Arbeit im Hospiz Dem Sterben Leben geben
Immer mehr Sterbende müssen künftig in Hospizen und Pflegeeinrichtungen betreut werden. Doch die Einrichtungen kämpfen mit Personalsorgen - und die Ausbildung ist oft nur knapp.
Susanne Studemund genießt das Leben - trotz unheilbarer Krankheit. Die 63-Jährige lebt seit August im Hospiz am Israelitischen Krankenhaus in Hamburg. Im Mai veränderte eine Diagnose ihr Leben: sie hat ein Glioblastom, einen bösartigen Gehirntumor. Zweimal musste sie wiederbelebt werden. Es folgten Operationen und viele Krankenhausaufenthalte.
Das Hospiz gibt ihr nun Ruhe und Sicherheit. Hier konnte sie wieder zu Kräften kommen. "Es ist eine lockere, fröhliche Atmosphäre", erzählt Studemund. "Selbst wenn du schwer krank in deinem Zimmer liegst, du hörst diese ganz normalen Alltagsgeräusche, wie lachen, laufen und sich unterhalten - dann ist das doch toll, das ist das Leben und das geht weiter".
Nicht Bewohner, sondern Gäste
Im Gegensatz zu einer Palliativstation im Krankenhaus gibt es im Hospiz keine festen Zeiten. Die Bewohner, hier Gäste genannt, können aufstehen, essen und Besuch bekommen, wann sie möchten. Die Atmosphäre bleibt familiär.
Der Gast und seine Angehörigen mit seinen individuellen Bedürfnissen stünden im Mittelpunkt, erzählt Hospizleiterin Bettina Orlando. "Was ganz wichtig ist, dass wir den Menschen ohne Wertung begegnen. Würdiges Sterben bedeutet für jeden etwas anderes und das versuchen wir zu ermöglichen."
"Sterben sollte für uns etwas Alltägliches sein"
Wie lange ein Gast bleibt, lässt sich nie vorhersagen, manche ziehen auch wieder aus. Aber für die meisten ist es der Ort des letzten Lebensabschnitts. Wenn ein Mensch im Hospiz am Israelitischen Krankenhaus verstirbt, kommt eine Blume an seine Tür. Die Blume bleibt, bis der Gast das Haus verlässt. Im Gedenkraum wird eine Kerze angezündet.
"Sterben sollte für uns alle etwas Alltägliches sein, weil wir alle nicht lebend davonkommen aus diesem Leben", sagt Orlando. "Aber am Hospiz ist besonders, dass man auch dem Sterben noch Leben geben kann. Jeder so, wie er es bevorzugt, nach seinen eigenen Wünschen. Es ist ein letztes Zuhause."
Spenden und Ehrenamtliche sind wichtig
In Deutschland gibt es rund 1.500 ambulante Hospizdienste und 260 stationäre Hospize. Stationären Hospize werden zu 95 Prozent von den Krankenkassen finanziert, fünf Prozent werden über Spenden erwirtschaftet.
Hospizarbeit lebt auch von ehrenamtlichem Engagement. Aber gutes Personal zu finden, ist auch hier eine Herausforderung. Denn Hospiz- und Palliativarbeit ist kein Schwerpunkt in der Pflegeausbildung. Als Praxiseinsatz im Palliativbereich sind zwei Wochen vorgesehen. "Die Palliativbetreuung ist so individuell und abwechslungsreich. Gerade hier wäre es sehr wertvoll, intensiver angelernt zu werden, auch um Pflegefachkräfte zu binden", sagt Kirsten Mainzer vom Landesverband Hospiz- und Palliativarbeit Hamburg.
Aufgrund des demografischen Wandels und veränderter Familienstrukturen müssen immer mehr Leute in Hospizen und Pflegeeinrichtungen betreut werden. "Die Palliativversorgung in stationären Pflegeeinrichtungen muss zukünftig, auch bei steigendem Pflegenotstand gesichert sein", so Mainzer. "Hierzu wäre die Finanzierung von Palliativbeauftragten in Pflegeeinrichtungen durch die Kranken- und Pflegekassen wünschenswert."
Am 17. Oktober wird im Bundestag debattiert, wie die Palliativversorgung und Hospizarbeit in Deutschland verbessert werden kann. Auch der Welthospiztag, der jedes Jahr am zweiten Samstag im Oktober stattfindet, soll auf die Themen Tod, Sterben und Trauer aufmerksam machen und diese enttabuisieren.
"Ich lebe viel intensiver als vorher"
Susanne Studemund hat ihre Beerdigung bereits geplant: Es soll eine Seebestattung werden. "Meine Asche wird dann verteilt sein und überall wo meine Angehörigen stehen, ob an der Elbe, an der Ost- oder Nordsee, da bin ich". Die 63-Jährige ist dankbar für das Leben - auch dank der Menschen die ihr dies ermöglichen. "Ich habe immer gesagt, ich habe ein schönes Leben, auch nach der Diagnose. Ich lebe viel intensiver als vorher. Das hätte ich nie erfahren, wenn ich die Diagnose nicht bekommen hätte."