Wirtschaftsminister Habeck sieht keinen Grund für "German Angst"
Wirtschaftsminister Habeck wirbt erneut für einen Industriestrompreis und mahnt dabei zur Eile. Im Interview mit den tagesthemen räumt er ein, dass eine Phase des Umbruchs bevorstehe - zeigt sich aber optimistisch, dass dieser gelingen werde.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat erneut für einen zeitlich begrenzten Industriestrompreis geworben, um Unternehmen bei hohen Energiepreisen zu helfen. Dafür bleibe nicht mehr viel Zeit - "sonst, in der Tat, sagen die: 'Wir investieren schon, aber nicht mehr in Deutschland'", sagte der Grünen-Politiker im Interview mit den tagesthemen.
Die aktuellen Wirtschaftsdaten des Internationalen Währungsfonds, wonach die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr voraussichtlich um 0,3 Prozentpunkte schrumpfen werde, seien "natürlich nicht gut, da muss man nicht drüber hinweggehen". Es gebe aber keinen Grund für eine "German Angst".
Als Gründe für die Entwicklung führte Habeck vor allem die hohen deutschen Energiepreise an, die eine direkte Konsequenz aus dem Ausstieg aus russischen Energieimporten nach dem russischen Angriff auf die Ukraine seien. "Das haben andere Regionen so gar nicht gehabt, schon gar nicht die USA, aber auch Großbritannien oder Spanien. Die hatten faktisch kein russisches Gas", sagte Habeck.
Abhängigkeit von Weltmärkten
Zusätzlich hänge Deutschland als Exportnation besonders von funktionierenden Weltmärkten ab. Und schließlich komme die Inflation hinzu und damit die Zinspolitik der Zentralbanken, die Investitionen verteuere. "In gewissem Sinne sollte das so sein, so wollten es die Zentralbanken", sagte der Minister.
Dennoch seien die Standortbedingungen in Deutschland weiter "sehr gut": "Wir kriegen die Energiepreise runter, die Leute sind top ausgebildet, die Unternehmen haben eine Standorttreue und ein Tag wie heute, wo große Förderbescheide überreicht wurden, zeigt auch, dass in der Zukunft hier wieder ordentlich produziert wird."
Damit bezog sich Habeck auf das Ruhrgebiet, wo er sich zum Zeitpunkt des Interviews befand. In Oberhausen wird ein Werk zur Wasserstoffproduktion gebaut und in Duisburg rüstet Thyssenkrupp mithilfe von Milliardensubventionen seine Stahlproduktion von Erdgas auf grünen Wasserstoff um.
Die Gefahr einer Deindustrialisierung des Landes sehe er deshalb nicht, sagte Habeck: "Tief in den Maschinenbau, ins Handwerk hinein werden hier Aufträge generiert und das ist ja das Gegenteil von einer Deindustrialisierung."
"Bis 2030 starke Transformationsphase"
Allerdings wird die Transformation der Wirtschaft Zeit brauchen und Jahre in Anspruch nehmen. "Bis 2030 haben wir eine starke Transformationsphase vor uns", sagte Habeck. Er wolle auch nicht verschweigen, dass dies Zumutungen bedeute. "Aber das wiederum liegt daran, dass wir in der Vergangenheit diese Transformation nicht so energisch wirklich angegangen sind."
Ein Brücken-Industriestrompreis könne den Unternehmen helfen, solange die Energiekosten hoch sind. Doch die Bundesregierung hat sich bislang nicht auf das Projekt geeinigt. "Man muss auch ehrlich sein: Das sind Gelder, die wir aufnehmen, das sind also schuldenfinanzierte Gelder, deswegen verstehe ich auch, dass der Finanzminister kritisch drauf schaut. Aber die Frage ist: Keine Gelder aufnehmen oder keine Industrie mehr haben?", sagte Habeck.
Wo soll der Strom herkommen?
Für die Produktion von Wasserstoff und den klimaneutralen Umbau der Wirtschaft generell wird sehr viel Strom benötigt werden - während der Ausbau der erneuerbaren Energien nicht so schnell voranschreitet wie gewünscht. Gleichzeitig verdoppelte die Bundesregierung die Produktionsziele für Wasserstoff bis 2030.
Habeck versicherte, der Ausbau bei erneuerbaren Energien werde in den kommenden Jahren zulegen. Der Mehrbedarf an Strom - für die Wasserstoffproduktion, aber auch für E-Mobilität oder Wärmepumpen - sei in den Plänen der Regierung eingepreist. Dies könnte über moderne Energieanlagen, die mehr Strom produzieren können als ältere Anlagen, aufgefangen werden.
Die Lage sei herausfordernd, räumte Habeck ein. "Aber wir haben alle Möglichkeiten, wir haben alle Technik und wir haben auch die finanziellen Ressourcen, sie zu bewerkstelligen", sagte er. "Lösbar ist das alles."