Reform für mehr Rechtssicherheit Neues Gesetz für Corona-Maßnahmen
Die Kritik an der gesetzlichen Grundlage für die Corona-Maßnahmen wurde zuletzt immer lauter - auch Gerichte kippten einzelne Beschränkungen. Nun liegt eine Reform des Infektionsschutzgesetzes vor - was soll sich ändern?
Die Große Koalition will am Freitag eine Reform des Infektionsschutzgesetzes im Bundestag beraten. Damit sollen die Auflagen in der Pandemie besseren Bestand vor Gericht haben. Zuletzt wurde immer wieder angezweifelt, dass das jetzige Gesetz die weitreichenden Eingriffe in Grundrechte rechtfertigt. Zudem drängen Abgeordnete auf eine stärkere Beteiligung des Bundestags und der Länderparlamente. Der Entwurf liegt der Nachrichtenagentur AFP und dem ARD-Hauptstadtstudio vor.
Welche Maßnahmen werden in das Gesetz aufgenommen?
In dem neuen Paragrafen 28a werden Schutzmaßnahmen aufgelistet, die Bund und Länder im Falle einer Pandemie verhängen können. So werden die besonders umstrittenen Einschränkungen für die Gastronomie genannt sowie die Erhebung von Kontaktdaten der Kunden, Gäste oder Veranstaltungsteilnehmer. "Die Anordnung der Schutzmaßnahmen muss ihrerseits verhältnismäßig sein", heißt es in dem neuen Paragrafen. Zudem sollen Reisebeschränkungen, Ausgangs- oder Kontaktbeschränkungen im privaten und öffentlichen Raum, das Abstandsgebot, die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung und Verbote sowie Beschränkungen für Kultur- und Freizeiteinrichtungen oder entsprechende Veranstaltungen aufgenommen werden. Hinzu werden Verbote und Auflagen für Sportveranstaltungen angeführt, die Schließung von Schulen und Kitas und Auflagen für die Einrichtungen.
Und: Betriebs- oder Gewerbeuntersagungen, die Schließung von Einzel- oder Großhandel sowie Beschränkungen und Auflagen für Betriebe, Gewerbe, Einzel- und Großhandel werden genannt - ebenso Beschränkungen für Übernachtungsangebote. Auch Absagen und Auflagen für Veranstaltungen, Versammlungen und religiösen Zusammenkünfte werden geregelt. Zudem werden in dem Gesetz das Verkaufs- und Konsumverbot für Alkohol auf bestimmten öffentlichen Plätzen oder zu bestimmten Zeiten erwähnt.
Endet damit der Flickenteppich bei den Corona-Maßnahmen?
Es bleibt bei der Regelung, dass die Landesregierungen Rechtsverordnungen für Gebote und Verbote zur Pandemiebekämpfung erlassen. Allerdings können die konkreteren Vorgaben zu einer Vereinheitlichung der Maßnahmen führen.
Bekommen die Parlamente mehr Mitspracherechte?
Der Bundestag entscheidet Mitte November über das neue Gesetz, eine Mehrheit dafür ist zu erwarten. Danach hat er aber keine Mitsprachemöglichkeit mehr, was die einzelnen Maßnahmen betrifft, ebensowenig die Landesparlamente. "Unsere Aufgabe als Gesetzgeber ist nicht, über einzelne Maßnahmen zu entscheiden", sagt der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Carsten Schneider. Aber es werde ein Katalog an Maßnahmen erstellt. "Wir können uns darüber hinausgehend weitere Schritte vorstellen", so Schneider. Dies könnte ein Zustimmungsvorbehalt für das Parlament und das Recht sein, Verordnungen per Bundesgesetz wieder aufzuheben. Darüber habe man sich noch nicht mit der Union einigen können.
Was wird für die erwarteten Impfungen und die Tests festgelegt?
Wenn im kommenden Jahr Impfstoffe gegen das Coronavirus zur Verfügung stehen, sollen diese auch Menschen ohne Krankenversicherung bekommen können. Für Tests sollen bei Bedarf auch Kapazitäten der veterinärmedizinischen Labore in Anspruch genommen werden.
Was ist für Eltern vorgesehen?
Fortgeführt wird die Regelung, dass Eltern einen Verdienstausfall erhalten, wenn ihr Kind in Quarantäne muss.
Was ist für Rückkehrer aus Risikogebieten geplant?
Urlaubs-Heimkehrer aus Risikogebieten sollen anders als bisher keinen Verdienstausfall erhalten, wenn sie nach der Rückkehr in Quarantäne müssen. Die Rückkehrer können auch dazu verpflichtet werden, ihren Aufenthaltsort in den zehn Tagen vor und nach der Rückkehr anzugeben - und zu sagen, welches Reisemittel sie dabei genutzt haben. Voraussetzung ist aber, dass der Bundestag eine "epidemische Lage von nationaler Tragweite" beschlossen hat - was derzeit der Fall ist. Auch eine digitale Einreiseanmeldung soll es geben.
Was sagt die Opposition?
Für die FDP ist der geplante neue Paragraf 28a im Infektionsschutzgesetz handwerklich "schlampig gemacht" und habe nur einen "Feigenblattcharakter". Das sagt der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Marco Buschmann. "Was uns da vorgelegt worden ist, ist besser als nichts. Aber es wird den verfassungsrechtlichen Anforderungen für eine solche Grundlage nicht genügen."
Buschmann kritisierte vor allem genannte Schwellenwerte, ab denen Schutzmaßnahmen greifen würden: "Oberhalb eines Sieben-Tage-Inzidenzwertes von 50 ist diese Norm ein vollständiger Blankoscheck." Schon oberhalb von 35 Neuinfektionen sei nicht klar, welche Maßnahmen zulässig sein sollen. "Das bedeutet, dass die Anforderungen des Bestimmtheitsgebotes unserer Meinung nach nicht erfüllt sind", sagt Buschmann. Die eigentlich angestrebte Rechtssicherheit für das Ergreifen von Maßnahmen in der Pandemie werde damit nicht geschaffen.