Sicherheit und Umweltschutz Bündnis fordert generelles Autobahn-Tempolimit
Ein Bündnis aus 14 Organisationen fordert die Einführung eines Tempolimits auf Autobahnen, um das Klima zu schützen und Leben zu retten. Doch ein generelles Limit polarisiert das Autoland Deutschland weiter.
Ob Greenpeace, Gewerkschaft der Polizei oder Verkehrsclub Deutschland - es sind sehr verschiedene Organisationen, die eine klare Forderung an die Politik eint: das Tempo auf Deutschlands Straßen zu reduzieren, auf der Autobahn, der Landstraße und innerorts.
Eine Forderung, die sich wissenschaftlich untermauern lässt - etwa vom schwedischen Mobilitätsforscher Stefan Gössling von der Universität Lund: "In Ländern wie Frankreich hat ein Tempolimit von 80 km/h auf Landstraßen zu einer starken Reduktion tödlicher Unfälle geführt", sagt er. Mit einem internationalen Team hat Gössling zum Tempolimit geforscht. Das Ergebnis: Bis zu 950 Millionen Euro pro Jahr seien einsparbar, wenn die Höchstgeschwindigkeit auf den deutschen Autobahnen auf 130 km/h begrenzt würde.
Und auch innerorts sei weniger Tempo hilfreich. "In Städten finden bei Tempo 30 so gut wie keine tödlichen Unfälle mehr statt. In England hat zum Beispiel das Tempolimit von 20 Meilen pro Stunde in Ortschaften zu einem starken Rückgang der Versicherungskosten geführt", sagt Gössling. "Wir wissen, dass das Fahrverhalten bei uns aggressiver, zunehmend gegen Verkehrsregeln verstoßen wird und die Zahl der Unfallfluchten jährlich steigt."
80 km/h außerorts
Ohne Veränderungen würden sich diese Trends fortsetzen. Ein breites Bündnis für ein Tempolimit verlangt jetzt von der neuen Bundesregierung die generelle Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen und die Absenkung der Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h außerorts.
Über die genauen Geschwindigkeiten für Autobahnen und innerorts gibt es verschiedene Auffassungen. Zu dem Bündnis gehören unter anderem der Sozialverband VdK, der Naturschutzbund Deutschland, aber auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP).
GdP argumentiert mit Arbeitsschutz
Michael Mertens ist stellvertretender Bundesvorsitzender der GdP und sagt: "Wir stehen hinter generellen Geschwindigkeitsbeschränkungen, außer- wie innerorts. Dabei denken wir nicht nur an die Sicherheit der Verkehrsteilnehmenden, sondern auch an den Arbeitsschutz der Polizei. Überhöhte Geschwindigkeiten und unkontrolliertes Fahren erhöhen die Risiken erheblich."
Kerstin Haarmann ist die Bundesvorsitzende des Verkehrsclubs Deutschland. Sie ergänzt: "In Deutschland sterben täglich acht Menschen im Straßenverkehr, mehr als 1.000 werden verletzt. Hinter diesen Zahlen stehen Familien und Freunde, die durch tragische Verluste auseinandergerissen werden." Langsameres Fahren könne helfen, Unfälle zu vermeiden und Leben zu retten.
Verkehrsforscher Stefan Gössling nennt das Verkehrssystem einen Spiegel der Gesellschaft. "Wir wissen, dass es einerseits eine breite Mehrheit in der Bevölkerung für ein Tempolimit gibt; andererseits eine kleine Gruppe von aggressiven Fahrern, die keinerlei rationalen Argumenten für ein Tempolimit zugänglich ist." Hier müsse die Regierung endlich handeln, so sein Wunsch.
Tempolimit polarisiert die Deutschen
Die Haltung der Menschen in Deutschland zu einem generellen Tempolimit auf Autobahnen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder verändert. Seit einigen Jahren steigt die Zustimmung für eine Einführung. Der ADAC hat seine Mitglieder dazu befragt. 55 Prozent der ADAC-Mitglieder sind demnach inzwischen für ein Tempolimit.
Auch das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) hat zum Tempolimit geforscht. Die Einführung eines Tempolimits gehöre laut RWI zu den am stärksten polarisierenden Maßnahmen, da sie gleichzeitig auf starke Zustimmung und große Ablehnung stößt. Rund 63 Prozent der vom RWI befragten Menschen befürworten ein Tempolimit.
Das Umweltbundesamt hat die Wirksamkeit einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen und Absenkung außerorts auf bis zu 11,7 Mio. Tonnen CO2-Einsparung pro Jahr berechnet.
CO2-Reduktion sofort möglich
Weniger Kraftstoffverbrauch, weniger Unfälle, mehr Nutzen für das Klima: Das sind auch die Argumente von Olaf Bandt. Er ist der Vorsitzende des BUND. "Das Tempolimit ist eine einfache, sozial verträgliche und sofort wirksame Maßnahme zur CO2-Reduktion", sagt er. "Deshalb muss sich eine neue Bundesregierung endlich von der Autolobby emanzipieren." Sein Verband fordert ein generelles Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen, 80 km/h auf Landstraßen und eine Regelgeschwindigkeit von 30 km/h innerorts.
Deutschland ist nach Darstellung der Studien-Autoren um Verkehrsforscher Gössling nach wie vor das einzige große Land der Welt, in dem es keine allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen gibt. Eines der Hauptargumente dafür sei, dass niedrigere Geschwindigkeiten Kosten für die Reisezeit verursachten. Und diese Kosten würden nicht durch Vorteile wie eine Verringerung der Treibhausgasemissionen aufgewogen.
Aus Gösslings Sicht sind solche Argumente falsch. "Die Ergebnisse sind klar", sagt der Verkehrsforscher. "Gerade in Zeiten hoher Inflation und notwendiger Einsparungen ist ein Tempolimit von 130 km/h sinnvoll. Das befürwortet neben der Polizei auch die Mehrheit der Deutschen."
Ein Tempolimit könne kostengünstig und sofort wirksam das Klima schützen und gleichzeitig unzählige Menschenleben auf deutschen Straßen retten. Das Bündnis aus 14 verschiedenen Organisationen hofft nun auf die neue Bundesregierung.