Rechte Straftaten Minderjähriger Hitlergruß und Hakenkreuz in der Schule
Nach mehreren rechtsextremen Fällen an Schulen in Brandenburg gibt es ein erstes bundesweites Bild: Ein Drittel solcher Taten von Minderjährigen findet nach Kontraste-Informationen im Kontext Schule statt.
Ende April haben Lehrer aus Burg in Brandenburg mit einem Brandbrief auf rechtsextreme Vorkommnisse im Umfeld ihrer Schule aufmerksam gemacht. Sie berichteten etwa von Schülern, die den Arm zum Hitlergruß heben, von rassistischen Sprüchen sowie von Hakenkreuzen auf Autos. Nun gibt es erste Zahlen, die zeigen: Derartige Vorfälle an Schulen sind offenbar ein bundesweites Problem.
Im Zeitraum 2018 bis 2021 haben sich nach Informationen des ARD-Politikmagazins Kontraste ein Drittel der rechten Straftaten, bei denen minderjährige Tatverdächtige ermittelt wurden, im Umfeld von Schulen ereignet. Das ergab eine Sonderauswertung der beim Bundeskriminalamt (BKA) geführten Statistik Politisch motivierte Kriminalität (PMK), wie die Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Nicole Gohlke mitteilte.
Es sei in dem betrachteten Zeitraum zu fremdenfeindlichen, rassistischen oder antisemitischen Äußerungen oder Beleidigungen und teils tätlichen Angriffen gekommen. Als häufigste Delikte werden in der Antwort das Zeigen des Hitlergrußes sowie das Ausrufen von Parolen wie "Sieg Heil" und "Heil Hitler" genannt. Weiter habe es vor allem Schmierereien, Kritzeleien oder Einritzungen von einschlägigen Symbolen und Parolen gegeben. Außerdem seien besonders oft Abbilder und Nachrichten über Messenger-Dienste versendet worden. Konkrete Zahlen nennt die Bundesregierung in ihrer Antwort nicht.
Händische Sonderauswertung
Eine automatisierte Auswertung, die Tatorte wie etwa Schulen identifiziert, ist nach Angaben der Bundesregierung in den PMK-Fallzahlen des BKA nicht möglich. Das Bundesinnenministerium teilte auf Anfrage von Kontraste mit, die Sonderauswertung sei händisch erfolgt und für polizeiinterne Zwecke erstellt worden. Da dabei "gewisse Unsicherheiten" bestünden, könnten nur Näherungswerte genannt werden. Insgesamt haben sich demnach Straftaten im Bereich PMK-rechts mit "minderjährigen Tatverdächtigen" von 2018 bis 2020 im "unteren vierstelligen Bereich" befunden; konkret auf das schulische Umfeld bezogen lagen die Zahlen in 2018 und 2019 im "mittleren dreistelligen Bereich", 2020 und 2021 im "(niedrigen) mittleren dreistelligen Bereich".
Nachdem die Vorwürfe an der Schule im brandenburgischen Burg Ende April öffentlich wurden, gab es eine bundesweite Debatte darüber, wie es dazu kommen konnte. Auch andere Schulen in Brandenburg sind betroffen, wie Kontraste Ende Mai berichtete. Das zuständige Schulamt in Cottbus nannte in diesem Zusammenhang für seinen Bereich 15 rechtsextreme Vorfälle allein in diesem Schulhalbjahr - alle strafrechtlich relevant.
Das bundesweite Bild würde verdeutlichen, dass "Jugendliche ihre ersten Erfahrungen mit rechten Straftaten, Propaganda, Drohungen und Gewalt in der Schule und ihrem Umfeld" machten, so Anne Brügmann, Projektkoordinatorin des Vereins Opferperspektive in Potsdam gegenüber Kontraste. Schule müsse hier klaren Einhalt gebieten und den Schülerinnen und Schülern vermitteln, dass rechte Straftaten geächtet würden. Denn die Erfahrungen aus der Schule würden die Jugendlichen mit in ihr restliches Leben nehmen, so Brügmann.
Immer wieder geht es bei den Delikten auch um Klassenchats, in denen rechte Inhalte ausgetauscht oder geteilt werden, so die Bundesregierung in ihrer Antwort. Delikte dieser Art stiegen im Jahr 2019 laut Bundesinnenministerium bundesweit stark an: Straftaten im Zusammenhang mit "Klassenchats" mit mindestens einem minderjährigen Tatverdächtigen lagen demnach in 2018 im mittleren zweistelligen Bereich, in 2019 und 2020 dann im unteren dreistelligen Bereich. In den Folgejahren sei die Zahl aber wieder zurückgegangen, im Jahr 2021 lag diese im hohen zweistelligen Bereich. Zu den Gründen der Fallzahlentwicklung liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor.
Bundesregierung verweist auf Präventionsprogramme
"Es ist besorgniserregend, dass der Bundesregierung kein umfängliches Lagebild vorliegt", sagt die Linken-Abgeordnete Nicole Gohlke zu Kontraste. Es brauche dringend eine valide Datengrundlage, um die Dimension dieses Problems einschätzen zu können, so die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag. Außerdem kritisiert sie, derzeit würden die Schulen und Lehrkräfte vielfach allein gelassen. "Die Bundesregierung muss hier mit den Ländern zusammen einen größeren Fokus auf die Prävention und Bekämpfung von Rechtsextremismus legen", so Gohlke. Eine Situation wie in den 1990er-Jahren müsse unbedingt vermieden werden.
Das Innenministerium verweist auf diverse präventive Fördermöglichkeiten für junge Menschen, etwa das Bundesprogramm "Demokratie leben!". Zielsetzung sei unter anderem die Förderung pädagogischer Handlungskompetenz von Lehrkräften, um gegen rechtsextreme und antidemokratische Überzeugungen in den schulischen Regelstrukturen vorzugehen. Der Bundesregierung sei es ein Kernanliegen, allen verfassungsfeindlichen Bestrebungen entschieden entgegenzutreten.