Grünen-Parteitag in Karlsruhe Lang und Nouripour wiedergewählt
Der Parteitag der Grünen hat die beiden Vorsitzenden Lang und Nouripour im Amt bestätigt. Lang wurde mit rund 82 Prozent wiedergewählt - ohne Gegenkandidatin. Nouripour setzte sich mit rund 79 Prozent gegen einen Mitbewerber durch.
Die Grünen halten an ihrer Doppelspitze fest: Auf dem Parteitag in Karlsruhe wurden Ricarda Lang und Omid Nouripour als Parteichefs wiedergewählt. Die Delegierten ermöglichten ihnen damit eine weitere zweijährige Amtszeit. Lang trat auf dem für Frauen reservierten Platz ohne Gegenkandidatin an und errang 82,3 Prozent der Stimmen. Nouripour, der mit Philipp Schmagold einen Gegenkandidaten hatte, erhielt 79,1 Prozent.
Lang holte damit ein besseres Ergebnis als bei ihrer ersten Wahl. Sie hatte im Januar 2022 insgesamt 75,9 Prozent der Stimmen erhalten. Da sie damals bei einem digitalen Parteitag gewählt worden war, musste danach noch einmal per Brief abgestimmt werden - bei dieser Wahl erhielt sie 78,7 Prozent der Stimmen.
Nouripours Ergebnis fiel diesmal etwas schlechter aus als bei seiner ersten Wahl Anfang 2022. Damals erreichte er gegen zwei Mitbewerber bei einem Online-Parteitag 82,6 Prozent. Das Ergebnis verbesserte sich bei der Bestätigung per Briefwahl später auf 91,65 Prozent.
"Die beiden härteren Jahre kommen noch"
Bei ihrer Bewerbungsrede betonte Lang die Erfolge der Grünen als Teil der Ampelkoalition mit SPD und FDP. "Ich bin so unfassbar stolz darauf, was wir in den letzten beiden Jahren geleistet haben", sagte Lang, die unter anderem die Sicherung der Gasversorgung im vergangenen Winter, das 49-Euro-Ticket und die Abschaffung des Paragrafen 219a nannte. Lang zeigte sich aber auch selbstkritisch. So gelinge es den Grünen nicht immer, die Menschen zu erreichen. Sie selbst sei in Zeiten, wo ihre Partei in Bedrängnis gekommen sei, manchmal etwas "ins Technokratische" abgerutscht.
Nouripour stimmte seine Partei darauf ein, dass ihr die schwierigsten Zeiten in der Ampelkoalition noch bevorstünden. "Das waren zwei aufreibende Jahre, aber das waren die beiden leichten Jahre", sagte er. "Die beiden härteren kommen jetzt noch, das wissen wir." Auf eine Frage zur Stimmung in der Ampelkoalition räumte er ein: "Wir haben zu viel Streit." Das müsse weniger werden. Seiner Partei sprach er Mut zu. "Das Wichtigste ist, was im Land ankommt und nicht, wie es uns damit geht."
Der 48-Jährige, der in Teheran aufgewachsen ist und im Alter von 13 Jahren mit seiner Familie nach Deutschland kam, berichtete auch von den Folgen seiner politischen Arbeit für Angehörige im Iran. Nachdem er sich im vergangenen Jahr deutlich zu den mutigen Frauen im Iran geäußert habe, habe er Anrufe von Verwandten erhalten, "die mich gefragt haben, ob ich es auch leiser machen kann, weil sie aufgrund meiner Arbeit hier bedroht worden sind". Er fügte hinzu: "Und nicht alle haben das überlebt." Im Iran hatten im September 2022 Massenproteste gegen die Regierung begonnen.
Schwerpunkte Sozial- und Außenpolitik
Lang kommt aus Baden-Württemberg und rechnet sich dem linken Parteiflügel zu. Sie ist seit 2012 bei den Grünen und war auch schon Chefin der Nachwuchsorganisation Grüne Jugend. Ihr Schwerpunkt ist die Sozialpolitik. Nouripour gilt als Realo und ist langjähriger Bundestagsabgeordneter aus Frankfurt mit einem Fokus auf Außenpolitik.
Als Bundesvorsitzende ihrer Partei arbeiten die beiden bisher geräuschlos zusammen. Sie setzen den Kurs ihrer Vorgänger Robert Habeck und Annalena Baerbock fort und versuchen, die Grünen für mehr Menschen jenseits der Kernklientel wählbar zu machen - was laut Umfragen zuletzt aber weniger gelang.
95 Prozent für Terry Reintke
Im Anschluss an die Parteivorsitzenden wurde Terry Reintke zur Spitzenkandidatin für die Europawahl im kommenden Jahr. Die 36-Jährige wurde mit 95,2 Prozent auf Platz eins der Liste für den Urnengang am 9. Juni 2024 gewählt. Die dem linken Parteilager zugerechnete Politikwissenschaftlerin ist bereits seit 2014 EU-Parlamentarierin, sie ist zudem Ko-Vorsitzende der Fraktion Die Grünen/Europäische Freie Allianz, der Abgeordnete aus 17 Ländern angehören.
"Wir werden nächstes Jahr mit aller Kraft gegen einen Rechtsruck im europäischen Parlament kämpfen müssen", sagte Reintke in ihrer Bewerbungsrede auf dem Parteitag. Teile der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) strebten Mehrheiten mit extrem rechten Parteien an, warnte sie. Gleichzeitig betonte sie: "Wir werden Kompromisse machen müssen, auch in der Asyl- und Migrationspolitik."
Die Europäische Union müsse eine Versicherung sein für eine bessere Zukunft, forderte Reintke. "Wir kämpfen für ein Europa, das Gerechtigkeit schützt." Es gehe um eine EU, die einen fairen Mindestlohn garantiere und Mindeststandards bei der Besteuerung vorsehe. Eine klimaneutrale Industrie bedeute Millionen stabiler, zukunftsfester Arbeitsplätze, etwa durch ein mit grünem Wasserstoff statt Kohle betriebenes Stahlwerk in Duisburg.
Haushaltkrise als Thema
Der erste Tag des Parteitags hatte im Zeichen der Haushaltskrise nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gestanden, infolge dessen der Ampel-Koalition 60 Milliarden Euro insbesondere für den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft fehlen. Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Habeck sagte in seiner Rede: "Wir werden Lösungen finden und weiter kämpfen und gewinnen."