Kontrollen enden Mitte Juni Österreich öffnet Grenze nach Deutschland
Österreich will seine Kontrollen an der Grenze zu Deutschland am 15. Juni beenden. Und auch die EU macht Dampf: Sie will die Reisesaison im Sommer retten. Damit steigt vor der heutigen Kabinettssitzung der Druck auf die Bundesregierung.
Die wegen der Corona-Pandemie geschlossene Grenze zwischen Deutschland und Österreich soll am 15. Juni wieder vollständig geöffnet werden. Das erklärte das österreichische Kanzleramt. Zudem werden die Kontrollen schon ab diesem Freitag nur noch stichprobenartig durchgeführt. Die deutsche Bundesregierung will sich heute im Anschluss an eine Kabinettssitzung zu dem Thema äußern.
Wie das Kanzleramt in Wien mitteilte, strebt Österreich auch ähnliche Grenzöffnungen mit der Schweiz, Liechtenstein und den osteuropäischen Nachbarländern an. Die Alpenrepublik will damit seiner stark betroffenen Tourismus-Branche helfen: In der Sommersaison 2019 (Mai bis Oktober) entfielen 37,4 Prozent der insgesamt 79 Millionen Übernachtungen in Österreich auf deutsche Gäste, rund 30 Prozent auf Österreicher. Die drittwichtigste Gruppe sind die niederländischen Gäste, die aber nur noch fünf Prozent ausmachen.
EU will Sommerurlaub retten
Auch die EU setzt sich für ein baldiges Ende der coronabedingten Grenzkontrollen ein - vor allem mit Blick auf die kommende Reisezeit im Sommer. Vor den heutigen Beratungen der Kommission zu dem Thema äußerte sich Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni zuversichtlich, dass die europäische Urlaubssaison stattfinden wird. "Wir werden definitiv im Sommer eine Touristensaison haben, allerdings mit Sicherheitsmaßnahmen und Einschränkungen", sagte der Italiener der "Süddeutschen Zeitung".
Die schrittweise Aufhebung der Grenzkontrollen sieht laut Gentiloni weiterhin bestimmte Maßnahmen wie Sicherheitsabstände in Hotels, Gaststätten sowie Zügen und Flugzeugen vor. Außerdem sollen die Beschränkungen laut einem Beschlussentwurf zunächst in Gegenden abgeschafft werden, in denen es eine vergleichbar günstige Entwicklung der Corona-Fallzahlen beiderseits der Grenze gibt.
Lockerungen ja, Öffnungen noch nicht
Auch in Deutschland fordern immer mehr Politiker ein baldiges Ende der Kontrollen und erhöhen damit den Druck auf Innenminister Horst Seehofer, der in der vergangenen Woche die Maßnahmen bis zum 15. Mai verlängert hatte. Vor allem Landespolitiker, etwa aus Baden-Württemberg fordern, den freien Verkehr etwa zu Frankreich oder der Schweiz bald wieder zu ermöglichen. Unionsfraktionsvize Andreas Jung nannte bereits ein konkretes Datum: Bis Freitag sollten die Kontrollmaßnahmen beendet werden.
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet äußerte sich ähnlich: "Es tut mir in der Seele weh, wenn ich sehe, dass die Schlagbäume in Europa wieder unten sind", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". "Deshalb sollten wir in dieser Woche die Grenzschließung beenden und Europa wieder herstellen."
Auch innerhalb der Unionsfraktion wird die Kritik lauter. Kanzlerin Angela Merkel machte daher vor der heutigen Kabinettssitzung zu dem Thema Hoffnung, wenngleich das Tempo ein anderes sein dürfte. Sie sprach von einem zweistufigen Verfahren: Die Kontrollen an den Grenzen zu Deutschlands Nachbarstaaten sollen Koalitionskreisen zufolge gelockert, wohl aber am 15. Mai noch nicht völlig abgeschafft werden.
Kontrollen nicht "bis ultimo"
Ihr sei es wichtig, dass die Kontrollen nicht "bis ultimo" fortgesetzt würden, sagte Merkel nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios in einer virtuellen Fraktionssitzung der Union. Sie nahm in der Sitzung Bezug auf Frankreich, das selbst noch bis Mitte Juni die Grenze nach Deutschland kontrollieren will. Genau zu diesem Zeitpunkt könnte auch Deutschland die Kontrollen einstellen. An den Grenzen zur Schweiz könnte das schon Anfang Juni passieren. Ähnliches gelte für Österreich, sagte die Kanzlerin.
Unionspolitiker bremsen
Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Innenexperte Armin Schuster verteidigte dagegen die anhaltenden Grenzkontrollen. "Wir sollten die Grenzkontrollen nicht sofort beenden, weil das nicht synchron laufen würde zu den inländischen Lockerungen. Außerdem behalten andere Länder ihre Grenzkontrollen ebenfalls bei. Würden wir die Kontrollen komplett aufheben, wäre es Gesundheitsämtern in bestimmten Landkreisen nicht mehr möglich, Infektionsketten nachzuvollziehen."
Auch CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen warnte im SWR davor, die EU-Binnengrenzen zu schnell wieder zu öffnen. Offene Grenzen seien für Europa zentral, aber Grenzöffnungen müssten sich nach dem Infektionsgeschehen der beteiligten Länder richten. Man müsse sicher sein, dass von zusätzlicher Mobilität keine zusätzliche Gefahr ausgehe, so Röttgen. Der schnelle Wunsch, irgendetwas zu öffnen, sei nicht nachhaltig.
Auch Innenminister Seehofer legte sich noch nicht fest. Er hatte nach Angaben aus Koalitionskreisen zahlreiche Gespräche mit den Nachbarländern und auch den Ministerpräsidenten der von Grenzkontrollen betroffenen Bundesländer geführt. Der CSU-Politiker hatte am Montag angekündigt, dass rechtzeitig vor dem 15. Mai über das weitere Verfahren entschieden werde - möglicherweise noch heute im Zuge der Kabinettssitzung.