Booster gegen Corona Dritte Impfung - wer soll, wer kann?
Steigende Corona-Fallzahlen heizen die Debatte um Auffrischungsimpfungen an. Was bringt die Booster-Dosis? Für wen ist ist sie sinnvoll? Und wo gibt es die? Antworten auf wichtige Fragen im Überblick.
Wie ist die Corona-Lage?
Die Infektionszahlen steigen wieder stark, die Zahl der Geimpften hingegen kaum noch. Die meisten der 400 Impfzentren sind seit September geschlossen, eine stringente Impfkampagne gibt es nicht - weder für Erst- oder Zweitimpfungen noch für Auffrischungsimpfungen. Zwar sind zwei Drittel der Bevölkerung inzwischen voll geimpft. Um die Pandemie eindämmen zu können, wäre laut RKI eine Impfrate von 85 bis 90 Prozent bei den über Zwölfjährigen nötig - ergänzt durch Auffrischungsimpfungen, um der nachlassenden Wirkung zu begegnen.
Auffrischungsimpfung nehmen aber viel weniger Menschen wahr, als es könnten. Bislang sind weniger als zwei Millionen Menschen zum dritten Mal geimpft. Das mag auch daran liegen, dass es in Sachen Booster-Impfungen eine unübersichtliche Vielstimmigkeit gibt, die zusätzlich verunsichert. Wer kann, wer soll, wer darf - eine klare Linie ist kaum auszumachen.
Warum eine dritte Impfung?
Mit der Zeit lässt der Impfschutz nach. Wie lange der Effekt anhält, hängt von vielen Faktoren ab, darunter Art der Impfung, Immunreaktion und Lebensalter. Daten aus Großbritannien und Israel zeigen, dass der Impfschutz bei Älteren stärker schwindet. Ferner hatte eine britische Studie ergeben, dass die Wahrscheinlichkeit, trotz Impfung zu erkranken, größer wird, je länger die Immunisierung zurückliegt.
In Israel legten Forschende eine Studie vor, der zufolge eine Auffrischungsimpfung gegen Covid-19 älteren Menschen einen deutlich höheren Schutz vor einer Ansteckung und schweren Erkrankung bietet. Gerade für Ältere sowie für Menschen aus anderen Risikogruppen sei eine Dritt-Impfung daher medizinisch sinnvoll, betont der Berliner Infektiologe Leif Erik Sander. Israel hatte Ende Juli als erstes Land weltweit Dritt-Impfungen gestartet, die Infektionszahlen sinken seit Anfang September deutlich.
Was heißt Auffrischung?
Bei einem sogenannten Booster (Verstärker) erhalten vollständig geimpfte Menschen eine weitere Dosis eines zugelassenen Impfstoffs gegen Covid-19. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt hier ein mRNA-Vakzin unabhängig davon, welcher Impfstoff zuvor gespritzt wurde. Im besten Fall ist es dasselbe, das bereits zur Grundimmunisierung verwendet wurde, also zum Beispiel Impfstoffe der Hersteller Pfizer/BioNTech und Moderna. Jeder Booster stärkt das Immunsystem generell nochmals gegen Sars-CoV-2.
Wer sollte sich boostern lassen?
Die STIKO hat die Auffrischungsimpfung Anfang Oktober generell für Menschen ab 70 Jahren, sowie für Bewohner und das Personal in Pflege- und Altenheimen empfohlen. Die Gesundheitsministerkonferenz empfiehlt das Boostern grundsätzlich ab 60 Jahren.
Rechtlich bindend ist jedoch die Impfverordnung des Bundesgesundheitsministeriums. Demnach hat grundsätzlich jeder Anspruch auf eine Auffrischungsimpfung, der mindestens zwölf Jahre alt ist und seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. Sie haben auch Anspruch auf eine Übernahme der anfallenden Kosten, schreibt das Gesundheitsministerium. Unter anderem für ältere Menschen und Heimbewohner wird sie besonders empfohlen, in der Regel sechs Monate nach der Grundimmunisierung. Auch Noch-Minister Spahn rief alle Menschen ab zwölf Jahren auf, sich ein drittes Mal impfen zu lassen.
Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder meint: "Die Booster-Impfungen brauchen wir nicht nur für die über 70-Jährigen, sondern für alle."
Eine ausdrückliche Empfehlung für alle gibt es bislang von der STIKO aber nicht. Auch auf Anfrage von tagesschau.de blieb die Kommission vage: "Ähnlich" wie bei Grippe-Impfungen sei es möglich, dass sich jeder unabhängig von der STIKO-Empfehlung ein drittes Mal gegen Covid-19 impfen zu lassen, so STIKO-Chef Thomas Mertens.
Wer kann sich boostern lassen?
Theoretisch alle Menschen ab zwölf Jahren. Impfstoff ist laut Spahn in Deutschland ausreichend vorhanden. Die geschäftsführende Kanzlerin sagte: Niemand sei daran gehindert, sich eine Auffrischungsimpfung geben zu lassen. "Auf jeden Fall müssen wir etwas tun, dass die dritte Impfung erfolgt", so Angela Merkel.
Zum boostern zum Hausarzt?
So einfach ist das nicht. Bislang bieten die Praxen keine flächendeckenden Drittimpfungen an. Ärztevertreter verweisen auf die STIKO. Wenn diese ihre Empfehlung ausweite, würden die Hausärzte auch diese Personengruppen impfen, kündigte Ärztepräsident Klaus Reinhardt am Wochenende im RND an. Auffrischungsimpfungen für alle hält er nicht für sinnvoll: Dafür gebe "es bisher keine ausreichende wissenschaftliche Evidenz." Kassenärzte-Chef Andreas Gassen warnte vor "blindem Aktionismus".
Auch der Hausärzteverband kritisierte Spahns Booster-Aufruf für alle. "Die Hausärzte folgen der Empfehlung der Ständigen Impfkommission, und diese empfiehlt aktuell Drittimpfungen nur für über 70-Jährige und wenige andere Gruppen", sagte Vorstandsmitglied Armin Beck dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Im Zweifel sollten Impfwillige bei ihrer Hausarztpraxis nach einem Termin anfragen. Die Kassenärztliche Vereinigung bat aber um ein wenig Geduld. Durch die aufkommende Infektwelle seien die Ärztinnen und Ärzte stark ausgelastet, sagte ein Sprecher. Die Praxen seien keine Impfzentren.
Hängt der Booster-Zeitpunkt auch vom Impfstoff ab?
Ja. So empfiehlt die STIKO allen Menschen, die den Impfstoff von Johnson & Johnson bekommen haben, ihren Schutz mit einer Dosis mRNA-Impfstoff zu verbessern - und zwar ab vier Wochen nach der Einmalimpfung. Als Grund nennt die STIKO die "vergleichsweise geringe Impfstoffwirksamkeit" des Präparats gegenüber der Delta-Variante. Personen, die ihre erste Impfserie mit dem Vektorimpstoff von AstraZeneca erhalten haben, wird sechs Monate nach der Grundimmunisierung eine Auffrischungsimpfung mit einem mRNA-Impfstoff angeboten. Ähnliches gilt für Menschen, die mit Moderna oder BioNTech geimpft wurden.
Gibt es eine Booster-Kampagne?
Bislang nicht. Auch gezielte schriftliche Einladungen an alle älteren Menschen werden nicht bundesweit verschickt. "Wir bräuchten jetzt sechs bis acht Wochen lang eine große Kampagne wie zu Beginn des Jahres, mit Impfzentren und mobilen Impfteams", forderte Impfstoffforscher Sander von der Berliner Charité. Ähnlich äußerte sich SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach auf Twitter.
Gesundheitsminister Spahn überraschte die Länder mit der Forderung nach Re-Aktivierung der Impfzentren. Viele Ärzte und Politiker lehnten dies als unpraktikabel und zu teuer ab. Das Thema dürfte auch die Gesundheitsministerkonferenz Ende der Woche zur Sprache kommen.