Deutsche Autobauer Rohstoffe gegen Menschenrechtsverletzungen?
Deutsche Autobauer verlieren bei der E-Mobilität den Anschluss. ARD-Recherchen belegen, dass mehrere Konzerne auf der Suche nach wichtigen Rohstoffen offenbar Menschenrechtsverletzungen in Kauf nehmen.
Für sein neues Spitzenmodell verspricht der bayerische Autobauer BMW seinen Kunden "Fahrfreude der nächsten Generation". Die vollelektrische Luxuslimousine i7 könne bis zu 624 Kilometer weit elektrisch fahren, wirbt BMW auf seiner Homepage. Kompromisse, so scheint es, müssen die wohlhabenden Kunden beim Kauf der nächsten Luxuslimousine nicht eingehen.
Insgesamt liegt BMW beim Anteil der Elektroauto-Neuzulassungen mit 40.420 Fahrzeugen im Jahr 2023 bundesweit auf Rang drei. Auf Rang zwei folgt Tesla (63.685) und an der Spitze der deutsche Volumenhersteller Volkswagen (70.628). BMW investiert - wie andere Autobauer auch - Milliarden in den Umbau der Fahrzeugflotte.
Doch der Umstieg vom Verbrenner zum Elektroauto führt zu enormen Problemen bei der Versorgung mit wertvollen Rohstoffen, die zur Batterieproduktion benötigt werden. Dabei geht es um die Bestandteile Kobalt, Nickel, Mangan, Graphit und Lithium. Zu den größten Produzenten des Leichtmetalls Lithium zählt China mit 33.000 Tonnen pro Jahr.
BMW bezieht Lithium offenbar aus China
Woher aber genau einzelne Rohstoffe wie etwa Lithium für die Produktion von Batterien kommen, gilt in der Branche als gut gehütetes Geheimnis. BMW verspricht, Menschenrechte besonders zu achten. Doch während eines Drehs in China, das regelmäßig in der Kritik wegen Menschenrechtsverletzungen steht, erfährt die ARD ganz nebenbei von einer Managerin einer riesigen Lithium-Raffinerie, dass auch ein deutscher Autobauer bei ihnen Kunde ist. "Das sind zwei Kunden von BMW. Sie führen hier Qualitätskontrollen durch", sagt Gloria Xu von Jianxi Albemarle Lithium.
Beim Rundgang mit einem deutschen Beamten fällt auf, dass ein Kohlekraftwerk für die stromintensive Lithium-Produktion genutzt wird. BMW teilt dazu mit, dass das Unternehmen all seine Hersteller von Batteriezellen zum Einsatz von grünem Strom zu 100 Prozent verpflichtet.
China als Zentrum des internationalen Rohstoffhandels
Die Marktmacht von China sei enorm, betont Peter Buchholz von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe: "Sobald etwas in China passiert, hat das sofort Auswirkungen auf die globalen Rohstoffmärkte. Das sind alles Zeichen, die nicht auf freien und fairen Handel deuten, sondern auf zunehmende Konflikte im Rohstoffhandel."
Die Lösung des Fachmanns: mehr Lieferanten, um sich unabhängiger zu machen. In der Praxis scheint das schwer zu sein, wie etwa der Umgang mit dem autoritären Staat Aserbaidschan zeigt.
Die Haltung der Bundesregierung zum Rohstoffhandel mit autoritären Staaten sei klar, betont die Staatssekretärin im Auswärtigen Amt und ehemalige Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan: "Das ist die Position von der Bundesregierung, dass wir Kriterien haben für Umweltschutz, für Sozialschutz, für Menschenrechte. Das ist sehr wichtig. Wir wollen nicht den Fehler von der Vergangenheit machen, wo es viele Öl-, Gas- und andere Förderungen gab und die Communities vor Ort davon nicht profitiert haben. Sie haben gelitten", sagt Morgan.
Auf Kuschelkurs mit dem autoritären Aserbaidschan
Das autoritäre Aserbaidschan kam mit Öl und Gas zu Reichtum und internationalem Ansehen. Jetzt wollen sie das Geschäft mit Bodenschätzen weiter ausbauen. Das internationale Interesse ist groß. "Wir finden hier das, was wir eben für die Zukunft brauchen", sagt Tobias Baumann, der deutsche Firmen in Aserbaidschan vertritt.
Nach dem Überfall Bergkarabachs durch Truppen Aserbaidschans, wächst das Begehren nach wertvollen Rohstoffen. "Viele der Vorkommen liegen in den zuvor besetzten Gebieten, die jetzt erschlossen werden", so Baumann. Auf die Menschenrechtslage im Land angesprochen, sagt der Vertreter der Außenhandelskammer über den aserbaidschanischen Präsidenten: "Der Aliyev, der geht nicht rum und vergiftet irgendwelche Oppositionellen in England oder Deutschland oder lässt die erschießen oder auf offener Straße abmurksen."
Dabei ist bekannt, dass Aserbaidschan Oppositionelle auf offener Straße verhaftet und abführt. Freie Berichterstattung ist in diesem Land unmöglich. Meinungsfreiheit gibt es nicht.
Christoph Bals von der Nichtregierungsorganisation Germanwatch warnt davor, einfach unkritisch Geschäfte mit Aserbaidschan zu machen: "Die Menschenrechtslage war in den letzten Jahrzehnten immer sehr problematisch. Das ist ein autoritär regiertes Land. Das hat mit Demokratie nun wirklich nichts am Hut", sagt er. "Und auch die Menschenrechtsorganisationen, die sich das vor Ort anschauen wollten, durften oft überhaupt gar nicht anreisen und sich das anschauen", fügt Bals hinzu. Eine ARD-Anfrage beim Auswärtigen Amt zum Vorwurf von Kritikern, Deutschland drücke bei Menschenrechtsverletzungen ein Auge zu, bleibt unbeantwortet.
Menschenrechts- und Umweltprobleme bei Mercedes bekannt
Auch der Stuttgarter Autobauer Mercedes ist auf funktionierende Lieferketten bei kritischen Rohstoffen angewiesen. Ein Dokument aus dem Jahr 2021, das der ARD vorliegt, listet grundsätzliche Probleme in den Lieferketten und im Bergbau der jeweiligen Herkunftsländer auf. So heißt es etwa, dass der "Zugang zu Grundversorgungsleistungen (zum Beispiel Wasser) für die lokale Bevölkerung als Folge des Bergbaubetriebs" fehle und es zu einer "Beeinträchtigung der lokalen Lebensgrundlagen durch den Bergbaubetrieb (zum Beispiel Zugang zu Feldern für Bauern)" komme.
Außerdem verfügten viele Unternehmen "nicht über entsprechende Systeme zur Prävention von Menschenrechtsproblemen." Von Mercedes-Benz heißt es dazu, dass man keinerlei Verstöße gegen seine Geschäftsstandards toleriere.
Die vierteilige Doku-Reihe "#UnsereErde: Kampf um Rohstoffe" ist in der ARD Mediathek verfügbar.