Spargelernte Kaltstart für das Frühjahrsgemüse
Die Spargelernte ist in vollem Gange. Wegen des nassen, kalten Frühjahrs ging es zunächst nur schleppend los. Doch nicht nur das Wetter macht Spargelbauern zu schaffen.
"Guten Morgen!" ruft Lisa Kraft aus ihrem Wagen einem polnischen Erntehelfer zu, der auch schon unterwegs ist. Die Landwirtin aus Naunheim ist früh am Morgen auf dem Weg zu ihren Ackerflächen. "Wenn es früh im Jahr trocken und warm ist, beginnen wir mit der Spargelernte Ende März. Normal ist der Start Anfang April", erklärt die 34-Jährige. In diesem Jahr aber fiel die Ernte der weißen Stangen im April ins Wasser. "Wir konnten erst spät beginnen, weil es dauernd zu nass war. Und es war auch viel zu kalt für Spargel. Deshalb konnten wir erst vor zehn Tagen so richtig loslegen." Hof und Ackerflächen umfassen rund 200 Hektar. Neben Spargel werden hier noch Getreide, Raps und Zuckerrüben angebaut.
Der verregnete Frühling setzte den Familienbetrieb unter Druck, denn viele Stammkunden wollten nicht bis Anfang Mai auf Spargel warten. Besonders an Ostern war die Nachfrage groß - wie jedes Jahr. Die Spargelbäuerin aus dem Norden von Rheinland-Pfalz musste bei der Konkurrenz in der südlichen Pfalz einkaufen. Dort war es ein paar Grad wärmer. Zudem sind dort die Böden sandiger und trocknen schneller - ideale Bedingungen für das Frühjahrsgemüse. "Die Gastronomie wollte zu Ostern Spargel haben. Wir möchten unsere Kunden nicht verlieren. Deshalb sind wir mit zugekauftem Spargel gestartet."
Mittlerweile läuft die Spargelernte bei Lisa Kraft auf Hochtouren.
Unterschiedlicher Mindestlohn
Auf den Spargelfeldern von Lisa Kraft blitzen jetzt die Spitzen. Nun muss die Ernte schnell gehen. Wie jedes Jahr kommt eine Gruppe von Saisonarbeitern aus Polen für die Ernte. Der Mindestlohn ist hierzulande auf zwölf Euro gestiegen. Im Ausland dagegen müssen Arbeitgeber deutlich weniger zahlen: In Spanien sind es derzeit 6,55 Euro, in Griechenland 4,12 Euro. In Italien gibt es gar keine Lohnuntergrenze. Vor allem aus diesen Ländern wird das Königsgemüse nach Deutschland importiert.
"Die Arbeit auf dem Feld ist hart und meine Kollegen hier verdienen auch die zwölf Euro", stellt Lisa Kraft klar. "Aber am Ende können wir in diesem Preis-Wettbewerb auf Dauer kaum mithalten. Wir brauchen einen einheitlichen Mindestlohn innerhalb der EU. Das wären dann faire Marktchancen für alle - auch für uns Landwirte." Noch sei die Kundschaft bereit, den Mehrpreis zu bezahlen. Aber wie lange noch?", fragt die Bäuerin und zuckt mit den Schultern. "Ich mache mir schon grundsätzlich Sorgen - nicht nur um den Spargel-, sondern auch um den Obst- und Gemüsebau. Dabei produzieren wir gerade hier in Deutschland nach den höchsten Standards."
Der Preisdruck hat auch schon Konsequenzen auf dem Hof gehabt: Wegen der steigenden Arbeitskosten musste Lisa Kraft ihre Spargelfläche um 20 Prozent reduzieren. Stattdessen wächst jetzt auf den Flächen Getreide. Das ist nicht so arbeitsintensiv und damit noch konkurrenzfähig.
Sinkende Spargelproduktion in Deutschland
Der Hof in Naunheim ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Das zeigen Zahlen des Deutschen Bauernverbands. Danach ist der Spargelanbau in Deutschland in den vergangenen fünf Jahren rückläufig. Die Menge an geerntetem Spargel sank zuletzt um 17 Prozent - auf 110.000 Tonnen. Auch die Anbaufläche ist im gleichen Zeitraum geschrumpft. Aus dem Ausland wurden zuletzt knapp 20.000 Tonnen des Stangengemüses importiert. Wichtigstes Herkunftsland waren Spanien, gefolgt von Griechenland und Italien.
Der Anteil deutschen Spargels am Markt hierzulande liegt noch bei über 80 Prozent. Das freut Bauernpräsident Joachim Rukwied. "Die Spargelliebhaber bevorzugen vor allem heimische und regionale Ware." Deshalb ist er dafür, die Herkunft auch bei anderem Obst- und Gemüsearten und bei verarbeiteten Produkten auf der Verpackung zu kennzeichnen.
Sorgen macht auch Rukwied der unterschiedliche Mindestlohn in der EU. "Die Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro pro Stunde ist zu einer sehr großen Herausforderung für die deutschen Bauern geworden. Unter diesen ungleichen Wettbewerbsbedingungen können die hiesigen Erzeuger nicht mithalten. Wenn wir den Standort Deutschland halten wollen, brauchen wir eine Angleichung des Mindestlohns auf europäischer Ebene. Geschieht das nicht, wird die Erzeugung von arbeitsintensiven Kulturen aus Deutschland nach und nach abwandern."
Stabile Preise im Hofladen
Auf dem Bauernhof von Lisa Kraft ist der gerade geerntete Spargel angekommen. Es geht zunächst in eine Waschanlage. Dann kommt das Stangengemüse in eine Kühlanlage und wird zum Teil auch noch geschält - also wieder viel Handarbeit. Auch die Stromkosten haben sich für den Betrieb immens verteuert, rechnet Lisa Krafts Vater, Heinrich Feils, vor. "Ganz genaue Zahlen kann ich noch nicht nennen, aber 8000 bis 9000 Euro wird das in diesem Jahr mehr sein. Ich könnte natürlich versuchen, an der Ladentheke höhere Preise zu bekommen. Aber das ist sehr schwierig."
Genau das zeigt sich im Hofladen: Trotz höherer Produktionskosten kostet der Spargel hier so viel wie im Vorjahr, nämlich zwischen sieben und 14 Euro. Die Kunden sollen nicht verschreckt werden, denn auch sie leiden unter der allgemeinen Teuerung schon an der Tankstelle oder im Supermarkt.
"Man merkt natürlich, dass die Preise gestiegen sind, aber man möchte auch die Betriebe hier unterstützen", erzählt etwa Ilona Müller, die hier regelmäßig für ihre Familie einkauft. Frische und Regionalität sei den Kunden wichtig. Aber hier kalkuliert die Kundschaft immer genauer. "Man muss ja nicht in den ersten zwei Wochen den ersten Spargel haben, dann gehen die preislich auch ein bisschen runter", sagt etwa Thomas Wagner. Er spart an anderen Dingen, um weiter bei Lisa Kraft einzukaufen.
Bäuerin als Berufung
Heinrich Feils will nächstes Jahr den Hof komplett an seine Tochter übergeben. Er hat den Betrieb seit 1986 geführt. Von seiner Nachfolgerin ist der Landwirt überzeugt, aber er zweifelt an den künftigen Marktchancen. "Meine Tochter muss das selber wissen, ob sich das betriebswirtschaftlich mit Spargel rechnet. Wenn es sich nicht lohnt, dann muss sie eben etwas anderes machen." Weitermachen will Lisa Kraft auf jeden Fall. Lebensmittel vom Acker auf den Teller bringen, sagt die Bäuerin, das sei ihre Berufung.