Junge Frauen wollen "coolen" Feminismus Das Ziel: "Nicht mehr über Mario-Barth-Mist lachen"
Während die Gleichstellungs-Ministerinnen auf ihrer Konferenz in Karlsruhe Stillstand beklagen, suchen junge Feministinnen nach neuen Wegen - so wie Susanne Klingner im tagesschau.de-Interview. Sie plädieren für einen Feminismus mit Spaß - und mit Männern.
Die Bilanz der Gleichstellungs-Ministerinnen der Länder auf ihrer Konferenz in Karlsruhe ist ernüchternd: Sie klagen über Stillstand. Von wahrer Chancengleichheit könne auch nach über 40 Jahren nicht die Rede sein - auch wenn Statistiken und Studien immer wieder zeigen, dass Mädchen in puncto Bildung im Vergleich zu Jungen die Nase weit vorn haben. Bedeutet diese Bilanz einen Schlag für den Feminismus? Es gibt junge, engagierte Frauen, die die Fahne weiterhin hochhalten, aber nach neuen Wegen suchen. Sie wollen einen Feminismus, der Spaß macht und bei dem sie die Männer mit einspannen können. Wie das funktionieren soll, erklärt die Buch-Autorin Susanne Klingner im tagesschau.de-Interview.
tagesschau.de: Beim Thema Gleichstellung geht es seit Jahren nur langsam voran. Der Feminismus à la Alice Schwarzer gilt als out. Sie plädieren für einen "coolen" Feminismus. Was meinen Sie damit?
Klingner: Feminismus kann auch Spaß machen. Man sollte sich bei vielen Themen in Sachen Gleichstellung, die sicher ernsthaft sind, nicht gleich die Laune verderben lassen. Viele junge Feministinnen kommen aus dem kreativen Bereich. Sie sind Publizistinnen, Musikerinnen oder Künstlerinnen und wollen über ihre Arbeit den Leuten Feminismus nahebringen. Sie machen Konzerte oder Ausstellungen, die sich mit den Problemen im Alltag von Frauen beschäftigen. Wir sind eher Vermittlerinnen als Aktivistinnen.
Allerdings gibt es auch viele "alte" Instrumente, die ich sehr gut finde – wie z. B. die Quote. Früher habe ich auch gedacht: 'Quote, was soll das? Ich will ja den Job nicht haben, weil ich eine Frau bin, sondern weil ich gut bin.' Das wird anders, wenn man sich mit den Strukturen in der Arbeitswelt beschäftigt. Dort gibt es einfach Mechanismen, wo es nicht ausreicht, als Frau clever zu sein, um den Job zu bekommen.
Susanne Klingner, (30), ist freie Journalistin und lebt in München. Gemeinsam mit Meredith Haaf und Barbara Streidl hat sie ein Buch verfasst: "Wir Alphamädchen. Warum Feminismus das Leben schöner macht." Die Autorinnen finden die Zeit reif für einen anderen Feminismus: einen, der Spaß macht und bei dem Männer mit dabei sind.
tagesschau.de: In der Bildung haben sich die Mädchen längst emanzipiert – sie sind einfach besser als Jungs. In der Karriere oder im Geldbeutel sieht das anders aus. Wie soll sich das ändern?
Klingner: Wir müssen Frauen die Möglichkeit geben, ihre Ziele zu erreichen und dafür braucht man staatliche Instrumente – wie die Quote...
tagesschau.de: ...aber praktisch funktioniert das ja nur bedingt.
Klingner: Frauen werden nur gefördert, wenn sie als Wirtschaftskraft interessant sind. In vielen anderen Dingen aber nicht, weil man niemanden verprellen möchte: Die Quoten will niemand anpacken, weil die Industrie dann durchdrehen würde. Und beim Ehegattensplitting beispielsweise, das dringend abgeschafft werden müsste, will man den Wähler nicht vor den Kopf stoßen.
tagesschau.de: Wie wollen Sie diese Ziele erreichen? Was wollen Sie anders machen als ihre Vorkämpferinnen?
