Lauterbachs Krankenhausreform Warum Länder mit den Klinikplänen hadern
Bundesgesundheitsminister Lauterbach will die Finanzierung der Krankenhäuser reformieren. Die Länder, vor allem Bayern, haben nun Sorge vor Zentralisierung. Vieles hätten sie aber selbst in der Hand.
"Die Hütte brennt lichterloh." Wenn Tamara Bischof, die Vorsitzende der Bayerischen Krankenhausgesellschaft (BKG), über die Kliniken in Bayern spricht, tut sie alles, um den Ernst der Lage klarzumachen. Nach einer Studie der Unternehmensberatung Roland Berger werden von den Kliniken in öffentlicher Trägerschaft dieses Jahr 90 Prozent Verlust machen. Viele Kommunen und andere Träger halten ihre Kliniken schon seit Jahren mit Zuschüssen in Millionenhöhe über Wasser.
Lauterbachs Fallpauschalen-Reform
Der Grund für die Finanzprobleme liegt nach Ansicht von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf der Hand: die Finanzierung der Behandlung mittels Fallpauschalen. Nun will Lauterbach auf Grundlage der Ergebnisse einer Kommission den Fallpauschalen-Anteil auf bis zu 40 Prozent absenken. Rund 60 Prozent sollen als sogenannte Vorhaltekosten dafür fließen, dass Kliniken an sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr verfügbar sind.
Gleichzeitig soll es mehr spezialisierte Gesundheitszentren geben - ergänzt von Kliniken in der Region, die nur noch die Notfallversorgung abdecken. Die Hoffnung: So sollen Personal und Geld eingespart werden. Beschlossen ist all das noch nicht - Anfang 2023 will Lauterbachs Ministerium ein entsprechendes Gesetz erarbeiten.
Länder befürchten "Zentralismus"
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) begrüßt die teilweise Rücknahme der Fallpauschalen. Gleichzeitig befürchtet er einen "Zentralismus", viele Klinikschließungen und als Folge: weitere Wege für Patienten, Angehörige und Rettungswagen. Er habe den Eindruck, es solle "ein Strukturwandel erzwungen" werden. Bayern wolle diesen aber selbst gestalten, so Holetschek.
Tatsächlich enthält das Kommissionspapier vom Bund "Strukturkomponenten", wie es der Münchner Gesundheitsökonom Andreas Beivers formuliert. Gleichwohl verbleibe die Krankenhausplanung weiter bei den Ländern, da müsse man nun "noch abwarten, wie die bayerischen Vorstellungen und das Vergütungssystem zusammenpassen und versuchen den Spagat zwischen städtischen und ländlichen Regionen hinzubekommen".
Droht eine "kalte Bereinigung"?
Ruth Waldmann, SPD-Gesundheitsexpertin im Bayerischen Landtag und damit Parteifreundin des Bundesgesundheitsministers, bestreitet, dass den Ländern die Hoheit bei der Krankenhausplanung genommen wird. Sie fordert, dass die Staatsregierung ihrer eigentlichen Aufgabe überhaupt erst einmal nachkommt. "Es gibt keine richtige Krankenhausplanung in Bayern, man lässt es laufen, man gibt mal hier, mal da mit der Gießkanne einen Zuschuss."
Das allerdings reiche hinten und vorne nicht, so Waldmann: "Es gibt viele Krankenhäuser, die nicht mehr können, die es wirtschaftlich nicht mehr stemmen. Das ist eine kalte Bereinigung der Versorgungslandschaft, die wir nicht wollen. Was wir brauchen, ist eine vernünftige Versorgungsplanung für die Menschen in Bayern."
Wirtschaftlicher Druck und Personalmangel
Nachfrage im nordbayerischen Landkreis Main-Spessart: Hier wurde aus drei defizitären Kliniken ein Krankenhaus. Den so genannten "Masterplan 2025" steuert Klinikreferent René Alfons Bostelaar. In Marktheidenfeld und Karlstadt mussten die kommunalen Krankenhäuser schließen. Weiterbetrieben wird nur die Klinik in Lohr am Main - demnächst soll Spatenstich sein für einen Neubau auf der grünen Wiese.
