Ausbau von Windkraft Gegenwind für Habeck in Bayern
In Bayern werden kaum noch Windräder gebaut - Grund ist die umstrittene Abstandsregelung. Klimaminister Habeck will, dass diese aufgeweicht wird. Bei einem Treffen mit Ministerpräsident Söder wurde deutlich: Einfach wird das nicht.
Klimaminister Robert Habeck hat von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder Zugeständnisse beim stockenden Ausbau der Windenergie in seinem Land gefordert. "Wir brauchen eben auch einen ökologischen Patriotismus zum Ausbau von schwierigen Techniken wie der Windkraft", sagte der Grünen-Politiker bei einem Treffen in München.
Knackpunkt ist die sogenannte 10H-Regel, die in Bayern seit 2014 gilt. Ein Windrad muss demnach mindestens zehn Mal so weit vom nächsten Wohngebäude entfernt gebaut werden, wie es hoch ist. Ausnahmen sind möglich, aber selten. Die 10H-Regel hat den Ausbau der Windkraft in Bayern quasi gestoppt. In den ersten drei Quartalen 2021 wurde kein einziger neuer Genehmigungsantrag mehr gestellt. Im Jahr 2013 waren es noch 400 Anträge. Die Zahlen stammen aus der Antwort auf eine Anfrage der Grünen im bayerischen Landtag.
"Dann können wir den Laden auch dichtmachen"
Auch Habeck sieht die Regelung als Haupthindernis für den stotternden Ausbau der Windkraft in Bayern. Man müsse bei der Windkraft den "Kreislauf nach unten" beenden, wo jedes Bundesland versuche, der "größte Verhinderer" zu sein. Dies dürfe sich nicht fortsetzen: "Dann können wir den Laden auch dichtmachen." Als Minister für Deutschland werbe er dafür, "dass wir uns dem, was notwendig ist, stellen, zum Wohle der Menschen, der Gesellschaft und dann auch der Wirtschaft in Bayern", fügte er hinzu.
"Wind ist aus der Ferne wahnsinnig sympathisch, aus der Nähe manchmal ziemlich erdrückend", konterte Söder. Nicht nur Bayern tue sich hier schwer, auch Baden-Württemberg, was an der Topografie liegen könne, sagte er mit Blick auf den schwächeren Wind im Süden.
Man sei jedoch bereit, über Ausnahmen zu reden. Grundsätzlich sei denkbar, die 10H-Regelung etwa im bayerischen Staatswald aufzuweichen. Auch beim Ersatz alter Anlagen durch modernere und leistungsfähigere, dem sogenannten Repowering, könne man sich Ausnahmen vorstellen, führte Söder aus. "Ob das dann reicht, müssen wir sehen". Spätestens bis März wolle Bayern Vorschläge präsentieren, wie die Kapazität trotz der umstrittenen Abstandsregelung hochgefahren werden kann.
Söder fordert Ausbau von Energieleitungen
Mit den Vorschlägen wolle Bayern aber auch Wünsche auf den Tisch legen, kündigte Söder an - und pochte auf einen Ausbau der Energieleitungen durch Deutschland. Das Bundesland mit starker Industrie ist schon jetzt Strom-Importeur. Immer mehr Firmen wollen ausschließlich mit Ökostrom beliefert werden, was auch wegen des stockenden Leitungsausbau aus dem Norden schwierig ist.
Trotz der unterschiedlichen Auffassungen zum Ausbau der Windenergie sprachen Habeck und Söder von konstruktiven Gesprächen. Söder lobte, dass Habeck nicht gleich mit Gesetzen drohe, sondern die Diskussion suche.
Die neue Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 rund 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien zu gewinnen. Windenergie an Land kommt dabei die zentrale Rolle zu. Dafür sollen zwei Prozent der Fläche Deutschlands reserviert werden. Dieser Forderung erteilte Söder eine klare Absage. "Bei den zwei Prozent sind wir einfach skeptisch", so der CSU-Politiker. "Das wären 200.000 Fußballfelder."
Neue Windräder: Niedersachsen und Brandenburg spitze
In den vergangenen Jahren war der Ausbau wegen fehlender Flächen fast vollständig zum Erliegen gekommen. 2021 wurden laut Bundesverband Windenergie knapp 500 Windräder mit einer Leistung von weniger als zwei Gigawatt gebaut, etwa 35 Prozent mehr als 2020. Zum Vergleich: Habeck plant einen Neubau ab nächstes Jahr von jährlich fünf Gigawatt, der sich bis 2027 auf zehn Gigawatt verdoppeln soll. Weil auch alte Anlagen stillgelegt wurden, lag der Nettozubau nur bei 1692 Megawatt, so der Bundesverband Windenergie und der Fachverbands VDMA Power Systems.
Fast drei Viertel der neu installierten Leistung wurde 2021 in Niedersachsen, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein realisiert. Spitzenreiter mit jeweils 104 neuen Anlagen waren Niedersachsen und Brandenburg. Der geringste Zubau, abgesehen von den Stadtstaaten, erfolgte in Sachsen, dem Saarland - und Bayern.
Nach Experten-Schätzung steht nur etwa 0,1 Prozent der bayerischen Landesfläche für Wind zur Verfügung. Söder verwies darauf, dass - bis auf die Windenergie - Bayern bei allen erneuerbaren Energien ganz vorne sei. Über die Hälfte des Stromverbrauchs erzeuge Bayern aus diesen Quellen. "Für uns ist Wind ein Baustein, aber nicht das einzige Thema."