Diskussion zu Guttenberg-Plagiatsvorwürfen geht weiter Rückendeckung, Kritik und ein offener Brief
Am Fall Guttenberg scheiden sich weiter die Geister. Während sich der Bundeswehrverband hinter ihn stellt, kommt nun aus den Koalitionskreisen vermehrt Kritik am Verteidigungsminister. Auch aus der akademischen Welt gibt es Proteste gegen den Umgang mit den Plagiatsvorwürfen.
Der Fall Guttenberg spaltet weiterhin Politik, Wissenschaft und Militär. Der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbands, Oberst Ulrich Kirsch, sprach sich für den Verbleib des Verteidigungsministers im Amt aus.
Wenn es bei den bisher bekannten Vorwürfen bleibe, sei der Minister weiter tragbar, sagte Kirsch im ARD-Morgenmagazin. "Seine Glaubwürdigkeit ist angekratzt, das ist gar keine Frage", sagte der Verbandsvorsitzende. Es gehe nun aber darum, dass Guttenberg sein Ministerium "straff" führen müsse. "Es kommt darauf an, dass jetzt diese Großbaustelle Bundeswehr bearbeitet wird, dass Entscheidungen fallen und es endlich losgeht, denn da ist vieles überfällig."
Merkel steht zu ihrem Minister
Kanzlerin Angela Merkel hält in der Affäre weiter zu ihrem Verteidigungsminister. "Der Bundesverteidigungsminister genießt das Vertrauen und die Unterstützung der Bundeskanzlerin. Daran hat sich nichts geändert", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Guttenberg sei ein bewährter Minister, der weiter seine Arbeit tun solle.
Der Regierungssprecher sprach angesichts massiver Kritik aus der Wissenschaft allerdings von einem sehr ernsten Vorgang. Die Kanzlerin könne die Erregung durchaus verstehen - meine aber nicht, dass es sich um Missachtung der Wissenschaft handele. Seibert verwies darauf, dass die Universität Bayreuth den Vorwurf vorsätzlicher Täuschung durch Guttenberg prüft. Ihr Urteil gelte es nun abzuwarten.
Forschungsministerin Schavan: "Kein Kavaliersdelikt"
Bundesforschungsministerin Annette Schavan hat indes großes Verständnis für den Unmut geäußert, den die Affäre unter Wissenschaftlern ausgelöst hat. Sie sagte der "Süddeutschen Zeitung", dass sie den Entzug des Doktortitels durch die Universität Bayreuth für richtig und den ganzen Vorgang nicht für eine Lappalie halte. "Raubkopien sind kein Kavaliersdelikt. Und der Schutz geistigen Eigentums ist ein hohes Gut", sagte die Ministerin. Guttenberg habe aber eine zweite Chance verdient.
Vermehrte Kritik auch aus Koalitionskreisen
Guttenberg gerät jedoch auch in den eigenen Reihen zunehmend unter Druck. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) erklärte laut einem Medienbericht vor SPD-Abgeordneten, die Affäre und ihre Begleitumstände seien "ein Sargnagel für das Vertrauen in unsere Demokratie".
Der forschungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Martin Neumann, gibt dem angeschlagenen Minister nach eigenen Worten noch "eine, maximal zwei Wochen Zeit", um die Täuschungsvorwürfe auszuräumen. Schaffe er dies nicht, müsse er zurücktreten. Neumann äußerte offen "große Zweifel an Guttenbergs Erklärung, er habe lediglich den Überblick über seine Quellen verloren". Zuvor hatte bereits Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) Zweifel am politischen Überleben Guttenbergs geäußert.
Baden-Württembergs Regierungschef Mappus (CDU) verteidigte dagegen im Bericht aus Berlin Guttenbergs Verhalten. Er habe einen Fehler gemacht und dies eingestanden. Dieses Verhalten spreche für den Menschen und den Politiker Guttenberg. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte im Bericht aus Berlin, die Kanzlerin und zu Guttenberg versuchten, "das Ganze unter den Teppich zu kehren". Dies werde nicht gelingen, wie die empörten Reaktionen von Seiten der Wissenschaft zeigten.
SPD: Guttenberg soll nicht mehr für Bundeswehr-Unis zuständig sein
Die SPD im Bundestag forderte Kanzlerin Merkel auf, Guttenberg die Zuständigkeit für die beiden Bundeswehr-Universitäten vorläufig zu entziehen. "Angesichts der Vorwürfe des massiven Wissenschaftsbetrugs kann Minister Guttenberg diese Aufgabe nicht mehr mit der notwendigen Autorität wahrnehmen", erklärte Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann.
Nach seiner Einschätzung wäre es dem CSU-Politiker unmöglich, von den Doktoranden beispielsweise die Einhaltung der Vorschriften über die Anfertigung von Doktorarbeiten zu verlangen. Insbesondere dürfe Guttenberg nicht länger über die Berufung der Professoren entscheiden, meinte Oppermann.
Akademiker sehen Missachtung der Wissenschaft
Der Staatsrechtsprofessor Ulrich Battis kritisierte Merkel wegen ihrer jüngsten Äußerungen zur Guttenberg-Affäre: "Die Aussagen der Kanzlerin sind unglaublich", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger". "Denn damit stellt sie die Verantwortlichkeiten auf den Kopf. Das ist Missachtung von Wissenschaft." Nicht die Politik gebe bei der Aberkennung eines Doktortitels die Linie vor, sondern die zuständige Universität.
20.000 unterzeichnen offenen Protestbrief
Nach Medienberichten haben 20.000 Bürger im Internet einen Protestbrief an Bundeskanzlerin Merkel wegen des Umgangs mit der Affäre Guttenberg unterzeichnet. Der Protestbrief war von Doktoranden initiiert worden. Inzwischen haben aber auch andere Bürger unterzeichnet. Einer der Erstunterzeichner, der Politologe Tobias Bunde von der Universität Konstanz, erklärte im "Südkurier": "Wenn Guttenberg zum Beispiel wird, können wir hier dichtmachen."
Guttenberg hat Teile seiner Doktorarbeit ohne Quellenangaben abgeschrieben. Daraufhin entzog ihm die Universität Bayreuth den akademischen Grad. Bisher hat der Minister alle Vorwürfe zurückgewiesen, mit Absicht betrogen zu haben. Merkel hatte unter anderem erklärt, sie sehe in Guttenberg nicht den Doktoranden, sondern den Verteidigungsminister.