Studierende aus China Spionagegefahr an der Uni?
Die Universität Erlangen-Nürnberg nimmt vorerst keine Studierenden aus China mehr auf, die mit einem staatlichen chinesischen Stipendium nach Deutschland kommen wollen. Ein Grund: Spionagegefahr.
Die Universität Erlangen-Nürnberg schließt vom chinesischen Staat entsandte Doktoranden aus. Der Beschluss gilt seit 1. Juni, wie eine Sprecherin der Friedrich Alexander Universität (FAU) mitteilte. "Im Augenblick handelt es sich dabei um eine mittlere zweistellige Zahl von Personen."
Bei den sogenannten CSC-Stipendien handelt es sich um Förderungen für Doktoranden. Sie sind seit Monaten in der Kritik, weil die Studierenden "Knebelverträge" unterschreiben müssen, wie die Deutsche Welle und die Rechercheplattform "Correctiv" berichtet hatten.
Die Doktoranden müssen demnach für ein solches Stipendium unter anderem Staatstreue zusichern, Anweisungen der Botschaft befolgen und Personen in der Heimat benennen, die für sie bürgen.
Das Chinese Scholarship Council (CSC) ist das chinesische Gegenstück zum Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD), beide Organisationen vergeben Stipendien an den wissenschaftlichen Nachwuchs. Das CSC untersteht dem Pekinger Bildungsministerium und vergibt auch Stipendien in der umgekehrten Richtung für Studienaufenthalte deutscher Studierenden in China.
Prüfung durch den Zoll: Meldepflichtige Vorgänge
Der Präsident der Uni Erlangen, Joachim Hornegger, begründet die Aussetzung der Einladung von CSC-Studierenden allerdings in erster Linie nicht mit den "Knebelverträgen". Ausschlaggebend sei eine Prüfung an der Uni durch den deutschen Zoll gewesen.
Es sei dabei um die Ausfuhr von Gütern und um Wissenstransfer gegangen, so Hornegger: "Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle hat ganz klare Richtlinien formuliert, was weitergegeben werden darf und was nicht. Und bei der Prüfung hat sich ergeben, dass es durchaus auch Vorgänge gab, die meldepflichtig gewesen wären und wo wir dieser Verpflichtung nicht entsprechend nachgekommen sind."
Sensible Forschungsprojekte
Bei solchen Prüfungen in Unternehmen und auch bei Universitäten geht es unter anderem darum, Wirtschaftsspionage zu verhindern, aber auch darum, dass unliebsame Regierungen nicht an Forschungsergebnisse gelangen, die zum Beispiel für die Rüstungsindustrie genutzt werden können.
Bei den Vorfällen, von denen Hornegger spricht, handelt es sich nach Angaben der Uni um Forschungsprojekte mit Bezug zu "Dual-Use"-Themen, also einem Bereich, der sowohl zivilen als auch militärischen Anwendungen zugeordnet werden kann.
Uni kündigt eine bessere Überprüfung an
Offenbar kam am Rande der Prüfung zusätzlich das Thema der staatlich finanzierten chinesischen Gaststudenten auf. Dabei wurde intern beschlossen: Künftig will die Uni näher hinschauen, wer zum Studieren kommen darf.
Neben den Institutsleitungen, die bisher von Stipendiaten ausgewählt haben, soll jetzt eine "zweite Instanz" ein Auge auf die Bewerber haben, sagte Uni-Präsident Hornegger. Das könne eine externe Institution, aber auch ein Vertreter der Uni-Leitung sein. Als Gesinnungsprüfung will der Präsident das nicht verstanden wissen: "Wir sind eine weltoffene Universität, die sich als Plattform der Freiheit versteht. Wir wollen sicherstellen, dass die Leute, die an der FAU Forschung und Wissenschaft betreiben, das auch frei und ungezwungen tun können."
Als innovationsstarke Universität mit Vernetzung in die Wirtschaft gebe es aber Bereiche, wo der Austausch von Wissen mit bestimmten Stellen eingeschränkt werden müsse. Dafür wolle die Uni jetzt sensibilisieren und darauf achten, mit welchen Themen Stipendiaten künftig in Kontakt kommen. Erkannt hat man die Problematik offenbar schon länger, denn bereits 2021 hat die FAU eine eigene "Stelle für Ausfuhrkontrolle" geschaffen. Das Ende der CSC-Stipendien ist nur eine weitere Maßnahme.
Chinesische Gäste weiterhin willkommen
Generell ausschließen will die Uni Chinesinnen und Chinesen nicht. Es gehe allein um CSC-Studierende. Am Institut für Mustererkennung hätten sie den letzten CSC-Doktoranden vor mehr als zehn Jahren gehabt und damals tatsächlich keine guten Erfahrungen gemacht, sagte Informatikprofessor Andreas Maier. Das habe aber eher an der Arbeitsweise gelegen und nicht an handfesten Vorwürfen der Wirtschaftsspionage.
Statt auf Promovierende setzt das Institut jetzt lieber auf Masterstudierende aus China und anderen Ländern. Nach zwei Jahren Masterstudium hätten sich die Studierenden schon an die Mentalität und eigenverantwortlichere Arbeitsweise an der deutschen Uni gewöhnt, so Maier: "Nach zwei Jahren Zusammenarbeit können wir auch einschätzen, wie gut die Zusammenarbeit in Zukunft wird."
In Zukunft vielleicht wieder CSC-Studierende
Es spreche auch nichts dagegen, dass gute Kandidaten nach der Promotion in Deutschland bleiben, ist auch Uni-Präsident Hornegger überzeugt - die CSC-Studierenden sichern dagegen vertraglich zu, nach dem Studium wieder nach China zurückzukehren.
Nicht betroffen von der Sperre sind Studierende mit einem deutsch-chinesischen Kooperationsstipendium, sie dürfen auch weiterhin an die Uni Erlangen kommen. Und die rund 50 CSC-Studierenden, die bereits hier sind, werden nicht rausgeworfen, sichert Hornegger zu. Die meisten von ihnen seien sehr tüchtig und talentiert, aber aufgrund der aktuellen Entscheidung hätten sie Gesprächsbedarf angemeldet. Hornegger schließt auch nicht aus, dass künftig wieder CSC-Studierende kommen dürfen - wenn sie die strengere Prüfung durchlaufen haben.