Fragen und Antworten Was bringt der Gesundheitsfonds?
Bürokratiemonster oder Instrument für mehr Gerechtigkeit? Mit der Einführung des Gesundheitsfonds gilt ein einheitlicher Krankenkassenbeitrag von 15,5 Prozent. Was bringt der Fonds und weshalb steht er so in der Kritik?
Was ist der Gesundheitsfonds?
Der Gesundheitsfonds ist ein Umverteilungssystem aller Geldströme der gesetzlich Krankenversicherten und zugleich das Kernstück der Gesundheitsreform der Großen Koalition. Durch den Fonds sollen die Gelder an die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) neu verteilt werden. Gespeist wird der Fonds aus den Beiträgen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie aus Steuermitteln. Jede Kasse erhält aus dem Pool eine bestimmte Pauschale pro Versichertem.
Seit wann gilt der Gesundheitsfonds?
Seit dem 1. Januar dieses Jahres zahlen alle Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen den gleichen Beitragssatz. Zunächst betrug dieser 15,5 Prozent, wurde dann aber zum 1. Juli 2009 auf 14,9 Prozent gesenkt. Es gibt auch einen ermäßigten Beitrag von 14,3 Prozent, gültig für Personen ohne Krankengeldanspruch. Der Bund zahlt zur Abgeltung der versicherungsfremden Leistungen der Krankenkassen für das Jahr 2009 vier Milliarden Euro an den Gesundheitsfonds. Ab dem Jahr 2010 erhöhen sich diese Leistungen um jährlich 1,5 Milliarden Euro bis zu einer Gesamtsumme von 14 Milliarden Euro.
Wie funktioniert der Gesundheitsfonds?
Jede Krankenkasse erhält für jeden Versicherten eine pauschale Zuweisung sowie ergänzende Zu- und Abschläge je nach Alter, Geschlecht und Krankheit ihrer Versicherten. Dieser sogenannte Risikostrukturausgleich (RSA) existierte zwar bereits längere Zeit, jedoch erhalten jetzt die Kassen mit vielen alten und kranken Mitgliedern durch einen stärker ausdifferenzierten, sogenannten morbiditätsorientierten RSA Geld von den Konkurrenten, bei denen weniger alte und kranke Menschen versichert sind.
Bei dieser Umverteilung werden 50 bis 80 schwerwiegende und kostenintensive chronische Krankheiten berücksichtigt. Dieser weiterentwickelte RSA soll laut Bundesgesundheitsministerium dazu führen, dass Kassen mit hohen Anteilen an alten und kranken - also kosteninstensiveren - Mitgliedern wettbewerbsfähiger werden.
Wer verwaltet den Gesundheitsfonds?
Das Bundesversicherungsamt (BVA) in Bonn verwaltet den Gesundheitsfonds. Dort gehen die Daten aller Kassen ein. Das Geld im Topf wird über Computer neu verteilt - 21 Mitarbeiter sind laut Bundesgesundheitsministerium daran beteiligt. Dabei geht es um große Summen: Bei den Gesundheitskosten nimmt Deutschland mit Ausgaben von mehr als 250 Milliarden Euro einen internationalen Spitzenplatz ein. Allein die gesetzliche Krankenversicherung gibt rund 150 Milliarden Euro im Jahr aus.
Was passiert, wenn Kassen mehr Ausgaben als Einnahmen haben?
Kommt eine Kasse mit der ihr zugewiesenen Summe aus dem Fonds nicht aus, muss sie im Folgejahr einen Zusatzbeitrag erheben, der ein Prozent des beitragspflichtigen Einkommens eines Patienten nicht übersteigen darf. Mit dieser Klausel sollen sozial Schwache vor Überforderung geschützt werden. Der zwischen Union und SPD geschlossene politische Kompromiss sieht vor, dass ein zusätzlicher Beitrag von bis zu acht Euro monatlich von jeder Kasse ohne Einkommensprüfung erhoben werden darf.
Was können Beitragszahler gegen Zusatzprämien tun?
Kassen, die einen Zusatzbeitrag erheben, müssen ihre Mitglieder auf die Möglichkeiten eines Kassenwechsels hinweisen. Die Regierung hofft darauf, dass schon aus Wettbewerbsgründen viele Unternehmen bestrebt sein werden, die Prämie nicht erheben zu müssen. Gut wirtschaftende Kassen können ihren Mitgliedern auch Geld erstatten. Da der Fonds zum Startzeitpunkt 2009 hundert Prozent der Kosten abdecken soll, muss parallel anfangs keine Kasse einen Zusatzbetrag erheben.
Warum gibt es den Gesundheitsfonds?
Aus Sicht von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Gesundheitsministerin Ulla Schmidt ist das Gesundheitssystem damit gerechter, transparenter und wettbewerbsorientierter geworden. Ursprünglich geht der Gesundheitsfonds auf einen Vorschlag des Wissenschaftlichen Beirates beim Bundesministerium der Finanzen zurück. Sinn war es, einen möglichen Kompromiss zwischen den Konzepten der Bürgerversicherung und der Gesundheitsprämie - auch "Kopfpauschale" genannt - zu finden. Die Koalition aus Unionsparteien und SPD einigte sich am 3. Juli 2006 auf die Einführung.
Eine weitere Begründung der Politik für den Fonds lautet, dass nun die Kassen nicht mehr alleine über die Erhöhung der Beitragssätze entscheiden können, sondern die Bundesregierung und der von ihr berufene Schätzerkreis mitreden kann.
Warum ist der Gesundheitsfonds umstritten?
Es wird immer wieder von verschiedenen Seiten die Frage gestellt, ob der Gesundheitsfonds wirklich gebraucht wird. Denn bereits vor seiner Einführung konnten gesetzlich Versicherte die Kasse wechseln, was den Wettbewerb förderte. Und den neuen morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich hätte die Bundesregierung auch ohne den Gesundheitsfonds einführen können. Dieser bildet einen der größten Knackpunkte in der Debatte von Lobbyisten, Verbänden und Politikern.
Zuvor lief es im Gesundheitssystem so: Junge, gesunde Gutverdiener waren entweder privat versichert oder bei preisgünstigen Betriebs- und Ersatzkassen. Geringverdiener und Hartz-IV-Empfänger waren häufig bei den großen Kassen, die somit unter geringen Einnahmen pro Mitglied litten.
Welche Erfahrungen gibt es im Ausland?
Andere Länder zahlen bereits seit Jahrzehnten in einen Gesundheitsfonds ein - zum Beispiel die Niederlande, Belgien und Israel. Auch dort werden die Mittel nach Einschätzung des Risikos an den Versicherten an die Kassen verteilt. Erfahrungen in den Niederlanden zeigen aber auch, dass mittlerweile etwa 50 Prozent der Einnahmen für Krankenkassen aus Zusatzprämien finanziert werden müssen.
Zusammengestellt von Corinna Emundts und Judith Hinrichs, tagesschau.de.