Tannheim Schwarzwälder Dorfgemeinschaft rettet Freibad
In Deutschland schließen jährlich rund 80 Bäder. Auch das Tannheimer Freibad stand vor dem Aus, weil Geld fehlte. Doch die Dorfbevölkerung wehrte sich und betreibt es seitdem ehrenamtlich.
Ein sonniger Tag im Freibad von Tannheim beginnt. Doch statt zur Badehose greift Rolf Keller zur Schaufel. Der pensionierte Maurer baut mit rund 20 Helfern jeden Alters gerade ein neues Baby-Planschbecken. "Alles Eigenleistung", sagt er stolz, während er den frisch betonierten Beckenrand glatt streicht. So haben sie zuletzt auch das große Becken mit neuer Folie saniert und eine neue Filtereinlage eingebaut.
Handwerker gibt es genügend in dem kleinen Teilort der Schwarzwaldstadt Villingen-Schwenningen und Spenden auftreiben können sie hier auch. Von der Hebamme bis zum Zimmermann, vom Teenager bis zur Rentnerin: Die Bewohner leisten in ihrem Höhenbad im äußersten Südwesten Deutschlands jährlich tausende Stunden ehrenamtlich.
Kiosk als Einnahmequelle
"So, der Kuchen ist da", ruft Nadine vor dem Berge und stellt einen Beeren-Streusel-Kuchen auf die Kiosk-Theke. Im Hauptberuf ist sie Grundschulrektorin, aber im Sommer backt sie jeden Tag einen Kuchen und spendet ihn dem Kioskteam. Brot und Würste kommen zum Einkaufspreis von örtlichen Betrieben. An schönen Tagen sitzen hier rund 200 Gäste und essen Currywurst und Pizza.
Wer hier einkehrt, hilft dem Bad, denn die Einnahmen aus dem Kiosk sind die Haupteinnahmequelle. So ist der Kiosk zu dem Treffpunkt in Tannheim geworden.
Förderverein in Turbogeschwindigkeit
Vor 20 Jahren stand das Bad vor dem Aus: Die Stadt Villingen-Schwenningen beschloss 2004, zwei der drei Freibäder zu schließen, darunter auch das im Ortsteil Tannheim. Die Kosten liefen für die Kreisstadt schlicht aus dem Ruder.
Da sei ein "Ruck durch Tannheim" gegangen, erinnert sich Karl-Heinz Bartsch, damals neu zugezogener Lehrer. Innerhalb von 48 Stunden war ein Förderverein gegründet. Dutzende Bürger ließen sich zur Bade-Aufsicht ausbilden. Für die symbolische Summe von einem Euro kaufte die Teilgemeinde der Stadt das Freibad ab.
Knapp 300 Mitglieder hat der Förderverein inzwischen, etwa 70 helfen aktiv mit, niemand bekommt Geld für seine Arbeit. Vom Kloputzen bis zum Eintrittsgelderzählen, jede Tätigkeit geschieht ehrenamtlich. Geöffnet wird nur an Sonnentagen, die Organisation läuft über eine WhatsApp-Gruppe. Im Freibad gibt es einen "Rasen-Beauftragten" und einen "Homepage-Gestalter". Und wenn mal was kaputt ist, rückt das Bau-Team an.
Hinter den Umkleidekabinen aus dem Jahr 1957 haben sie eine kleine Werkstatt eingerichtet. "Aus Respekt vor der Generation, die das Bad damals eigenhändig ausgehoben hat", erklärt Rolf Keller.
"Jedes Kind soll schwimmen lernen!"
Beate Riesterer leitet ihre kleine Schwimmgruppe freundlich, aber bestimmt. "Schön schwimmen, langsam!" Sie ist Rettungsschwimmerin und findet, "jedes Kind soll schwimmen lernen." Außerdem bildet Riesterer die freiwilligen Bade-Aufsichten aus und gibt jedes Jahr einen Auffrischungskurs im Rettungsschwimmen. In ihrem Bademeister-Team sind ein Fernsehtechniker in Rente, eine Physiotherapeutin und eine Hebamme.
Laut Deutscher Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) schließen in Deutschland etwa 80 Bäder jährlich. Auch im Schwarzwald gibt es ein Bädersterben. Der Unterhalt ist teuer, oft fehlt es an Personal.
Team-Geist rettet Herz des Dorfes
Was also läuft in Tannheim anders? "Da war so eine Jetzt-erst-recht-Dynamik", erinnert sich Karl-Heinz Bartsch, Fördervereinsmitglied der ersten Stunde. Als Tannheim in den 70er Jahren eingemeindet wurde, sei der Erhalt des Freibads Teil der Vereinbarung gewesen. "Wir schaffen das", den Satz hätten eigentlich sie erfunden, sagt der ehemalige Lehrer.
Das Tannheimer Freibad lebt - und schreibt durch viel Engagement schwarze Zahlen.
Hätte die Stadt das Freibad damals wirklich geschlossen, wäre mit ihm das Herz des Dorfes verschwunden. "Wir haben hier weder Ampel noch Zebrastreifen - dafür haben wir ein Freibad!" Der Erfolg gibt den sturen Tannheimer recht: "Wir schreiben schwarze Zahlen." Vermutlich als einziges Bad Deutschlands können sie Rücklagen bilden. Die Stadt bezuschusst das Bad inzwischen mit 35.000 Euro jährlich.
Viel entscheidender ist für die Tannheimern aber, so Bartsch, der Zusammenhalt: "Das Freibad hat uns zusammengeschweißt, der Teamspirit hier ist gewaltig."