Feuer in Brandenburg Warum alte Munition weiter im Wald liegt
Es brennt bei Jüterbog in Brandenburg. Was die Lage zusätzlich brenzlig macht, ist alte Munition im Waldboden. Auch andere Regionen sind unter "Kampfmittelverdacht". Und die "Entmunitionierung" ist teuer.
Viel kann die Feuerwehr bei Jüterbog in Brandenburg nicht ausrichten. Sie muss auf den Wegen rund um das Brandgebiet bleiben, kann nur den Brandschutzstreifen feucht halten und zusehen, dass das Feuer nicht auf weitere Areale übergreift, sagt Einsatzleiter Rico Walentin. Richtig heran an die Brandherde kommen die Feuerwehrleute nicht - zu gefährlich. Im Waldboden liegt noch Munition aus vergangenen Zeiten: DDR, Nazi-Zeit und wohl auch aus der Kaiserzeit, so das brandenburgische Innenministerium.
"Unter Kampfmittelverdacht"
Der Brand bei Jüterbog erinnert an die Feuer vom vergangenen Sommer bei Treuenbrietzen; auch dort hatten Munition und Kampfmittel im Boden die Löscharbeiten erschwert. Insgesamt, so schätzt das Land Brandenburg, stünden noch etwa 585.000 Hektar Fläche des Landes "unter Kampfmittelverdacht". Vor allem in Oranienburg im Norden von Berlin, im Bereich südlich von Berlin, in der Landeshauptstadt Potsdam und an der Oder-Neiße-Linie.
Allein im vergangenen Jahr wurden in Brandenburg 490 Tonnen Kampfmittel gefunden und vernichtet, so das Ministerium, darunter mehr als 3000 Stück Nahkampfmittel, 800 Minen, 37.000 Granaten, 800 Brandbomben, 140 Sprengbomben, mehr als 11.000 Panzerabwehrraketen oder Raketen, 7500 Waffen oder Waffenteile sowie mehr als 570.000 Stück Handwaffenmunition. Bis Ende November 2022 hat Brandenburg insgesamt fast 14 Millionen Euro für die Kampfmittelräumung ausgegeben.
Der Wald muss warten
Angesichts dieser Herausforderung müsse man Prioritäten setzen, heißt es aus dem Innenministerium. Oberste Priorität habe der "Schutz der Bevölkerung in sog. städtischen Verdichtungsräumen", heißt es in der Behördensprache. Im Klartext: Der Wald muss warten.
Auch das benachbarte Sachsen-Anhalt kennt das Problem mit der Munition im Waldboden: Hier gelten laut Landesinnenministerium nach einer früheren Erhebung noch etwas mehr als 2000 Quadratkilometer des Landes als "Kampfmittelverdachtsfläche", nicht einmal halb so viel wie in Brandenburg. Doch auch hier sind nicht nur Wälder betroffen. Einzelne Areale seien inzwischen geräumt. Belastbare Zahlen lägen dazu aber nicht vor.
Wer ist zuständig?
Das Innenministerium von Sachsen-Anhalt weist auf noch ein Problem bei der Kampfmittelbeseitigung hin: die Frage der Zuständigkeit. Zuständig für das oft kostpflichtige Aufspüren der Kampfmittel sei der Flächeneigentümer, also auch private Eigentümer, so das Ministerium. Für Truppenübungsplätze, aktive und frühere, sei in der Regel der Bund zuständig.
Doch nicht nur. Der Truppenübungsplatz im brandenburgischen Jüterbog etwa gehört der Stiftung Naturlandschaften Brandenburg, teilt das dortige Innenministerium mit. Der Waldbrandschutzbeauftragte der Stiftung, Andreas Hardy Schulze, rechnet vor: "Mindestens einen Euro pro Quadratmeter kann man rechnen für die Entmunitionierung. Und das ist nur der Schnitt. Bei 7000 Hektar - wer zahlt das? Das hat der Bund nicht gezahlt und das Land nicht gezahlt. Und wir können es auch nicht als Stiftung."
Kampfmittelbeseitigung ist Ländersache
"Die Eigentumsverhältnisse ehemaliger Truppenübungsplätze der Volksarmee, der Sowjetarmee und der Gaststreitkräfte sind differenziert zu betrachten", teilt die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, kurz BImA, mit, die Eigentümerin vieler ehemaliger militärischer Liegenschaften ist. So hätten die Bundesländer Brandenburg, Sachsen und Thüringen große Flächenanteile übernommen, die von der sowjetischen Armee genutzt wurden.
Und grundsätzlich seien die Bundesländer für die Kampfmittelbeseitigung zuständig, heißt es weiter von der BImA. Staatspraxis seit den 1950er-Jahren sei es aber auch, dass Bund und Länder sich die Kosten teilten. Wenn von Kampfmitteln auf nicht bundeseigenen Liegenschaften "Gefahr für Leben oder Gesundheit" ausgehe und es sich um ehemals "reichseigene Kampfmittel" handle, erstatte der Bund den Ländern die Kosten. Das teilt das Bundesfinanzministerium mit.
Unter anderem mit Brandenburg gebe es außerdem bereits Kooperationsvereinbarungen zur Lösung des Munitionsproblems auf Sowjetliegenschaften, ergänzt die BImA. Und für alle Flächen, die im Eigentum der BImA seien, gebe es eine "systematische Erfassung und Untersuchung von Kampfmittelverdachten", auch mit Blick auf Waldbrandrisiken. Das Ergebnis: Ja, auch Flächen im Besitz der BImA sind mit Kampfmitteln belastet - aus ehemaliger militärischer Nutzung, durch den Zweiten Weltkrieg und auch durch "historische Produktion und Lagerung von Munition".
1800 Flächen im Bundesgebiet
Angesichts der klimatischen Veränderungen und der damit einhergehenden steigenden Waldbrandgefahr arbeitet man deshalb verstärkt an präventiven Waldbrandschutzkonzepten und einer entsprechenden Räumung belasteter Flächen. Insgesamt umfasse das Kampfmittelprogramm der BImA geplante Kosten von circa 700 Millionen Euro für mehr als 1800 Flächen im ganzen Bundesgebiet, zusammen circa 105.000 Hektar.
Die Entscheidungen für Kampfmittelräummaßnahmen erfolgten immer nach Gefährdungsabschätzung und Verhältnismäßigkeit, so die BImA. Gerade in Waldgebieten sei die Kampfmittelräumung besonders aufwendig; in der Regel müsse sämtliche Vegetation beseitigt werden - "einschließlich der Baumbestände".
Die Feuerwehr im brandenburgischen Jüterbog lässt die betroffenen Waldflächen nun kontrolliert abbrennen - so lange, bis den Flammen die Nahrung ausgeht. Ortschaften und Menschen sind dort nicht akut in Gefahr.