"Emanzipation funktioniert nur über Kommunikation"
Klingner: Ganz viel in Sachen Emanzipation funktioniert nur mit Kommunikation – darüber reden, reden, reden und Leute überzeugen. Vor allem müssen wir die Medien dafür sensibilisieren. Und das tun wir. Allein dadurch, dass wir uns hinstellen und sagen, wir sind Feministinnen und sind für die Quote, provozieren wir auch heutzutage noch so viele Menschen - das mag man gar nicht glauben.
tagesschau.de: Und wie wollen Sie ein Umdenken in der Gesellschaft erreichen?
Klingner: Wir bauen ja auf Bestehendem auf. Feminismus war nie weg, er war nur in Nischen. Wir versuchen, das zu reaktivieren und zu vernetzen. Wir haben z. B. das Portal www.maedchenmannschaft.net gegründet, wo wir über diese Themen diskutieren. Unsere Generation ist anders sozialisiert. Das merken ja seit längerem Organisationen wie die politischen Parteien. Keiner will sich mehr in Hierarchien einfügen, keiner an Regeln halten, keiner den langen Weg durch die Institutionen gehen. Den Leuten heute dauert das alles zu lange. Das könnte übrigens auch ein Grund sein, warum Feministinnen immer so ein Frustdasein anhaftet. Die Dinge ändern sich nur ganz langsam und sind deswegen frustrierend.
"Die Leute merken nicht, wie unfrei sie sind"
tagesschau.de: Wie macht man aus Frust Spaß?
Klingner: Wir versuchen die Leute über den Freiheitsgedanken zu kriegen. Viele Leute machen sich ja gar keine Gedanken, wie unfrei sie sind, weil sie sich immer wieder auf ihr Geschlecht reduzieren lassen. Und das betrifft nicht nur uns Frauen, sondern auch die Männer. Wir versuchen, Männer zu integrieren. Auf unserer Website sind interessanterweise etwa genauso viele Männer wie Frauen, die sich für das Thema Feminismus interessieren. Denn Männer haben etwas davon, wenn sich etwas ändert: Sie stehen ja auch unter dem gesellschaftlichen Druck, sich einen guten Job suchen zu müssen, damit sie ihre Familien besser ernähren können. Viele würden sich aber wünschen, dass sie mehr machen können, was sie selber wollen. In unserer Generation entwickelt sich ein Bewusstsein, dass nicht nur etwas bei Frauen geschehen muss, sondern auch bei Männern.
tagesschau.de: Demnach gibt es das Feindbild Mann nicht mehr?
Klingner: Wir sehen die Männer eher als Partner, mit denen wir gemeinsam eine flexiblere Arbeitswelt fordern können. Wenn die Arbeitswelt in Deutschland nicht so starr wäre, könnten sich auch Männer verstärkt sowohl dem beruflichen Erfolg als auch ihren Familien widmen. Da muss ein Umdenken einsetzen. Es muss auch für Männer in Führungspositionen möglich sein, ihre Kinder mitzuerziehen – was viele mittlerweile in unserer Generation wollen. Beispielsweise könnten Leitungspositionen aufgeteilt werden. Da sind wir in Deutschland leider sehr, sehr rückständig.
"Nicht mehr über 'Mario-Barth-Mist' lachen"
tagesschau.de: Wie sieht die Gleichstellung in zehn Jahren aus?
Klingner: Männer und Frauen gehen mit weniger Vorurteilen miteinander um. Über den ganzen „Mario-Barth-Mist“ mit seinen Geschlechterklischees können die Leute nicht mehr lachen, weil sie sich in den Gags nicht wiedererkennen. Männer und Frauen können so sein wie sie wollen und auch das tun was sie wollen.
Das Interview führte Judith Hinrichs, tagesschau.de.