"Monitor": Zulassungsnormen nicht eingehalten Bahn kämpft mit neuen Achsproblemen am ICE-3
Allen Beteuerungen der Deutschen Bahn zum Trotz gibt es in einigen ICE-Zügen offenbar nach wie vor Sicherheitsprobleme mit Laufradachsen. Das ARD-Magazin "Monitor" berichtet, dass bei einigen Achsen in ICE-3-Zügen der Baureihe 406 nicht die europäischen Zulassungsnormen für Dauerfestigkeit eingehalten werden. Der Mangel flog auf, weil nach dem ICE-Unfall von Köln die Berechnungen des Herstellers der Achsen für die Zulassung überprüft werden. Die Bahn betont dagegen, dass es keine Sicherheitsmängel gebe: Man gehe von einer uneingeschränkten Sicherheit der ICE-Flotte aus.
Von Markus Schmidt und Georg Wellmann, WDR
Spätestens seit dem 9. Juli, als eine Antriebsachse an dem hochmodernen ICE 3 glatt durchgebrochen war und deshalb nun die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt, steht die Sicherheit dieser Hochgeschwindigkeitszüge in Frage. Das Eisenbahnbundesamt hatte Alarm geschlagen: Wäre der verunglückte ICE bei Tempo 300 entgleist, hätte eine Katastrophe wie in Eschede passieren können. Laut Eisenbahnbundesamt bestand erhebliche Gefahr für Leib und Leben.
Die Bahn versichert ihren Kunden bis heute, die ICE-Achsen seien sicher. Die Bauteile würden ausreichend überprüft. Können sich die Fahrgäste auf dieses Versprechen verlassen? "Monitor" liegen Dokumente vor, die daran Zweifel aufkommen lassen.
Zulassungsnormen werden überschritten
An Laufradachsen in 17 ICE-3-Zügen der Baureihe 406 werden die vorgeschriebenen europäischen Zulassungsnormen nicht eingehalten. Das geht aus diesem Schreiben der Bahn vom 5. August dieses Jahres hervor, das der Redaktion vorliegt: "Für diesen Laufradsatz (...) wird die Dauerfestigkeit nicht nachgewiesen."
"Solche Achsen durfte man nicht einbauen"
Die Achsen könnten "Monitor" zufolge ein Sicherheitsproblem darstellen. Das erklärt Professor Vatroslav Grubisic dem ARD-Magazin. Grubisic gilt als Fachmann für Zugräder und Achsen. Er war lange Jahre an leitender Position bei der Fraunhofer Institut für Betriebsfestigkeit. Er fällt ein alarmierendes Urteil: "Im Prinzip durfte man solche Achsen nicht einbauen. Im Prinzip dürften diese Züge nicht freigegeben werden. Es ist unverständlich, dass seit Jahren diese Achsen im Einsatz sind, obwohl sie die Normen nicht erfüllen."
Fragwürdige Maßnahmen zur Achsentlastung
Doch die Bahn will mit diesen Achsen weiterhin mit 300 Kilometern in der Stunde über die Schienen rasen. Sie schlägt vor, die betroffenen Achsen an den 17 Zügen häufiger, nämlich alle 120.000 Kilometer per Ultraschall überprüfen zu lassen. Vorgeschlagen wurde, die Toiletten über den Achsen zu schließen und die Wassertanks der Toiletten in den Wagen abzupumpen, um die Last zu reduzieren.
In einem weiteren Brief schlägt die Bahn nun vor, die Bremsen an den Achsen abzuschalten "Durch das Abschalten der Wirbelstrombremsen an diesen Mittelwagen kann (...) die Kraftbeanspruchung an den Wellen reduziert werden", heißt es in einem Schreiben vom vergangenen Freitag, das "Monitor" vorliegt. Klar ausgedrückt bedeutet das: Um Zulassungsnormen doch noch zu erfüllen, soll die Bremskraft im Hochgeschwindkeitszug verringert werden, damit die Achsen länger halten, um so die Zulassungsnorm für den Betrieb zu erfüllen.
Problem mit ICE-Achsen gelöst?
Das Eisenbahnbundesamt bestätigt, dass die Herstellerangaben bei der Zulassung fehlerhaft waren. Die angebotene Lösungen seien vorläufig ausreichend. Deshalb stellte die Behörde einen vorläufigen Bescheid aus, nach dem die Achsen tatsächlich alle 120.000 Kilometer überprüft werden müssen. Diskutiert wird offenbar auch, ob die betroffenen Züge künftig noch mit 300 Stundenkilometern fahren dürfen.
Achsprobleme tauchen nicht zum ersten Mal bei ICE unterschiedlichster Bauarten auf. Und die Bahn versichert: "Im Rahmen unserer Betreiberverantwortung nehmen wir das Thema Sicherheit sehr ernst, und führen die Instandhaltungs- und Wartungsprozesse an unserer ICE-Flotte unter Einsatz aller angemessener technischer Mittel durch."
Wartungsintervalle wurden größer
Doch laut "Monitor" sparte die Bahn in der Vergangenheit bei der Wartung ihrer Züge kräftig ein. Aus einem internen Schreiben der Bahn gehe hervor, dass die Abstände für die Wartung , bei der unter anderem Laufwerke und Achsen überprüft werden, erheblich verlängert worden seien, um Kosten einzusparen, berichtet das ARD-Magazin. Seien die ICE-3 im Jahr 2003 noch nach 72.000 gefahrenen Kilometer zum Sicherheitscheck in die Werkstatt gerufen worden, geschah das im Jahre 2005 nur noch nach gefahrenen 144.000 Kilometern - eine Verdopplung der Intervalle.