Gesundheitsminister Lauterbach "Keine Spielräume" für schnellere Lockerungen
Gesundheitsminister Lauterbach hat vor vorschnellen Lockerungen der Corona-Maßnahmen gewarnt. Es gebe sehr hohe Fallzahlen, "die wir vermutlich unterschätzen". Lauterbach will auch nach dem 20. März Kontaktbeschränkungen möglich machen.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat davor gewarnt, die Corona-Maßnahmen vorschnell zu lockern. Es gebe immer noch sehr hohe Zahlen an Neuinfektionen, "die wir vermutlich unterschätzen", sagte Lauterbach auf einer Pressekonferenz mit dem Präsidenten des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler. Zudem gebe es täglich 200 bis 300 Todesfälle im Zusammenhang mit dem Virus.
"Auf keinen Fall" noch mehr lockern
"Wir müssen vorsichtig sein, dass wir nicht glauben, die Pandemie sei vorbei", warnte Lauterbach. Er appellierte an die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten, "auf keinen Fall" über die verabredeten Lockerungen hinauszugehen, sonst würden Fallzahlen wieder steigen. "Für eine beschleunigte Öffnung haben wir überhaupt keine Spielräume", sagte der Gesundheitsminister.
Lauterbach wandte sich ausdrücklich dagegen, einen "Freedom Day" mit dem Wegfall aller Maßnahmen zu erwarten. Er gehe davon aus, dass sich das Virus von einem "'Freedom Day', den wir feiern würden, in keiner Weise beeindrucken lässt". Dies vermittelte also Sicherheit, die es aber nicht gebe. Der Minister bekräftigte, dass weite Öffnungen wie in anderen Staaten hierzulande wegen vieler Ungeimpfter bei den Über-60-Jährigen kein Vorbild seien. "Deutschland muss einen Sonderweg gehen, weil wir eine Sondersituation haben."
Wieler: Corona-Situation weiter "ernst nehmen"
Auch RKI-Präsident Wieler mahnt weiter zur Vorsicht: "Wir müssen die Situation weiterhin wirklich ernst nehmen", sagte er. Zwar gingen zuletzt die Fallzahlen stetig zurück, was eine gute Nachricht sei. Dennoch blieben sie auf sehr hohem Niveau, so der RKI-Chef. Zudem stiegen entgegen dem Trend in der Gruppe der älteren Menschen die Fallzahlen und auch die Hospitalisierungsiunzidenzen teils deutlich. "Auch bei den Todesfällen sehen wir zurzeit keinen Rückgang. Im Gegenteil: In den letzten beiden Wochen sind die Zahlen sogar wieder etwas angestiegen, auch wenn wir unter dem Niveau der Delta-Welle bleiben", so Wieler.
Der RKI-Chef unterstrich erneut den großen Nutzen von Impfungen und Auffrischungsimpfungen. "Wir sind auf einem guten Weg, aber wir müssen noch einige Wochen weiter aufeinander aufpassen und uns impfen lassen." Eine Impfung und Auffrischimpfung helfe auch stark gegen Long-Covid.
Novavax und "Booster" für Gefährdete
Mit Blick auf den in Deutschland neu verfügbaren Novavax-Impfstoff sagte Wieler: "Ich hoffe, dass dieser Impfstoff ein Anreiz für viele Unentschlossene ist, sich doch noch impfen zu lassen, und dass es gelingt, die Impfquote weiter zu steigern."
Der RKI-Chef wies darauf hin, dass die Ständige Impfkommission (STIKO) inzwischen für gefährdete Menschen eine zweite Auffrischungsimpfung empfehle - frühestens drei Monate nach der ersten "Booster"-Impfung und mit einem mRNA-Impfstoff. Auch für Mitarbeitende in medizinischen Einrichtungen und Pflegeheimen sei die zweite Auffrischungsimpfung frühestens sechs Monate nach der ersten empfohlen.
Neue Variante wohl ansteckender
Gesundheitsminister Lauterbach erklärte weiter, dass bei der aktuellen Welle der Scheitelpunkt erreicht sei. Die neue Subvariante von Omikron scheine zwar nicht schwerer zu verlaufen, sie könne allerdings ansteckender sein. In Deutschland mache sie derzeit etwa 16 bis 17 Prozent der Fälle aus, in großen Städten mehr. Wenn Deutschland nicht vorsichtig sei, könnten die Fallzahlen aber möglicherweise wieder steigen. Er rechne im Herbst mit neuen Pandemie-Wellen.
Nach einem Drei-Stufen-Plan von Bund und Ländern sollen die meisten tief gehenden Beschränkungen zum 20. März fallen. Die bundesweite Rechtsbasis für solche Maßnahmen läuft am 19. März aus - ein Basisschutz soll jedoch weiter möglich bleiben. Dafür wird eine neue bundesweite Rechtsgrundlage angestrebt. Lauterbach betonte, dafür müsse es ein "substanzhaltiges Gesetz" geben, er vertrete hierbei eine vorsichtige Position.
Auf neue Infektionen im Herbst vorbereiten
Lauterbach kündigte an, er werde den Abgeordneten "in Kürze" einen Entwurf präsentieren. Es müsse Möglichkeiten bieten zur Vorbereitung auf mögliche Rückfälle oder Infektionswellen im Herbst. Dazu gehörten klassische Schutzkonzepte mit Abstandsgeboten, Kontaktbeschränkungen und Hygienekonzepten sowie besondere Maßnahmen zum Schutz von Pflegeheimen und Krankenhäusern. Sein Vorschlag soll demnach auch die Möglichkeit umfassen, den Impf- oder Genesenenstatus feststellen zu lassen sowie besondere Regeln für Infektions-Hotspots zu verhängen.
Impfziel erst Anfang April
Unterdessen wird deutlich, dass das von der Bundesregierung für Ende Januar angepeilte Ziel von 30 Millionen weiteren Corona-Impfungen wohl erst Anfang April erreicht wird. Dies sagte der Leiter des Corona-Krisenstabes, Generalmajor Carsten Breuer, der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". "Wenn der Impffortschritt so weiter geht wie derzeit, dann käme man hochgerechnet auf Anfang April, bis die nächsten 30 Millionen Impfungen geschafft sind." Das Ziel von weiteren 30 Millionen Impfungen war zu Weihnachten formuliert worden.
Vor Weihnachten seien an einem Tag mit etwa 1,6 Millionen noch viel mehr Menschen als jetzt geimpft worden, so Breuer. "Wenn wir diesen Schwung hätten aufrechterhalten könnten, hätte man das Ziel Ende Januar erreichen können", sagte er. Die impfskeptischen Bevölkerungsgruppen will der Krisenstab mit einer möglichst einheitlichen Informationskampagne erreichen.
Den Grundschutz gegen Corona mit der dafür meist nötigen zweiten Spritze haben den Daten des Gesundheitsministeriums zufolge nun 62,7 Millionen Menschen oder 75,3 Prozent aller Einwohner. Eine zusätzliche Auffrischungsimpfung haben demnach mindestens 47,2 Millionen Geimpfte oder 56,7 Prozent der Bevölkerung erhalten.