Interview

CSU-Kenner Oberreuter im Interview "Seehofers Strategie ist riskant"

Stand: 20.01.2012 14:28 Uhr

Warum hat sich Guttenberg gegen eine Rückkehr in die Politik entschieden? Und warum will CSU-Chef Seehofer ihn unbedingt wiederholen? Seehofer möchte möglichst viele Strömungen ansprechen, meint Politologe Oberreuter im tagesschau.de-Interview. Doch diese Strategie sei nicht ohne Risiko.

tagesschau.de: CSU-Chef Seehofer beruft eine Pressekonferenz ein, um zu erklären, dass Guttenberg nicht in die Politik zurückkehrt. Wie ist das zu deuten?

Heinrich Oberreuter: Die ursprüngliche Absicht dieser Pressekonferenz war wohl eine andere. Seehofer hätte gerne die Rückkehr von Karl-Theodor zu Guttenberg in die Politik verkündet. Das aber scheiterte offenbar daran, dass Guttenberg doch entschieden hat, auf eine Rückkehr zu verzichten - vielleicht aus der Einschätzung heraus, dass er sich und seiner Partei mit so einem schnellen Comeback keinen Gefallen tun würde.

tagesschau.de: Guttenberg hat mit seinem Verhalten den Parteichef nicht gut aussehen lassen. Könnte das Absicht gewesen sein?

Zur Person
Heinrich Oberreuter ist Politikwissenschaftler, er lehrt an der Universität Passau und war von 1993 bis 2011 Direktor der Akademie für Politische Bildung in Tutzing. Einer seiner Schwerpunkte ist die Parteienforschung. Oberreuter gilt als ausgewiesener Kenner der CSU. Er ist langjähriges CSU-Mitglied.

Oberreuter: Ich glaube nicht, dass er CSU-Chef Seehofer mit Absicht vorführen wollte, zumal er bestimmt die Brücken für ein eventuelles späteres Comeback nicht einreißen will.

Guttenberg könnte in der CSU für neue Konflikte sorgen

tagesschau.de: Warum hat CSU-Chef Seehofer Interesse daran, dass Guttenberg wieder eine aktive Rolle in der Partei spielt?

Oberreuter: Seehofer möchte offenbar - um es in einem Bild auszudrücken - die ganze Großfamilie der CSU an einem Tisch versammeln, um möglichst breite Wählerschichten anzusprechen. Er möchte unterschiedliche Strömungen integrieren: Die konservativen, europa-skeptischen Wähler können an die Person Gauweiler gebunden werden. Die Stoiber-Anhänger werden integriert mit Seehofers Bemerkung, die Ablösung Stoibers sei ein Fehler gewesen. Und Guttenberg soll als moderner Charismatiker aufgeschlossene Wählerschichten anziehen. Nach der Plagiatsaffäre kann Seehofer davon ausgehen, dass ihm sein einstiger Rivale auch nicht mehr zu gefährlich wird. Ob die Strategie aufgeht, ist fraglich, weil die Persönlichkeiten sich ja nicht nur addieren, sondern im Gegenteil auch polarisieren könnten.

"Eine große Mehrheit in Bayern will kein Comeback"

tagesschau.de: Würden die bayrischen Wähler ein Comeback Guttenbergs wollen?

Oberreuter: Eine ganz große Mehrheit der bayrischen Bevölkerung lehnt in den Umfragen eine Wiederkehr zu Guttenbergs in die Politik ab. Bei den CSU-Anhängern ist die Mehrheit nicht ganz so eindeutig, aber die Stimmung für ihn ist keinesfalls positiv. Wenn wir die Demoskopie ernst nehmen, dann wäre es wohl besser, Guttenberg nicht wieder zu integrieren. Denn er provoziert Konflikte in der Partei und könnte dem Image schaden. Das Bemühen um zu Guttenberg könnte sich also als Rohrkrepierer erweisen.

tagesschau.de: Welche Interessen verfolgt Guttenberg?

Oberreuter: Er hat viele Fehler gemacht in den vergangenen Monaten angefangen mit der Bewältigung der Affäre im letzten Frühjahr bis zu den Versuchen, wieder in der Politik Fuß zu fassen. Dann hat er die CSU öffentlich ausgerechnet an ihren neuralgischen Punkten als Volkspartei kritisiert, was ihm zumindest hier in Bayern keine Bonuspunkte eingebracht hat. Ich habe den Eindruck, dass zu Guttenberg mittlerweile die Einsicht gewonnen hat, dass seine Rückkehr zum jetzigen Zeitpunkt zu viele Kontroversen auslösen würde. Und das halte ich für eine kluge Erkenntnis.

"Populismus ist für Seehofer wichtiger als strikte Programmatik"

tagesschau.de: Oder spielt er doch noch mit dem Gedanken, eine neue Partei im rechten Spektrum zu gründen?

Oberreuter: Das wird ihm unterstellt, und er hat es nicht ausdrücklich dementiert. Von den Persönlichkeiten, die derzeit im Zusammenhang mit so einer neu zu gründenden Partei des modernen Konservatismus genannt werden - Olaf Henkel, Friedrich Merz, Karl Theodor zu Guttenberg - kann ich mir allerdings bei keiner vorstellen, dass sie die Bereitschaft und das Vermögen hätte, all die Kärrnerarbeit zu machen, die mit dem Aufbau solch einer Partei verbunden ist. Außerdem darf man die inhaltliche Modernisierung der CSU nicht unterschätzen. CSU-Chef Seehofer führt die Partei alles andere als rückwärtsgewandt.

tagesschau.de: Wie würden Sie die Strategie von CSU-Chef Seehofer zusammenfassen?

Oberreuter: Die Gesellschaft wird pluraler, Wahlentscheidungen werden immer volatiler, weil die Wähler-Bindung an Parteien nachlässt - auch in Bayern. Will man erfolgreich sein, muss man Stimmungen treffen, die "en vogue" sind. Das versucht der CSU-Chef. Ihm sind Pragmatismus und Populismus ebenso wichtig - und vielleicht sogar wichtiger - als strikte Programmtreue.

Das Interview führte Simone von Stosch, tagesschau.de.