Propaganda Wie Influencer türkischen Nationalismus verbreiten
Deutsche Influencer mit Türkeibezug verbreiten nationalistische Inhalte auf Instagram und TikTok. Dabei richten sie sich an eine junge Zielgruppe - und verharmlosen die rechtsextremen Grauen Wölfe.
Es ist der 28. Mai 2023, Frühsommer. An diesem Sonntagabend sind tausende Menschen auf den Straßen in Berlin, Essen, Köln, Stuttgart und Hamburg unterwegs. Sie feiern die Wiederwahl des türkischen Staatschefs Recep Tayyip Erdogan. Unter den Wahlberechtigten in Deutschland stimmten mehr als zwei Drittel für Erdogan und seine rechtspopulistische Partei AKP.
Der Erfolg des Staatschefs wird auch durch Influencer auf TikTok und Instagram gefeiert. Wochen vor der Wahl bereiten sie ihre Follower auf den Wahlkampf vor, machen Stimmung für Erdogan und seine Positionen. Die Inhalte sind meist deutschsprachig und sollen junge Deutsche mit Türkeibezug zwischen 18 und 30 Jahren erreichen. Das Gefährliche: Immer wieder finden sich zwischen vermeintlichen Informationsvideos Desinformation, rechte Propaganda oder rechtsextreme Symbolik.
Einige Influencer verleugnen die Unterdrückung von Minderheiten in der Türkei. Sie verbreiten Propaganda oder lassen Kritiker Erdogans unter ihren Posts markieren. Dem ARD-Medienmagazin ZAPP ist es gelungen, mit einigen der Influencer zu sprechen. Kurdenfeindlichkeit oder eine Feindlichkeit gegenüber Aleviten gebe es nicht, sagt etwa der Influencer Yunus im Interview.
Verharmlosung der Grauen Wölfe
Als Vorreiter türkischer Politfluencer gilt Bilgili Üretmen. Er ist bekannt durch YouTube und TikTok und sieht sich als Sprachrohr der türkischen Community. Der deutschsprachige Blogger füllt eine Lücke: Deutschtürken fühlen sich medial oft nicht ausreichend repräsentiert. Und seiner AKP-nahen Community ist die Berichterstattung deutschsprachiger Medien zu einseitig.
Üretmen präsentiert sich auf Fotos auch mal stolz mit dem Wolfsgruß, dem Symbol der rechtsextremen Grauen Wölfe.
Die Grauen Wölfe sind eine rechtsextreme Organisation. Laut Verfassungsschutz gibt es etwa 12.000 Anhänger der faschistischen Ülkücü-Bewegung. Sie sehen die türkische Nation als ethnisch-kulturell überlegen an und träumen von einem großtürkischen Reich Turan. Als Symbole verwenden sie drei Halbmonde. Ihr Feindbild: Armenier, Oppositionelle, Kurden, Aleviten, linke Türken.
Anfällig für türkischen Nationalismus
Der Politikwissenschaftler Ismail Küpeli forscht zu Türkei-Propaganda in den sozialen Medien. Den Influencern gehe es darum, rechte Sichtweisen unter Deutschtürken populär zu machen, sagt der Extremismusforscher. Küpeli beobachtet einen Anstieg deutschsprachiger Propaganda mit Türkei-Bezug in den sozialen Medien: "Deutschtürken haben den Eindruck, dass sie in den klassischen Medien nicht vorkommen. Jedenfalls nicht als Person mit einer eigenen Stimme. Und bei den Influencern erhalten sie eine vermeintlich authentische Stimme aus der Community selbst."
Viele junge Menschen mit Türkei-Bezug seien anfällig für rechten Content, weil die deutsche Politik sie sich immer wieder fremd fühlen lasse. Auch unter AKP-Wählern beobachtet Küpeli eine größere Bereitschaft für die Positionen der Ülkücü-Bewegung: "Wir sprechen da von Rassismus, von Nationalismus, von Queerfeindlichkeit und anderen Ideologien, die antidemokratisch sind."
Morddrohungen aus dem Umfeld der Grauen Wölfe
Viele Kritiker Erdogans stehen auch in Deutschland im Fadenkreuz. Gökay Akbulut, ist Bundestagsabgeordnete der Partei Die Linke und bekommt selbst immer wieder Morddrohungen über soziale Medien, wie sie berichtet. Sie erhalte Drohungen wie diese: "Ich habe Sie auf dem Marktplatz gesehen. Sie waren alleine unterwegs. Sie sollten aufpassen. Wir werden dich abknallen. Glaub nicht, dass du sicher bist in Deutschland."
Die Linken-Politikerin fordert ein Verbot der Grauen Wölfe in Deutschland. Das zuständige Innenministerium möchte sich auf ZAPP-Anfrage dazu nicht äußern.
Frankreich hat die rechtsextreme Bewegung 2020 verboten. In Österreich ist nur das Zeigen des Wolfsgrußes strafbar.
Verharmlosung der Grauen Wölfe
Influencer Üretmen, der sich mit dem Wolfsgruß präsentiert und dessen Inhalte für junge Menschen öffentlich zugänglich sind, sieht sich selbst offenbar nicht in der Verantwortung, sich von den Grauen Wölfen abzugrenzen: "Ihr seid diejenigen, die das Ganze mit Rechtsradikalismus in Verbindung bringen. Ich finde es ganz gut, wenn sich Kinder oder Jugendliche mit türkischem Background ihrer Kultur bewusst sind, weil sie nie als Deutsche anerkannt werden."
Der deutsche Politfluencer verharmlost so die rechtsextremen Grauen Wölfe. Für junge Deutsche mit Türkeibezug, die sich von deutscher Politik ausgegrenzt und medial übersehen fühlen, gibt es ein Radikalisierungspotenzial. Bei Influencern können sie Zuflucht finden.