Oktoberfestattentat 1980 Gedenken für Opfer - Warnung vor Rechtsruck
Das Attentat beim Oktoberfest 1980 gilt als der schwerste rechtsterroristische Anschlag in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Zwölf Menschen wurden getötet, mehr als 200 weitere verletzt. Heute wurde daran erinnert.
Fest nimmt Astrid Vollherbst ihre Schwester Claudia an der Hand. Gemeinsam gehen sie zu dem Denkmal, das direkt am Oktoberfest-Haupteingang an die Opfer des Attentats vor 44 Jahren erinnert. Beide Frauen legen je eine rote Nelke nieder. Dann setzen sie sich wieder auf ihre Plätze in der ersten Reihe.
Mit 16 Jahren sei die große Schwester schwer verletzt worden, hatte Astrid Vollherbst zuvor als Rednerin bei der Gedenkfeier erzählt. Zwei Jahre habe Claudia dann "komplett im Krankenhaus verbracht, mit 38 Operationen, die es ihr zumindest ermöglicht haben, dass sie lebt und ihr Bein behalten hat". Man spürt, wie präsent die Gefühle von damals noch immer sind, und wie nahe ihr alles bis heute geht.
Gab es weitere Täter?
Am 26. September 1980 um 22 Uhr 20 war an der Nordseite der Theresienwiese ein selbstgebauter Sprengkörper explodiert. Der Neonazi Gundolf Köhler, der zeitweise der Wehrsportgruppe Hoffmann angehört hatte, hatte sie platziert. Auch er selbst kam bei der Explosion ums Leben. Bis heute wird kontrovers diskutiert, ob er ein Einzeltäter war.
Der BR-Reporter Ulrich Chaussy hatte früh an dieser These gezweifelt und etwa 30 Jahre lang in dem Fall recherchiert. Im Zuge dessen nahm die Bundesanwaltschaft 2014 die Ermittlungen wieder auf. Zwar endete auch diese zweite Untersuchung weitgehend ergebnislos; weitere Täter konnten nicht ermittelt werden. Doch in ihrem Abschlussbericht stellte die Bundesanwaltschaft nach fast 40 Jahren erstmals fest, dass die Tat politisch motiviert war.
Astrid Vollherbst ist überzeugt, dass es weitere Täter gab. Auch sei leider nie geklärt worden, wie die Politik involviert gewesen sei. Ministerpräsident Franz-Josef Strauß (CSU) war damals im Wahlkampf, neun Tage nach dem Attentat wollte er Bundeskanzler werden.
OB Reiter: Betroffenen zuhören
Die Gedenkveranstaltung wurde wieder von der DGB-Jugend München organisiert. Da werde einem "nach fünf Tagen Halligalli vor Augen geführt, wie schnell aus Gaudi und Vergnügen wirklich Wahnsinn werden kann", stellte Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) fest. Im Umgang mit Behörden hätten die Opfer damals wenig Mitgefühl erfahren. Es habe auch an der Versorgung und psychologischen Betreuung gefehlt. Nach wie vor sei es wichtig, die Geschichten dieser Menschen "nah an uns heranzulassen" und den Betroffenen zuzuhören.
Der Münchner OB warnte auch "vor der größten Gefahr des kommenden Jahrzehnts": Der Rechtsruck zeige sich nicht nur bei Wahlen, sondern etwa auch an der Zahl der Reichsbürgerprozesse und Gewalttaten. Dieser Entwicklung gelte es entgegenzutreten, und der zugrundeliegenden Ideologie dürften sich demokratische Politiker "nicht mal ansatzweise annähern", so Reiter: "Diesen braunen Sumpf dürfen wir niemals betreten."
Sowohl Reiter als auch Kristofer Herbers von der DGB-Jugend kritisierten, dass in Medienberichten über rechtsterroristische Gewalttaten der Fokus oft auf den Tätern liege, während dem Leid und den Schicksalen der Opfer und Hinterbliebenen weniger Aufmerksamkeit zukomme. Das sei unter anderem auch nach dem Attentat im Münchner Olympia-Einkaufszentrum so gewesen, so Herbers.
Erinnerungsort seit 2020
An der Theresienwiese erinnert seit 2008 ein Denkmal an die Opfer des Attentats von 1980: Gabriele Deutsch, Robert Gmeinwieser, Axel Hirsch, Markus Hölzl, Paul Lux, Ignaz Platzer, Ilona Platzer, Franz Schiele, Angela Schüttrigkeit, Errol Vere-Hodge, Ernst Vestner und Beate Werner.
Zum 40. Jahrestag des Attentats wurde 2020 daneben der Erinnerungsort "Dokumentation Oktoberfest-Attentat" eröffnet - mit einem Silhouettenpark, der im wahrsten Sinne vor Augen führt, wie viele Menschen von dem Attentat betroffen waren. Erst damals haben Bund, Freistaat und Stadt zudem für die Betroffenen einen Hilfsfonds in Höhe von 1,2 Millionen Euro eingerichtet.
Folgen bis heute
Dafür hatte auch Robert Höckmayr lange gekämpft. Er war zwölf Jahre alt und mit der ganzen Familie auf dem Oktoberfest, als die Bombe explodierte. Zwei jüngere Geschwister von ihm starben. Robert Höckmayr selbst wurde schwer verletzt und hätte fast einen Fuß verloren. 40 mal wurde er operiert. Bis heute, sagt er, falle ihm das Laufen schwer.
Schon oft hat er die Öffentlichkeit gesucht, um auf die Anliegen der Betroffenen aufmerksam zu machen. Vergangenes Jahr hatte er bei der Gedenkfeier gesprochen und davon berichtet, wie sein Leben "im Bruchteil einer Sekunde aus den Fugen geraten" war. Diesmal überließ er das Reden anderen. Danach blieb er noch lange regungslos auf seinem Stuhl sitzen, während immer mehr Besucher Nelken niederlegten und das Denkmal in ein Blumenmeer verwandelten.