Neue PISA-Studie Deutsche Schüler schneiden so schlecht ab wie nie
Die deutschen Schülerinnen und Schüler haben im internationalen Leistungsvergleich PISA im Jahr 2022 das bisher schlechteste Ergebnis erzielt. Auch in den meisten anderen OECD-Staaten sanken die akademischen Fähigkeiten.
Die Jugendlichen in Deutschland schneiden in Mathematik, im Lesen und in Naturwissenschaften deutlich schlechter ab als noch 2018. Dies zeigt die neue PISA-Studie, die heute vorgestellt wurde.
Insgesamt haben sich demnach in vielen OECD-Staaten die durchschnittlichen Kompetenzen der Jugendlichen in den drei Bereichen im Vergleich zur vorherigen Studie von 2018 verringert. Allerdings sind die Leistungseinbußen in Deutschland überdurchschnittlich groß.
Nur wenige Länder verbesserten sich
Nur sehr wenige OECD-Staaten konnten zwischen 2018 und 2022 Teile ihrer Ergebnisse verbessern, beispielsweise Japan im Lesen und in den Naturwissenschaften sowie Italien, Irland und Lettland in den Naturwissenschaften.
In Mathematik haben die Jugendlichen in Singapur, Japan und Korea im Schnitt die höchsten Kompetenzen. Im Lesen stehen Singapur, Irland, Japan, Korea und Estland an der Spitze. In den Naturwissenschaften erreichen Japan, Korea, Estland und Kanada die besten Werte.
In Mathe und Lesen nur noch Durchschnitt
Nach der ersten Studie im Jahr 2000 hatte Deutschland seine Ergebnisse zunächst verbessern und auf hohem Niveau halten können. In den vergangenen PISA-Runden hatte sich allerdings ein Abwärtstrend angedeutet.
Deutschland liegt nur noch in den Naturwissenschaften signifikant über dem Durchschnitt der OECD-Staaten (492 zu 485 Punkten). In Mathematik (475 zu 472 Punkten) und Lesen (480 zu 476 Punkten) entsprechen die Ergebnisse jetzt dem OECD-Durchschnitt, der in beiden Bereichen ebenfalls gesunken ist.
PISA - die Abkürzung steht für den weltweit wichtigsten Schulvergleichstest, das "Programme for International Student Assessment". Es werden die Kompetenzen von 15-jährigen Jugendlichen beim Lesen, in Mathematik und Naturwissenschaften erfasst. Seit dem Jahr 2000 wird sie alle drei Jahre durchgeführt. Diesmal standen mathematische Fähigkeiten im Mittelpunkt.
Die aktuelle Studie, die von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) koordiniert und in Deutschland vom Zentrum für internationale Bildungsvergleichsstudien (ZIB) geleitet wird, wurde im Frühjahr 2022 durchgeführt. Der Test dauert ungefähr zwei Stunden und besteht hauptsächlich aus Multiple-Choice-Fragen, die in der Regel am Computer beantwortet werden.
Dabei wurden in Deutschland rund 6.100 repräsentativ ausgewählte Schülerinnen und Schüler an rund 260 Schulen aller Schularten getestet. Zudem wurden die Jugendlichen zu ihren Lernbedingungen und Einstellungen sowie ihrer sozialen Herkunft befragt. Schulleiterinnen und Schulleiter, Lehrkräfte und Eltern beantworteten Fragen zu Gestaltung und Ressourcen des Unterrichts sowie zur Rolle des Lernens in der Familie. Weltweit nahmen rund 690.000 Schülerinnen und Schüler an der Studie teil.
Anteil der besonders Leistungsschwachen größer
Knapp ein Drittel der 15-Jährigen hat in mindestens einem der drei getesteten Felder nur sehr geringe Kompetenzen. Etwa jeder sechste Jugendliche hat in allen drei Bereichen deutliche Defizite. Die Anteile dieser besonders leistungsschwachen Jugendlichen sind seit 2018 größer geworden und betragen in Mathematik rund 30 Prozent, im Lesen rund 26 Prozent und in den Naturwissenschaften rund 23 Prozent.
Der Anteil der besonders leistungsstarken Schülerinnen und Schüler ist wiederum gesunken - in Mathematik auf knapp neun Prozent und im Lesen auf knapp acht Prozent. In den Naturwissenschaften blieb dieser Anteil bei etwa zehn Prozent stabil.
Hinweise für Gründe
Aus den Befragungen lassen sich Hinweise auf mögliche Gründe für die verschlechterten Ergebnisse ableiten, so die Studie. Einerseits gehen die Autorinnen und Autoren davon aus, dass die Schulschließungen während der Corona-Pandemie einen negativen Effekt auf den Kompetenzerwerb hatten.
So wurde der Distanzunterricht in Deutschland weniger mit digitalen Medien bestritten als im OECD-Durchschnitt. Allerdings zeige die Auswertung der internationalen Daten, dass es keinen systematischen Zusammenhang zwischen der Dauer der Schulschließungen und den Leistungsrückgängen gebe.
Ein zweiter Faktor für die Erklärung der Ergebnisse im Studienschwerpunkt Mathematik könnte laut den Autoren der Zusammenhang zwischen den Kompetenzen der Jugendlichen und dem sozioökonomischen Status der Familien wie auch ihrem Zuwanderungshintergrund sein. Dieser sei in Deutschland weiterhin stark ausgeprägt. Allerdings seien die mathematischen Kompetenzen der Jugendlichen ohne Zuwanderungshintergrund im Vergleich zu 2012 ebenfalls geringer geworden.
Um den längerfristigen Negativtrend zu erklären, schauen die Forschenden deshalb auch auf die Befragungen der Schülerinnen und Schüler zu Motivation, Einstellungen und Unterrichtsgestaltung. Im Vergleich zum Jahr 2012 haben die Jugendlichen weniger Freude und Interesse an Mathematik. Zugenommen hat dagegen die Ängstlichkeit gegenüber dem Fach. Zudem sehen die 15-Jährigen weniger Nutzen darin, Mathematik zu lernen.
Warnung vor verfehlter Bildungspolitik
Schon kurz vor der Veröffentlichung der neuen Ergebnisse warnte der Bildungsökonom Ludger Wößmann vor den Folgen einer verfehlten Bildungspolitik. "Die Bildungskrise ist unser größtes Standortrisiko", sagte der Leiter des ifo-Zentrums für Bildungsökonomik in München der "Wirtschaftswoche". "Wie produktiv sich Kinder und Jugendliche später in die Gesellschaft einbringen können, hängt ganz wesentlich von ihrer Bildungsleistung ab."
Auch mit Blick auf den Arbeits- und Fachkräftemangel könne sich Deutschland die Bildungskrise nicht weiter leisten, sagte Wößmann. Unter Menschen mit akademischem Abschluss oder Berufsausbildung seien zwei bis drei Prozent arbeitslos, unter solchen ohne Abschluss aber 20 Prozent.