch an Minderjährigen mit. Die nach den Orten der Universitäten des Forschungskonsortiums (Mannheim-Heidelberg-Gießen) benannte Studie wurde im September 2018 veröffentlicht und sprach von 3677 Betroffenen sexueller Übergriffe von mindestens 1670 Priestern und Ordensleuten in der Zeit von 1946 bis 2014.
Uneinigkeit in der Bischofskonferenz
Ackermann versuchte durch neue Leitlinien für den Umgang mit Missbrauchsfällen verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Zudem setzte er auf ein einheitliches Vorgehen aller Bischöfe. Dieses Ansinnen aber wurde immer wieder aus den Reihen seiner Amtsbrüder torpediert.
Dem einen war er zu forsch, dem anderen zu langsam, und es zeigte sich - wie zurzeit beim Synodalen Weg -, dass die Deutsche Bischofskonferenz nicht nur heterogen ist, sondern dass es auch Lager gibt, die gegeneinander arbeiten. Kein Wunder, dass das Wort vom "undankbaren Job" des Missbrauchsbeauftragten die Runde machte.
Die Teilnehmer der Deutschen Bischofskonferenz bei ihrer Versammlung in Fulda im Jahr 2021. Stephan Ackermann setzte auf ein einheitliches Vorgehen aller Bischöfe. Dieses Ansinnen aber wurde immer wieder aus den Reihen seiner Amtsbrüder torpediert.
Kritik aus dem eigenen Bistum
Oft zeigte sich Ackermann recht emotional, dünnhäutig und ungeschickt. So nannte er im Sommer dieses Jahres vor etwa 40 Mitarbeitern seines Trierer Bistums den Klarnamen einer unter Pseudonym bekannten Betroffenen sexueller Übergriffe. Wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtete, hat ihn deshalb ein Kirchenrechtler in Rom angeklagt.
Der Vorwurf lautet, Ackermann habe in diesem Zusammenhang auch indirekt das Beichtgeheimnis gebrochen. Darüber hinaus wirft ihm der Verein MissBiT ("Missbrauchsopfer & Betroffene im Bistum Trier") vor, er sei unehrlich, verstecke sich hinter Bürokratie und spiele auf Zeit. Bislang liegt noch kein umfassender Bericht über den sexuellen Missbrauch im Bistum Trier vor.
Mit offenen Fragen in die Zukunft
Der Aachener Bischof Helmut Dieser löst nun Ackermann ab. Erzbischof Stephan Burger wurde als sein Stellvertreter benannt.
Unabhängig von dieser Entscheidung dürften die deutschen Bischöfe aber nicht an der bislang noch offenen Frage vorbeikommen, wer eigentlich die Verantwortung für die schweren Folgen des sexuellen Missbrauchs innerhalb der katholischen Kirche übernimmt.
Eine angemessene Antwort zu finden, dürfte allerdings nicht einfach sein: So ist von den Vertretern der Opfer zu vernehmen, sie erwarteten persönliche Konsequenzen. Aus den Reihen der Bischöfe heißt es hingegen immer wieder, viele von ihnen seien noch gar nicht so lange im Amt und auch nicht in Missbrauchsfälle verwickelt, weshalb ein Rücktritt für sie unangemessen sei.
Ob diese Argumentationslage auf Dauer zur Lösung der momentanen Krise innerhalb der katholischen Kirche in Deutschland dienlich ist, darf bezweifelt werden.