Projekt gegen Wassermangel Warum die 8b im Wald steht
Trockenheit setzt den Wäldern in Deutschland zu. Immer mehr Projekte versuchen daher, Regenwasser besser im Wald halten - wie im rheinland-pfälzischem Soonwald. Eine etwas andere Klassenfahrt für die 8b.
Es ist 6 Uhr morgens. Stille liegt über dem Soonwald in Rheinland-Pfalz. Nur das Zwitschern von Vögeln und Blätterrauschen sind zu hören. An einer Hütte stehen gut ein Dutzend Zelte, die nach und nach geöffnet werden. Heraus krabbeln verschlafene Teenager. Es ist die Klasse 8b der Waldorfschule Engelberg aus der Nähe von Stuttgart.
Die Schüler sind auf einer einwöchigen Klassenfahrt. Im Soonwald arbeiten sie an Umweltprojekten gegen Trockenheit mit. Sie erleben hautnah, wie groß der Wassermangel inzwischen ist. "Das ist schon bedenklich", sagt Sarah Engel, die vor einem Zelt kniet und ihre Sachen ordnet. "Sie haben gesagt, vielleicht regnet es heute Nacht, aber es hat nicht geregnet oder nur ein bisschen. Aber das Laub ist immer noch trocken. Das macht mir schon Sorgen." Ein paar Meter weiter erzählt Charlotte Onnen: "Ich habe Angst, dass die Bäume absterben und dass das Laub vielleicht mal Feuer fängt."
Tümpel als wichtige Wasserspeicher
Fehlender Regen setzt auch dem Soonwald immer mehr zu. Deshalb versucht das Forstamt mit unterschiedlichen Programmen, das wenige Regenwasser besser im Wald zu halten. Nach dem Frühstück geht es für die Jugendlichen los. Eine Gruppe beginnt mit der Arbeit an einem Tümpel - davon gibt es etwa 1000 im Soonwald. Sie sind wichtige Wasserspeicher und müssen gepflegt werden. Wachsen Büsche zu nah daran, ist das Gewässer durch herabfallende Blätter und Äste bedroht.
Die Jugendlichen greifen zu Astscheren und kleinen Sägen. "Ich schneide die kleinen Bäume weg, damit der See wieder mehr Platz hat und nicht austrocknet", erzählt Klara Wahl. Neben ihr steht Henry Weiler. "Dieses Feuchtbiotop ist wichtig für Frösche, Insekten und Libellen. Das ist hier ihr Lebensraum und den wollen wir so auch erhalten", sagt er.
Beim Arbeiten machen sich die Schüler auch grundsätzliche Gedanken, wie die Umwelt wirklich geschützt werden kann - und wie nicht. "Demos bringen nicht wirklich viel. Hier im Wald tut man der Natur etwas Gutes und den Insekten geht es danach auch besser", sagt Henry Weiler. Und Klara Wahl fügt hinzu: "Es ist wichtig, dass wir hier arbeiten. Das bringt der Natur auf lange Sicht mehr, als sich auf der Straße festzukleben."
Verregnetes Frühjahr ohne langfristige Auswirkungen
Bei den Arbeiten schaut Michael Veeck öfter vorbei. Er ist Förster im Soonwald - und organisiert auch weitere Projekte gegen die zunehmende Trockenheit.
Der Soonwald ist von langen alten Gräben durchzogen, die insgesamt mehr als 1000 Kilometer lang sind. Sie wurden vor mehr als 250 Jahren angelegt, um Regenwasser abzuleiten. Damals war die Region noch sehr nass.
Eine Gruppe von Freiwilligen hat nun die Abflussrinnen zurückverlegt - in den Wald hinein. "Durch den Umbau des Grabensystems kann es sein, dass hier Bäume im Sommer zwei, drei Wochen länger Wasser haben. Das kann für sie das Überleben bedeuten. Sie vertrocknen nicht", erklärt Veeck. Außerdem wurden sogenannte Rigolen an Waldwegen aufgebaut. Das sind aufgeschüttete grobe Steine, in denen das Regenwasser unter die Wege läuft. Dort kann es dann langsam versickern.
