Corona-Pandemie Wer zahlt bei möglichen Impfschäden?
Die Impfungen mit AstraZeneca gehen weiter. Der Nutzen sei weit größer als die Risiken, so die Behörden. Doch wer würde zahlen, wenn im Einzelfall doch etwas passieren sollte?
"Muss der Staat eigentlich zahlen, wenn etwas passiert? Oder wer sonst?" Diese Frage dürfte in den Berliner Ministerien zumindest ein Grund für den zwischenzeitlichen Stopp von AstraZeneca-Impfungen gewesen sein. Jetzt geht es weiter. Der Impfstoff war und ist weiter zugelassen. Europäische und deutsche Behörden betonen, dass der Nutzen das Risiko weit überwiege. Der Beipackzettel wird ergänzt. Aber wer würde einen möglichen Schaden ersetzen, wenn ausnahmsweise doch etwas passiert?
Die Antwort in Kurzform: Wenn von den Ärzten und im Beipackzettel des Herstellers richtig über die jetzt bekannten Risiken aufgeklärt wird, und der Patient auf dieser Basis seine Einwilligung erklärt, fallen viele Ansprüche der Geimpften wohl weg. Aber: Trotz Einwilligung bleiben die Geimpften nicht völlig schutzlos, denn sie können bei einem Impfschaden einen Versorgungsanspruch gegen den Staat haben. Wichtig ist, dass man bei dieser Frage unterschiedliche Ansprüche auseinanderhält.
Ärzte haften nur bei Fehlern
Direkte Kontaktperson beim Impfen ist der Arzt im Impfzentrum; oder später einmal die Hausärztin oder der Hausarzt. Wenn Ärzte schuldhaft etwas falsch gemacht haben, haften sie für einen möglichen Schaden (beziehungsweise am Ende möglicherweise der Staat, wenn es um ein staatliches Impfzentrum geht). Hier kommen die wichtigen Begriffe "Aufklärung" und "Einwilligung" ins Spiel. Wenn über die bekannten Nebenwirkungen und möglichen Schäden richtig aufgeklärt wurde und der Patient einwilligt, dann entfällt die Haftung des Arztes.
Aufklärung und Einwilligung waren schon vor dem Impfstopp bei allen Geimpften und allen Impfstoffen notwendig. Das gilt auch weiterhin. Neu ist seit diesem Freitag, dass die Aufklärung durch den Arzt - und die Einwilligung des Patienten - die neuen Risiken zur Thrombose umfassen muss.
Staat entlastet Hersteller
Zweiter Ansprechpartner nach einem Schaden kann der Hersteller des Impfstoffes sein, also beispielsweise AstraZeneca. Dazu vorweg: Immer wieder liest man, die EU und AstraZeneca hätten eine Haftung des Herstellers im Vertrag ausgeschlossen. Das trifft es nicht richtig. Im Vertrag ist sinngemäß geregelt: Wenn der Hersteller für einen Schaden aufkommen muss, dann übernimmt der jeweilige Mitgliedsstaat diesen Schaden.
Diese Regelung schließt also nicht per Vertrag Ansprüche des Geimpften aus. Er kann auch weiter gegen den Hersteller klagen. Im Erfolgsfall würde am Ende aber der Staat die Kosten des Herstellers übernehmen und ihn damit freistellen. Allerdings: Die Hürden für einen Erfolg im konkreten Fall wären sehr hoch.
Hohe Hürden für Herstellerhaftung
Nach § 84 Arzneimittelgesetz (AMG) ist der Hersteller zum Schadensersatz verpflichtet, wenn das Arzneimittel (oder eben der Impfstoff) bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hat, die "über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen." Allein nach diesem könnte man sagen, dass teilweise tödlich verlaufene Thrombosen über ein "vertretbares Maß" hinaus gehen.
Aber: In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass bekannte Nebenwirkungen vertretbar sind, wenn das Arzneimittel zugelassen ist. "Deshalb sind Verletzungen nicht ersatzfähig, die nach der Nutzen-Risiko-Bewertung als sozialadäquat eingeordnet werden, weil und soweit sie beim Gebrauch von Arzneimitteln vom Verkehr hingenommen werden", hat zum Beispiel das Oberlandesgericht Karlsruhe entschieden.
Beipackzettel wichtig
"Dafür gibt es den Beipackzettel beziehungsweise die ärztliche Aufklärung. Die Nebenwirkung ist vertretbar, weil es in Kenntnis der möglichen Risiken eine Entscheidung des mündigen Patienten gab", sagt dazu Thomas Klindt, Rechtsanwalt bei der Kanzlei Noerr in München und Fachmann für Produkthaftungsrecht. Das heißt: Wenn man die neu bekannt gewordenen Nebenwirkungen in Aufklärung und Beipackzettel aufgenommen hat, ist für die Haftung des Herstellers wohl kein Raum mehr.
Wenn aber Nebenwirkungen auftreten, die noch nicht bekannt sind, kann man den Hersteller verklagen. Und müsste dann nachweisen, dass man durch die Impfung geschädigt wurde. Ein kompletter Verzicht auf die Herstellerhaftung ist übrigens gesetzlich verboten (§ 92 AMG). Aussagen wie: "Ich will den Impfstoff und verzichte auf sämtliche Ansprüche", sind so also nicht möglich.
Anspruch gegen den Staat nach "Impfschaden"
Bei bekannten Risiken, richtiger Aufklärung und Einwilligung gibt es also auch bei gravierenden Schäden keinen Anspruch gegen Arzt oder Hersteller. Wichtig ist an dieser Stelle jedoch: Geimpfte Personen sind nach einem "Impfschaden" trotzdem nicht schutzlos. Denn sie können einen Anspruch direkt gegen den Staat haben (§ 60 Infektionsschutzgesetz). Der Staat zahlt dann Heil- und Krankenbehandlungen und womöglich auch eine Rente. Das nennt man auch einen "Aufopferungsanspruch".
Der Gedanke dahinter: Die Menschen impfen sich nicht allein zum eigenen Schutz, sondern auch im Interesse des Staates zum Schutze anderer. Deshalb sollen sie versorgt sein, wenn ihnen dabei etwas passiert.
Impfung muss empfohlen werden
Voraussetzung ist, dass die Impfung von einer zuständigen Landesbehörde empfohlen wird. Das ist bei AstraZeneca jetzt wieder der Fall. "Impfschaden" heißt, dass die Folgen über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehen. Normale Impfreaktionen wie Ausschläge, Fieber, Kopfschmerzen gehören nicht dazu.
Ob ein "Impfschaden" vorliegt, muss dann in jedem Einzelfall geklärt werden. Auch bei den Personen, die bereits mit heftigen Nebenwirkungen zu kämpfen hatten. Bei dem Versorgungsanspruch gegen den Staat spielt aber keine Rolle, ob die Nebenwirkung vorher bekannt war. Auch nach einer korrekten Aufklärung und Einwilligung verliert man den Anspruch nicht.