Flankiert wird der von ambulanten Gesundheitszentren in der Region. "Aus heutiger Sicht hat sich das als richtig herausgestellt", sagt Bostelaar mit Blick auf den zunehmenden wirtschaftlichen Druck und die angespannte Personalsituation.
Im Landkreis Main-Spessart hat man selbst angefangen, die Krankenhausplanung zu übernehmen. Eigentlich aber müsste den Prozess die Staatsregierung steuern, sagt Bostelaar: "München muss planen. Ob die Staatsregierung dieser Aufgabe bislang gerecht geworden ist? Nein!"
Zur Wahrheit gehört aber auch: Die Schließung der Kliniken im Landkreis Main-Spessart wurde von lauten Protesten und großer Sorge vor allem älterer Menschen begleitet. Wie die Bevölkerung tickt, zeigte auch ein Bürgerentscheid kürzlich im südbayerischen Landkreis Weilheim-Schongau: Hier sollte aus zwei Krankenhäusern ein moderner Neubau werden. Die Menschen lehnten das per Bürgervotum ab.
"Wie wollen wir die Versorgung haben?"
Wohnortnahe Krankenhäuser sind ein Politikum. Davon kann die Wiederwahl von Landrätinnen und Landräten abhängen. Deshalb traue sich die Politik da nicht so recht ran, sagt Gesundheitsökonom Beivers.
Seiner Ansicht nach müssen die Menschen besser informiert werden, wie sich die Medizin weiterentwickelt - und welche Folgen das für die medizinische Versorgung habe. Viele medizinische Leistungen könnten inzwischen ambulant erbracht werden. Die "teure Krankenhausstruktur" sei dafür nicht mehr in dem Maße nötig, ist Beivers überzeugt.
Von der Bayerischen Staatsregierung und den Landkreisen fordert der Volkswirt "eine Zielbilddiskussion". Man wolle schließlich keinen kalten Strukturwandel. "Wir müssen uns auf Landesebene zusammensetzen, uns anschauen, wie wollen wir die Versorgung haben und dann die Strukturen anpassen".
Investitionskosten für Krankenhäuser: Ländersache
Grundsätzlich erfolgt die Krankenhausfinanzierung in Deutschland nach dem Prinzip der "dualen Finanzierung": Die Betriebskosten der Krankenhäuser, also Personal und Behandlungskosten, übernehmen die Krankenkassen. Die Investitionskosten hingegen zahlen die Bundesländer aus ihrem Gesundheitsetat - sie geben also Geld für Neubauten, Renovierungen, Geräte.
Demzufolge, so die Schlussfolgerung der Vereinigung der Ersatzkassen in Deutschland (vdek) "entscheiden auch die Länder, wo ein Krankenhaus gebaut, erweitert oder geschlossen wird." Die Länder decken diese Summe allerdings seit Jahren nur zur Hälfte ab, kritisiert etwa die Deutsche Krankenhausgesellschaft. Bayern müsste den Berechnungen zufolge rund eine Milliarde Euro bereitstellen.
Bayern: Etat für Krankenhäuser stagniert
Im Haushaltsentwurf des bayerischen Kabinetts stehen fürs kommende Jahr 643 Millionen Euro Investitionskosten für die Kliniken. Das entspricht in etwa dem Vorjahresniveau. Und das ärgert SPD-Gesundheitsexpertin Waldmann: Denn weder sei massive Inflation berücksichtigt, noch die Notlage der Kliniken. Sie bräuchten mehr Geld, um entweder neu zu bauen, energetisch zu sanieren oder womöglich auch in bezahlbare Wohnungen für die raren Pflegekräfte zu investieren.
Mehr Geld sei immer gut, sagt Gesundheitsminister Holetschek auf Anfrage von tagesschau.de. Das Problem aber seien aktuell die Betriebs- nicht die Investitionskosten. Und mit Blick auf die zahlreichen Forderungen nach einer zentralen Planung aus München heraus, betont der CSU-Politiker: Er werde jetzt nicht auf einzelne Regionen zeigen und festlegen, welche Krankenhäuser man brauche und welche nicht. Vielmehr wolle er "mit den Menschen vor Ort passgenaue Lösungen" finden.