Der Wassermangel hat drastische Folgen für alle Baumarten. Der größte Bach im Soonwald führt seit zwei Monaten kein Wasser mehr - und das, obwohl es hier im Frühjahr sehr viel geregnet hat. "Die Bäume haben eine Verschnaufpause bekommen. Aber mehr auch nicht. Was den Grundwasserspiegel angeht, gab es nahezu keine Auswirkungen", sagt der Förster mit einem nachdenklichen Blick auf den ausgetrockneten Bach.
Wasserrinnen führten einst aus dem Wald raus.
80 Prozent des Waldbestandes sind krank
Ulrich Dohle nickt zustimmend, als er von den Projekten im Soonwald erfährt. "Die Menschen sehen inzwischen, wie schlecht es dem Wald geht. Sie fragen auch bei uns immer öfter, wo sie anpacken können." Dohle ist Vorsitzender beim Bund Deutscher Forstleute. Angesichts der klimabedingten Trockenheit müsse dringend mehr für den Wald gemacht werden, sagt er. Seit dem Dürrejahr 2018 seien mindestens 500.000 Hektar Waldfläche verschwunden. "80 Prozent des Waldbestandes sind krank. Stellen sie sich mal vor, wir hätten eine solche Rate in der Bevölkerung!"
Dohle zufolge gibt es regionale Unterschiede in Deutschland. "Schlimm sieht es vor allem im Sauerland, dem Thüringer Wald oder dem Harz aus. Dort gibt es sehr viele Fichten, die viel Wasser brauchen. Ganze Bestände sind in den vergangenen Jahren verschwunden", erklärt er. Das habe auch Folgen für den Wasserhaushalt der jeweiligen Region. Das Grundwasser senke sich ab. "Ich bin jetzt gut 50 Jahre alt. In meiner Kindheit gab es keine Landkreise, die verbieten, Autos zu waschen oder den Rasen zu sprengen. Das kannte ich früher nur aus den USA."
Aber was muss jetzt geschehen? Dohle fordert, den Waldumbau zu beschleunigen - mehr Mischwald mit Buchen, Birken, Ahorn oder Eichen. Zunächst müssten die 500.000 verlorenen Hektar Wald neu aufgebaut werden. Zeitgleich sollten die noch bestehenden Wälder umstrukturiert werden. "Dazu brauchen wir dringend mehr Forstleute, um das auch zu schaffen. In den vergangenen 30 Jahren sind aber 60 Prozent des Forstpersonals abgebaut worden."
Dennoch laufe der notwendige Umbau an vielen Stellen schon - "aber viel zu langsam", klagt Dohle. "Das Tempo müsste vervierfacht werden, ansonsten sind wir erst in 150 Jahren mit dem kompletten Umbau fertig", rechnet er anhand von offiziellen Zahlen vor. "Klimawandel hat es immer gegeben, aber nicht in dieser wahnsinnigen Geschwindigkeit. Uns bleibt nur wenig Zeit, um zu reagieren."
"Wir können da etwas verändern"
Die 8b hat es für heute geschafft, der Teich ist freigelegt. Die Schülerinnen und Schüler sind müde, sitzen aber zufrieden beim Abendessen. Diese Klassenfahrt in den Wald ist ganz anders als alle bisherigen. Im vergangenen Jahr war die Gruppe noch beim Surfen. Jetzt hätten sie einen kleinen Beitrag zum Umweltschutz geleistet, sagt Isabel Stanischa: "Ich bin froh, dass ich mitgemacht habe. Wir können da etwas verändern."
Auf die Frage, ob sie im nächsten Jahr nochmal mitmachen würden, nicken viele der Jugendlichen. "Die Klimakrise ist aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Ich glaube, das wird mich mein ganzes Leben begleiten", sagt Sarah Engel. Für die 8b geht es nach einer Woche Klassenfahrt wieder nach Hause. Im Soonwald aber geht der Kampf um mehr Wasser weiter.
Die Waldorfschule 8b ist in Engelberg beheimatet und nicht in Engelbert, wie es in einer früheren Version hieß.
Mehr zum Hintergrund dieser und anderer Korrekturen finden Sie hier: tagesschau.de/korrekturen