Wachsendes Problem Einsamkeit "die größte Volkskrankheit"
Immer mehr Menschen in Deutschland fühlen sich einsam - gerade zu Weihnachten. Das betreffe nicht nur Ältere, sagt Patientenschützer Brysch. Bei der Telefonseelsorge drehte sich jeder vierte Anruf um das Gefühl des Alleinseins.
Die größte Volkskrankheit in Deutschland ist nach Einschätzung der Stiftung Patientenschutz im Moment Einsamkeit. Davon seien nicht nur hochbetagte Menschen betroffen, sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch.
Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren berichteten auch immer mehr 60- bis 70-Jährige, dass sie sich einsam fühlen, so Brysch. Es greife allerdings zu kurz, wenn Bundesfamilienministerin Lisa Paus an Betroffene appelliere, sich aus eigenem Antrieb Hilfe zu suchen und Angebote wie die Telefonseelsorge zu nutzen.
"Etwas gegen die wachsende Einsamkeit in der Gesellschaft zu tun, kann auch nicht nur institutionellen Anbietern überlassen bleiben", sagte Brysch der Nachrichtenagentur dpa. "Viel wichtiger ist es, dass sich jeder von uns für dieses Volksleiden sensibilisiert."
Jeder vierte Anruf bei der Telefonseelsorge
Es komme darauf an, persönlich Verantwortung zu übernehmen und "Mut zur Ansprache" zu fassen. Weihnachten biete eine besonders gute Möglichkeit, den alleinstehenden Menschen von nebenan eine Geste des Miteinanders zu schenken. Das könne ein Gruß oder ein kurzes Gespräch sein. "Drücken wir den Klingelknopf. Das kann der Schlüssel zu einer Verbindung von Mensch zu Mensch sein", sagte Brysch.
Bei der Telefonseelsorge dreht sich in diesem Jahr gut jeder vierte Anruf um das Thema Einsamkeit, sagte der Vorsitzende der bundesweiten Telefonseelsorge-Arbeitsgruppe Statistik, Ludger Storch, der Nachrichtenagentur dpa. Einsamkeit sei besonders seit dem Beginn der Corona-Pandemie ein immer wieder genanntes Problem, das alle Altersgruppen betreffe.
"Viele Anrufer berichten uns nun, dass sie Schwierigkeiten hätten, mit anderen Menschen wieder in Kontakt zu kommen", so Storch. Demnach seien lockere Beziehungen im Laufe der Corona-Zeit weggebrochen.
Paus: Weihnachten besonders schmerzlich
2022 hätten insgesamt rund 1,2 Millionen Menschen bei der Telefonseelsorge angerufen. Das seien etwa so viele wie im Vorjahr, sagte Stroch. Die rund 7700 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beantworteten zudem rund 43.000 Mails und 37.000 Chats.
Familienministerin Paus hatte Menschen, die an Weihnachten einsam sind, dazu aufgerufen, keine Scheu zu haben, sich an die Hilfsangebote zu wenden. "Für die meisten Menschen ist das Schöne an Weihnachten die Gemeinschaft und das Miteinander im Kreis der Familie. Wenn man diese Zugehörigkeit und Mitmenschlichkeit nicht erleben kann, können diese Tage besonders schmerzlich sein", sagte die Grünen-Politikerin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Dann stünden die Telefonseelsorge und Vor-Ort-Einrichtungen zur Verfügung.