Züge überqueren eine Eisenbahnbrücke am Deutzer Bahnhof in Köln.

Marode Straßen und Schienen Richtige Richtung - aber schnell wird es nicht besser

Stand: 21.09.2024 12:01 Uhr

Der Zustand deutscher Verkehrsinfrastruktur ist schlecht. Die Ampelkoalition und Vorgängerregierungen schieben sich gegenseitig die Schuld dafür zu. Experten loben, werben aber für Geduld.

Von Torben Ostermann und Oliver Sallet, ARD-Hauptstadtstudio

Wenn Thomas Puls die Misere der Infrastruktur in Deutschland an einem Beispiel erklären will, dann landet er bei einer Brücke in Leverkusen, in den 1950er-Jahren geplant und ein paar Jahre später gebaut. Die Verkehrswelt damals hat mit der von heute nicht mehr viel zu tun. Damals waren die Lkw kleiner, der Verkehr wesentlich weniger und Deutschland ein geteiltes Land.

Heute donnern 40-Tonner über die Brücke und Deutschland ist das Transitland Nummer eins in Europa. "Jede gute Krise hat mehr als einen Grund", sagt Puls, der als Senior Economist am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln arbeitet.

Puls hat 2023 für das IW nach Gründen für den schlechten Zustand der deutschen Infrastruktur gesucht. Die Ergebnisse seiner Studie sind eindeutig: Es fehle an Geld, die Planungs- und Genehmigungsverfahren dauerten zu lange und dann mangele es auch noch an Fachkräften. Außerdem sei die Infrastruktur vor allem in Westdeutschland zu alt und das Verkehrsaufkommen zu hoch.

Gleiches Budget, explodierende Kosten

In den vergangenen 20 Jahren sei zu wenig in Straßen, Schienen und Brücken investiert worden. Geld, das damals nicht für die Instandhaltung ausgegeben wurde, ist ein Grund für den schlechten Zustand der Infrastruktur hierzulande. Während das Geld, das der Staat für Sanierung und Neubau bereitgestellt hat, immer gleich blieb, sind die Kosten explodiert. Die Folge: Immer weniger Projekte konnten angegangen werden.

Die Verkehrsminister in diesen Jahren stellte überwiegend die CSU. Und so regt es Ampel-Politiker durchaus auf, wenn CSU-Chef Markus Söder heute SPD, Grüne und FDP öffentlich dafür verantwortlich macht, am miesen Zustand der Infrastruktur verantwortlich zu sein.

Stefan Gelbhaar ist einer von ihnen. Der Grünen-Politiker ist in seiner Partei für Verkehrspolitik verantwortlich. Über die Anwürfe, gerade von CSU-Politikern, kann er nur schmunzeln. "Das ist so hanebüchen, da kann man nur mit dem Kopf schütteln", sagt Gelbhaar.

"Die Zeichen der Zeit erkannt"

Dagegen reagieren Unionspolitiker verärgert, wenn man die CSU-Jahre im Verkehrsministerium mit maroden Brücken in Verbindung bringt. CSU-Verkehrsexperte Ulrich Lange ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Union im Bundestag und seit seinem ersten Mandat 2009 durchgehend mit dem Thema Verkehr befasst.

Das "CSU-bashing" sei so nicht gerechtfertigt, sagt Lange und argumentiert damit, dass man die damaligen Investitionszahlen ins Verhältnis zum Bundeshaushalt setzen müsse. "Reden Sie mal mit der Partei, die den Finanzminister gestellt hat", sagt Lange und deutet damit vor allem in Richtung SPD.

Infrastrukturpolitik als Marathon

Die Versuche der Ampelkoalition, nun den immer drängenderen Infrastrukturproblemen beizukommen, werden von Infrastruktur-Experte Thomas Puls vom IW weitgehend positiv bewertet. Die Ampelkoalition hätte "durchaus die Zeichen der Zeit erkannt", sagt er. Er sehe auch, dass spürbare Fortschritte gemacht worden seien. Nicht zuletzt sei für die Ertüchtigung der Infrastruktur auch deutlich mehr Geld zur Verfügung gestellt worden.

Auch von der Generalsanierung bestimmter stark genutzter Strecken bei der Bahn ist Puls angetan. Trotzdem geht er nicht davon aus, dass sich kurzfristig etwas zum Positiven verändern wird. Infrastrukturpolitik sei eher ein Marathon als ein Sprint.

Bahn muss auch als Unternehmen besser werden

Mit Blick auf die Bahn sieht FDP-Verkehrspolitiker Bernd Reuther, der auch im Aufsichtsrat der Bahn sitzt, nicht nur die Politik in der Verantwortung. Zwar sei die Korridorsanierung sehr wichtig, denn die marode Infrastruktur ziehe nachgelagerte Probleme wie die Pünktlichkeit mit sich. Allerdings müsse die Bahn auch als Unternehmen besser werden, wirtschaftlich profitabler und mit besseren Abläufen, so Reuther.

Die Lkw-Maut fließt in Bahn und Bundeshaushalt

CSU-Verkehrspolitiker Lange blickt grundsätzlich eher kritisch auf die Bemühungen der Ampel. Zwar habe Verkehrsminister Volker Wissing den Negativ-Kreislauf durchbrochen und etwa die Lkw-Maut deutlich ausgeweitet. Die mehr eingenommenen Milliarden würden jedoch nicht nur in die Straße fließen, sondern teilweise in die Bahn und teilweise in den Bundeshaushalt. Lange fordert hier einen zweckgebundenen Einsatz der Lkw-Maut, nur für die Straße.

Die groß angelegte Trassensanierung der Bahn begrüßt Lange zwar als richtigen Schritt. Jedoch würden oft nur Gleisanlagen saniert, nicht aber die Brücken. "Die Strecke ist danach nicht neu", sagt der Verkehrspolitiker. "Man glaubt, man kriegt ein neues Haus, aber es ist nur neu gestrichen."