Regierungsberater auch dagegen Immer mehr Stimmen gegen Industriestrom-Subvention
Wirtschaftsminister Habeck will die Industrie mit einem Strompreisrabatt subventionieren. Doch das hemme die Innovationskraft und bremse dadurch die Klimawende aus, sagt jetzt auch ein Beratergremium der Regierung.
Der Wissenschaftliche Beirat des Finanzministeriums lehnt einen subventionierten Industriestrom ab. Die Wirtschaftsexperten sehen durch die Förderung energieintensiver Industrien die Gefahr, dass notwendige strukturelle Anpassungsprozesse unterbleiben und Wertschöpfungen, die international nicht wettbewerbsfähig sind, mit öffentlichen Mitteln aufrechterhalten werden.
"Dass diese Gefahr real ist, zeigt sich auch daran, dass mitunter schon jetzt aus der Industrie der Ruf laut wird, Industriestrom dauerhaft zu subventionieren, obgleich sich beim Industriestrom zumindest in Europa kein struktureller Wettbewerbsnachteil für Deutschland abzeichnet", urteilen die Experten. Es sei jedoch nicht sinnvoll, dieser Forderung nachzugeben: "Falls man davon ausgeht, dass Strom in Deutschland dauerhaft teurer bleibt als an anderen Standorten, sollte man davon absehen, diesen Standortnachteil für die Industrie durch Subventionen auszugleichen", so die Fachleute.
Besser Stromsteuer abschaffen
Alternativ raten die Experten, die Stromsteuer abzuschaffen. Als diese 1999 eingeführt wurde, habe sie eine sinnvolle Lenkungswirkung gehabt, weil der überwiegende Teil der Stromproduktion über fossile Energieträger erzeugt worden sei. "Diese Logik gilt mit dem fortschreitenden Ausbau der Erneuerbaren Energien aber nicht mehr. Die Stromsteuer gliedert sich somit ein in ein insgesamt überaus komplexes und widersprüchliches Gefüge des Besteuerns und Förderns in der Energieversorgung." Ihre Abschaffung könne auch als Ersatz für ein bislang nicht implementiertes Klimageld gesehen werden, weil ärmere Haushalte einen überproportionalen Teil ihres Einkommens für Strom ausgäben.
Bereits im Frühjahr hatten die vier führenden Wirtschaftsinstitute in Deutschland davor gewarnt, Strom durch Staatshilfen günstiger zu machen. Wenn Preissignale fehlten, würde das die Suche nach Innovationen unattraktiver machen und das Erreichen der Klimaziele gefährden.
DIHK: Verwerfungen vorprogrammiert
Auch die Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) hat sich gegen die Stromsubvention ausgesprochen. Nach ihrer Ansicht sind Verwerfungen in der Wirtschaft durch den Industriestrompreis programmiert. Die laufende Debatte sorge für Unruhe in der Wirtschaft und berge die Gefahr von Unwuchten. "Fehlanreize und Fehlsteuerungen lassen sich in einem derart stark regulierten Modell mittelfristig nicht vermeiden - so sehr es auch denjenigen helfen wird, die unter die Vergünstigung fallen", urteilte die DIHK bereits im Juni.
Sie wies zugleich darauf hin, dass die zusätzlichen Auflagen mehr Risiken und Bürokratie für die Unternehmen schafften und die Wirkung der Entlastung einschränke. "Insgesamt ist klar, dass jeglicher Industriestrompreis nur die Symptome bekämpft, während die Ursache des fehlenden Stromangebots unberücksichtigt bleibt", so die DIHK.
DIHK: Besser Steuern, Umlagen, Entgelte senken
Auch die DIHK plädiert für steuerliche Maßnahmen statt Subventionen und hält drei Alternativen für sinnvoller: eine Entlastung der Stromkosten von Steuern und Umlagen, eine Stärkung des direkten Ausbaus Erneuerbarer Energien gemeinsam mit der Wirtschaft oder ergänzende Maßnahmen für energieintensive Unternehmen.
"Steuern, Umlagen und Entgelte kann der Staat unverzüglich und unbürokratisch senken", ist das Fazit der DIHK. Ebenso könnten Investitionszuschüsse helfen, Erneuerbare Energien auszubauen und preisgünstige Direktstromlieferverträge mit Unternehmen insbesondere in der Industrie zu unterstützen. "Damit kann die Bundesregierung Vertrauen in den Standort Deutschland zurückgewinnen und der gesamten Wirtschaft eine wettbewerbsfähige Perspektive auf dem Weg der Transformation sichern."
Gewerkschaften sind für Industriestrompreis
Gewerkschaften begrüßen hingegen den Vorschlag, den Strompreis für die Industrie zu deckeln: Der Vorsitzende der IG Metall, Jörg Hofmann, hatte sich für die vorübergehende Subvention ausgesprochen, ebenso wie der Deutsche Gewerkschaftsbund: "Damit die energieintensiven Industrien eine grüne Zukunft in Deutschland haben, brauchen sie preisgünstigen grünen Strom." Die Industrie sei auch ein wichtiger Motor der Gesamtwirtschaft. Das deutsche Wirtschaftsmodell beruhe auf sehr komplexen Wertschöpfungsketten mit einer hohen Fertigungstiefe. "Diese Produktionsketten dürfen nicht reißen."
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatte im Mai einen Strompreis für energieintensive Unternehmen im internationalen Wettbewerb von sechs Cent pro Kilowattstunde für 80 Prozent ihres Strombedarfs vorgeschlagen. Der gedeckelte Industriestrompreis soll übergangsweise aus staatlichen Mitteln subventioniert werden, um die Abwanderung bedeutender Unternehmen zu verhindern, bis genug Strom aus Erneuerbaren Energien erzeugt wird, um ohne Subventionen günstige Strompreise anzubieten. Das soll 2030 der Fall sein.
Finanzminister Christian Lindner hatte sich gegen die Subventionspläne ausgesprochen. Die SPD als dritter Koalitionspartner zeigt sich unentschlossen.
Preisgarantien und Günstig-Strom: VW baut Batteriefabrik in Kanada
Indessen hat ein weiteres Unternehmen neue Investitionen im Ausland angekündigt: Der Automobil-Hersteller VW baut eine Batteriefabrik in Kanada. Dort gebe es stabile und langfristige Energiepreisgarantien, hatte Oliver Blume, Vorstandsvorsitzender von VW und zugleich Chef von Porsche, der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten" bestätigt.
VW suche Standorte mit Industriepreisen von weniger als sieben Cent pro Kilowattstunde inklusive Nebenkosten. Da die Produktion von Batteriezellen energieintensiv sei, seien Preisgarantien und die Höhe der Strompreise sehr bedeutsam, außerdem die behördliche Abwicklung und die Förderung. "Diese Aspekte habe ich in Nordamerika sehr positiv erlebt", hatte Blume den beiden Medien gesagt.