AfD in Bremen Tief gespalten
Im Streit zweier AfD-Landesvorstände entscheidet der Wahlausschuss in Bremen heute darüber, ob die Partei auf den Wahlzetteln der Stadt erscheint. Ein bundespolitisches Bündnis könnte von dem Zoff profitieren.
Wer bin ich - und wenn ja, wie viele? Auf diese Frage hat Bremens AfD derzeit keine eindeutige Antwort. Die Folge: Für die Stadt Bremen hat die tief gespaltene Partei zwei konkurrierende Kandidatenlisten eingereicht. Das verbietet jedoch das Bremer Wahlgesetz. Der AfD droht deshalb für die Bürgerschaftswahl am 14. Mai der Ausschluss, sollte der heute beratende Landeswahlausschluss die Beschwerden der Parteilager nicht doch zulassen.
Dass die Partei sich nicht auf eine Liste einigen konnte, liegt unter anderem daran, dass der Landesvorsitz der Partei seit gut zwei Jahren unbesetzt ist. Das hat dazu geführt, dass sich heute ein im vergangenen Oktober formierter "Notvorstand" und ein seit Mai 2022 amtierender "Rumpfvorstand" befehden.
Die Ursachen für den Riss in der Bremer AfD gehen jedoch viel weiter zurück. Nur Monate nach den Bürgerschaftswahlen 2015, als die Partei erstmals mit vier Abgeordneten in den Landtag einzog, zerfiel die Bremer AfD-Gruppe bereits in verschiedene Lager. Einher ging dies damals mit der Abwahl des wirtschaftsliberalen Parteigründers Bernd Lucke als AfD-Chef zugunsten der nationalkonservativen Frauke Petry. Im Zuge dessen strengten die Befürworter des Rechtsrucks um die Landesvorstandsmitglieder Thomas Jürgewitz aus Bremerhaven und den Bremer Frank Magnitz mehrere Parteiausschlussverfahren an, unter anderem gegen den damals einzig verbliebenen AfD-Bürgerschaftsabgeordneten Alexander Tassis und drei weitere AfD-Mitglieder.
Machtkampf zwischen Jürgewitz und Magnitz
Nach den Bürgerschaftswahlen 2019 zerstritten sich dann jedoch auch Jürgewitz und Magnitz. Der Grund: Magnitz war seit 2017 Bundestagsabgeordneter. Überraschend ließ er sich dann auch zur Wahl als Spitzenkandidat für die Bremische Bürgerschaft aufstellen, obwohl er dies zuvor öffentlich ausgeschlossen hatte.
Der Streit um dieses Doppelmandat beschäftigte danach nicht nur die Bremer AfD. Auch der Bundesvorstand drohte Magnitz mit Ordnungsmaßnahmen, sollte dieser nicht eines der Mandate niederlegen. Der lehnte ab, sprach von einer "Schlammschlacht" und trat im September 2019 mit zwei weiteren Abgeordneten aus der Bremer AfD-Fraktion aus. Den Landesvorsitz legte Magnitz zwei Wochen später nieder.
Letzter Landeschef schmiss 2021 hin
Neuer Landesvorsitzender wurde der AfD-Abgeordnete Peter Beck. Doch auch er scheiterte daran, die innerparteilichen Querelen zu beenden. Im Januar 2021 schmiss er hin und trat aus der AfD aus. "Ich bin mit dieser Partei durch", sagte er damals. Wenige Tage später wechselte er zur Wählervereinigung Bürger in Wut.
Alle Versuche, die Parteispitze der Bremer AfD neu zu ordnen, sind seither gescheitert - zuletzt im Mai 2022. Da hatte sich der mit Magnitz verbündete Bürgerschaftsabgeordnete Heiner Löhmann als einziger Kandidat zur Landesvorsitzenden-Wahl gestellt. Die Mehrheit verfehlte er dennoch. Die Mitglieder der Bremerhavener AfD um Jürgewitz waren der Veranstaltung sogar ganz ferngeblieben, weil die Einladung ihrer Ansicht nach gegen die Satzung verstoßen hatte.
Rumpfvorstand und Notvorstand im Clinch
Die Folge: Eine Konkurrenz aus Rumpfvorstand um den geschäftsführenden Parteivize Sergej Minich und Notvorstand um Löhmann und Magnitz. Welcher Vorstand das Recht hat, Kandidatenlisten für Bürgerschaftswahlen einzureichen, ist offen.
Der AfD-Bundesvorstand steht hinter dem Rumpfvorstand um Minich. "Die einreichenden Personen sind nicht demokratisch legitimiert, für den Landesverband irgendwelche Erklärungen abzugeben", sagt daher Frank Jacobi, Anwalt und Vertrauensmann Sergej Minichs über die Gegenseite.
Das Bremer Landesschiedsgericht und das Bundesschiedsgericht stützen hingegen den Notvorstand. "Alle parteiinternen Gerichte, alle sagen, das ist kein Vorstand", sagt Löhmann.
AfD-Aus könnte Bündnis Deutschland helfen
Sollte der Landeswahlausschuss bei der einstimmig vom Wahlbereichsausschuss der Stadt Bremen getroffenen Entscheidung bleiben, dass eine Prüfung dieses Streitfalls nicht Sache des Wahlausschusses ist, hätte das unmittelbare Folgen. Dann nämlich würde Bremen damit beginnen, Briefwahlunterlagen und Wahlzettel mit 15 statt 16 Parteien zu drucken.
Den AfD-Lagern bliebe parallel die nächste Instanz, das Wahlprüfungsgericht. Sollte auch dies scheitern, bliebe nur noch der Weg zum Staatsgerichtshof.
Falls die AfD vor Gericht scheitert, stünde wohl eine Alternative für unzufriedene Wähler bereit: die bislang vor allem in Bremerhaven vertretenen Bürger in Wut. Für den Wahlkampf erhält die Partei mehrere Hunderttausend Euro Wahlkampfzuschuss von der noch jungen hessischen Partei Bündnis Deutschland. Eine Fusion beider Parteien ist bereits geplant - und hätte bei einem Einzug der Bürger in Wut ins Bremer Landesparlament wohl auch bundesweite Strahlkraft. Zusätzliche Protestwähler kämen da gelegen. Das Potenzial ist da: In einer Infratest-dimap-Wahlumfrage von Ende Februar haben rund sieben Prozent der Bremerinnen und Bremer ihr Kreuz bei der AfD gesetzt.