Insektenplage in Süddeutschland "Wir riechen nur noch nach Mückenspray"
Nach dem Hochwasser im Juni in Baden-Württemberg und Bayern kämpfen einige Regionen Süddeutschlands mit einer massiven Mückenplage. Gastronomen fürchten Umsatzeinbußen, am Bodensee sorgt man sich um ausbleibende Touristen.
Familie Hansen aus Nordfriesland sitzt draußen vor ihrem Wohnmobil. So richtig genießen können sie ihren Urlaub auf dem Campingplatz Gohren in Kressbronn am Bodensee aber in diesem Jahr nicht. Immer wieder schwirren Mücken um sie herum. Genauso wichtig wie die Sonnencreme ist in diesem Urlaub deshalb das Mückenspray.
Ohne ginge es nicht, sagt Ute Hansen und versucht, die Mückenplage mit Humor zu nehmen: "Das teure Parfüm kann zu Hause bleiben, wir riechen nur noch nach Mückenspray."
Hochwasser und Starkregen begünstigen die Plage
Campingplatzverwalter Ralf Ackermann sorgt sich kurz vor Beginn der Hauptsaison, dass Gäste ihren Urlaub absagen oder verkürzen. Schon jetzt würden Familien vorzeitig den Campingplatz verlassen.
"Wegen Hochwasser gesperrt", steht auf der rot-weiß gestreiften Absperrung am Bodensee. Der Schotterweg am Ufer von Deutschlands größtem Binnengewässer droht überschwemmt zu werden, die angrenzende Wiese hat das Wasser bereits verschluckt. Ideale Brutbedingungen für die sogenannte Überschwemmungsmücke, erklärt Mückenexperte Rainer Bretthauer: "Die Dämmerung, hohe Luftfeuchtigkeit und Temperaturen zwischen 18 und 25 Grad - das mögen sie am liebsten."
Ihre Eier legt die Mücke bevorzugt in Schilf- und Wiesengebieten ab, erklärt der Biologie. Sobald diese überschwemmt werden, schlüpfen die Larven.
Biergarten-Saison gefährdet?
Ungewöhnlich viele Mücken beobachtet in diesem Jahr auch Wirt Daniel König in Karlsruhe. Sein Biergarten ist in diesem Sommer häufig leer. Inzwischen verteilt König sogar kostenlos Anti-Mücken-Spray an seine Gäste - mit überschaubarem Erfolg: Der Umsatz sei bereits um 30 Prozent gesunken.
"Wir leben von der Biergartensaison", sagt König. Durch die vielen Mücken, die hier in der Region auch Schnaken genannt werden, kämen aber weniger Gäste. "Wir tun, was wir können. Wir verteilen Spray an die Gäste, wir machen selber Citronella-Kerzen, um die Schnaken zu vertreiben. Aber der Umsatz fällt halt schon und das ist bedenklich und macht auch ein bisschen Angst." Veranstaltungen finden deshalb auch bei strahlendem Sonnenschein wieder in der Wirtsstube statt.
Millionen Euro für die Mückenabwehr
Selbst der Einsatz von biologischen Bekämpfungsmitteln kann die aktuelle Mückenplage nicht verhindern. Die Kommunale Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage am Oberrhein (KABS) investiert jedes Jahr fünf Millionen Euro in die Mückenabwehr, setzt sogar Hubschrauber zur Ausbringung des Bekämpfungsmittels BTI ein.
In diesem Jahr aber komme man nicht hinterher, sagt der wissenschaftliche Direktor der KABS, Dirk Reichle. Er spricht von einer Extremsituation: "Wir haben alles getan und wir haben es auch erreicht, dass wir die Populationsdichte enorm reduziert haben. Aber man wird in diesem Jahr aufgrund der Situation die Mücke deutlicher spüren als in früheren Jahren."
Klimawandel begünstigt Verbreitung von Krankheiten
Das Europäische Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) weist darauf hin, dass der Klimawandel die Bedingungen zur Ausbreitung invasiver Stechmückenarten begünstige. Das Risiko für einen Ausbruch des West-Nil-Virus in Europa habe sich im Vergleich zu den 1950er-Jahren bereits um 256 Prozent erhöht, schreiben Forscher im aktuellen "Lancet Report on health and climate change".
Zudem nehme etwa die Zahl der Dengue-Infektionen zu. 2022 habe es in Frankreich 65 gemeldete Fälle gegeben. Insgesamt sei Südeuropa von der Zunahme hitzebedingter Krankheiten besonders betroffen.